Der nächste Morgen begann viel zu früh für einen Langschläfer wie Jungkook. Auf eine gewisse Weise war er Taehyung dankbar, dass er einfach nur schwieg – anders als seine Freunde sonst. Der Rothaarige war eine gute Abwechslung zu Jins Aufweckaktionen mit Wasser, um nur eine Möglichkeit zu nennen. Was natürlich nicht hieß, dass er den Anderen dadurch besser leiden konnte. Grummelnd schlüpfte Jungkook in seine Jeans und sah aus dem Fenster. Der Tag würde schön werden, vielleicht reichte sogar sein Hoodie und er konnte seine Jacke zuhause lassen. Die Badezimmertür ging auf und Taehyung kam heraus. Die Zahnbürste klemmte zwischen seinen Lippen und seine Haare standen in alle Richtungen ab. Wieder stellte er fest, wie anders das Gesicht von Taehyung ohne die roten Strähnen darin wirkte. Müde tapste er an ihm vorbei und betrat das Bad. Feuchte Luft empfing ihn, welche ihm verriet, dass der Andere schon länger wach war und bereits geduscht hatte. Er nahm seine Zahnbürste und fing an, sich die Zähne zu putzen, während er durch die offene Tür hörte, wie der Andere leise vor sich hinsummte. Kurz hielt er inne, um zu lauschen. Taehyung hatte eine schöne Stimme und er ließ sie noch ein wenig tiefer klingen als sonst, um die simple Melodie zu erzeugen. Erstaunt streckte Jungkook den Kopf aus dem Fenster, um den Rothaarigen zu sehen. Wieder stand er vor dem Bett des Anderen und sah aus dem Fenster, das Jungkook über Nacht offengelassen hatte. Es war ein nahezu idyllisches Bild, dass sich dem Jungen bot, doch er schlich sich schnell wieder ans Waschbecken zurück und machte sich fertig. Er wollte den seltsamen Jungen garantiert nicht beim Zähneputzen beobachten und seinem Summen lauschen. Wie kam das denn bitte bei dem Anderen an?
Beim Frühstück sah er ihn wieder nicht, sondern saß wie am Vortag mit seinen drei Kumpels am Tisch und stopfte sich genüsslich das Essen in den Mund. Auch wenn er es nicht zugeben wollte, hatte er die Nacht über einen wahnsinnigen Hunger gehabt. Die Chipstüten, die Taehyung ihm auf sein Bett gelegt hatte, bevor er eingeschlafen war, waren in wenigen Minuten geleert worden und wider Willen war Jungkook dem Anderen dankbar, dass er die zweite Tüte der Knabbereien durchgesetzt hatte. Was ein Idiot, wieso musste der auch Recht haben, ärgerte Jungkook sich noch immer, und auch die Jungs lachten darüber, wo sein Hunger herkam. „Was steht denn heute an?", wandte er sich kauend an Yoongi. Bestimmt wusste Yoongi, was der Jahrgang heute unternahm. „Sightseeing-Tour", murmelte Angesprochener unbegeistert und auch Jungkook entfuhr ein Seufzen. Wie sehr er diese endlos langen Busfahrten hasste, in denen irgendein dahergelaufener Einheimischer ohne Fremdsprachkenntnisse versuchte, ihnen seine Heimat näher zu bringen. Yoongi liebte eigentlich das Erkunden und das Kennenlernen von neuen Städte, aber geführte Touren verabscheute er.
