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„Ich hasse Museen", murmelte Namjoon seinem Kumpel zu, während er Jins Kopf streichelte und aus dem Fenster sah. „Ich auch", murrte Yoongi, der neben Hoseok an der Wand lehnte und seine Fingernägel betrachtete, „wer denkt sich den Scheiß eigentlich aus?"

„Alte Säcke", schlug Jungkook vor, der lustlos an Yoongis Seite lehnte und erschöpft die Augen schloss. Zu oft wanderte sein Blick zu Taehyung herüber, doch dieser war erstaunlich gut im Interesse vorspielen. Kein einziges Mal beachtete er den Jüngeren. Überhaupt hatte Taehyung seine Stimme kein eigenes Mal erhoben, seit der Dunkelhaarige ihn auf dem Dach zurückgelassen hatte. Die Nacht hatte Jungkook weinend verbracht, zwischen Namjoon und Yoongi, die ihn wortlos gestreichelt und mit Jins Schokolade gefüttert hatten. Jin selbst hatte auf Yoongis Bett gekauert und für ausreichend Nachschub an Essen gesorgt.

Nachdem Taehyung ihn weggeschickt hatte, war sich Jungkook endlich mehr oder weniger seiner Gefühle bewusst geworden. Viel mehr war es Yoongi, der ihm seine Meinung gesagt hatte, was der Jüngere nur schniefend abgenickt