„Immerhin müssen wir nicht wandern gehen", kicherte Jin, der wieder voll auf den Beinen war und Jungkook streckte seinen Fuß aus und erreichte das Schienbein des Braunhaarigen. „Pass du bloß auf, wenn ich Mr Choi sage, was du alles angestellt hast, das er noch nicht weiß, dann darfst du bestimmt hinter unserem Bus herlaufen", drohte er ihm mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Das wäre doch ein gutes Training", mischte sich auch Namjoon ein und piekste seinem Sitznachbar in den Bauch. Jin quietschte unmännlich auf und rückte hastig von dem Anderen ab, wobei ihm sein Brötchen aus der Hand rutschte und auf dem Boden landete. Ohne den mahnenden Blick des Lehrers zu beachten – oder ihn gar wahrzunehmen - nahm Jin die Reste seiner mit Erdbeermarmelade gefüllten Waffel und drückte sie mit einem befriedigenden Knirschen an die Stirn des Größeren. „So, Kollege", grinste er und wandte sich um, um sein Frühstück vom Boden auf zu kratzen. Jungkook allerdings sah mit zunehmender Unruhe dabei zu, wie sein Lehrer sich mit finsterer Miene von seinem Stuhl erhob und langsam auf den Tisch der vier zutrat. „Seokjin", sprach er leise, als er vor ihnen stand und Yoongi streckte seine Hand über den Tisch, um Namjoon hektisch die Waffelreste von der Stirn zu pflücken. Jin sah auf. „Ja, Mr Choi?", fragte er, und das mit seinem liebsten Lächeln, dass er außer seinen Lehrern nur seiner Oma schenkte. Als Jungkook den Braunhaarigen noch nicht gut gekannt hatte, hatte auch er diesem braven Lächeln immer geglaubt. Dass Jin der Schlimmste von allen war, stellte sich erst später heraus, als die Jungs längst unzertrennlich geworden waren.
Doch auch Mr Choi kannte den Jungen inzwischen und fiel nicht mehr auf das Lächeln herein. „Ich glaube, heute verbringst du die Zeit im Bus vorne, damit du auch nichts von dem großartigen Berlin verpasst." Die Stimme des Lehrers war leise und beherrscht, doch die Zornfalte auf seiner Stirn war unübersehbar. Jin nickte stumm und sein Lächeln erstarb, als der Lehrer sich umgedreht hatte. „Arschloch", murrte er leise und die anderen mussten sich ein Lachen verkneifen. Mr Choi, der nur zwei Schritte gegangen war, drehte sich erneut um. Kurz rutschte Jungkook das Herz in die Hose, denn wenn der Mann Jins Worte gehört hatte, konnte der noch heute Abend seine Sachen packen. Doch die ernsten Augen fokussierten Jungkook, zu dessen zunehmender Besorgnis. „Ach, Jungkook. Dann kannst du ja im Bus den Platz neben Taehyung einnehmen. Ihr scheint euch doch ganz gut zu verstehen." Jungkook schüttelte langsam den Kopf. „Ach, nein, passt schon, ich sitze lieber bei Namjoon und Yo-", setzte er schon zu einem lieb ausgedrückten Nein an, doch der Lehrer schnitt ihm harsch das Wort ab. „Das war eigentlich gar keine Frage, Jungkook", bemerkte er und eingeschüchtert hielt der Junge den Mund, ehe er leicht begann, zu nicken. „Klar, Mr Choi."
„Bist du auf mich wütend oder auf Mr Choi?" Taehyung guckte ihn von der Seite an. „Choi", grummelte Jungkook nur und drehte den Kopf zum Fenster, weg von dem Rothaarigen. „Bin ich so schlimm?", hakte dieser dann nach und Jungkook schloss kurz die Augen. Merkte dieser Typ nicht, dass er nicht in Redelaune war? Nicht, dass er neben ihm sitzen musste, nein, seine Freunde saßen am anderen Ende des Busses. Abgesehen von Jin, der drei Reihen vor ihm saß und ihm gelegentlich hilfesuchende Blicke zuwarf, während der Lehrer auf ihn einredete. Das war das einzig Gute, wie Jungkook fand. Immerhin bekam Jin auch mal sein Fett weg. Sonst war es jedes verdammte Mal Jungkook, der für den Mist seiner Freunde verantwortlich gemacht wurde. Selbst wenn er nicht im Geringsten involviert gewesen war. So wie vor zwei Jahren, als Jin und Namjoon in das Chemielabor der Schule eingebrochen waren und irgendeine Substanz gestohlen hatten, nur um damit den Schulgarten zu düngen. Die Strafe – den Schulgarten neu anzulegen -, hatten die Jungs zwar zu viert erledigen dürfen, doch jedes Mal war immer nur von „Jungkook und seinen Jungs" die Rede gewesen. Zwar hatten sich seine Freunde mit einem Kinobesuch bei Yoongi und ihm entschuldigt, trotzdem war Jungkook es satt, das Image des Zerstörers zu tragen. Es stimmte, oft stellte er Dinge an, die im Nachhinein dumm waren, aber das war okay. Jungkook war niemand, der nicht dafür gerade stand, was er anstellte. Doch was ihn wirklich aufregte, war, wenn sein Name mit den blödsinnigen Ideen der anderen Jungs in Verbindung gebracht hatte, mit denen er wirklich nichts zu tun hatte. Schon oft hatten er und Jin sich deswegen richtig gefetzt und einmal sogar für zwei Wochen ignoriert, doch sie hatten sich jedes Mal wieder zusammengerauft. Schließlich waren sie nicht umsonst seit der fünften Klasse die besten Freunde.
„Hey, Jungkook!" Die Stimme neben ihm sorgte dafür, dass Jungkook seine Gedanken ruhen ließ und seinen Blick von Jin abwandte. „Hm?", machte er als Antwort. Geduldig wiederholte der Junge neben ihm seine Frage. „Bin ich so schlimm?" Die Frage klang irgendwie ernst, doch Jungkook hatte keine Lust auf Realtalk mit diesem Jungen. „Sagen wir es so: du bist nicht so schlimm, dass ich nicht lieber neben Choi sitzen will. Reicht dir das?" Jungkook hoffte inständig, dass sein Tonfall Taehyung verriet, dass er keine Lust hatte, sich zu unterhalten. Taehyung lachte leise auf. „Oh, das freut mich aber", erwiderte er sarkastisch und sah an Jungkook vorbei aus dem Fenster, die Augen leicht zusammengekniffen. „Und mich erst." Jungkook folgte seinem Blick nach draußen und sie schwiegen, lauschten dem Kauderwelsch des Berliners, der vorne neben Jin stand. Jungkook wollte gerade die Augen schließen, da er den Mann sowieso nicht verstand, da erhob Taehyung erneut die Stimme. „Was würdest du Mr Choi denn beichten, um nicht neben mir sitzen zu müssen?", wollte er neugierig wissen und sein Blick scannte Jungkook einmal ganz durch. „Dass ich seine Frau ermordet habe, vielleicht", gab Jungkook schulterzuckend zurück, „oder seinen Hund im Schwimmbad ertränkt." Erneut kam ein leises Lachen von Seiten Taehyungs und Jungkook sah ihn verwirrt an. Seit wann lachte der Typ so viel? „Dann müsstest du mich vermutlich nie wiedersehen", kommentierte der Andere seine Vorschläge und Jungkook legte die Stirn in Falten. „Vielleicht sollte ich es mir dann ernsthaft überlegen", sprach er dann trocken. Taehyung schüttelte seine feuerroten Strähnen aus dem Gesicht. „Tu dir keinen Zwang an. Vielleicht erwische ich ja dann einen netteren Sitzpartner." Kurz betrachtete Jungkook den Jungen neben sich. Ihm fiel auf, dass er eigentlich ein ziemliches hübsches Gesicht besaß, auch wenn seine Haare viel davon verdeckten. „Habe ich was im Gesicht?" Taehyungs tiefe Stimme riss ihn aus seinen Überlegungen. „Nein", gab Jungkook bemüht kühl zurück. Es war ihm peinlich, dass er so in Gedanken versunken war, als er den Rothaarigen angestarrt hatte. „Ich habe mich nur gefragt, was du für eine Augenfarbe hast. Bei deinen Zotteln sieht man die nie so richtig", erklärte er sich dann möglichst provozierend und Taehyung nickte zufrieden. „Sinn der Sache", kommentierte er dann und drehte den Kopf nach vorne.
„Braun. Ziemlich dunkles Braun."
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fire [taekook]
FanfictionNiemand mochte Taehyung. Er färbte sich die Haare in den abartigsten Farben, war still, langweilig, und wenn er seine Zeit nicht gerade mit seltsamen Büchern verbrachte, lebte er im Internet. Niemand mochte Taehyung und auch Jungkooks Begeisterung...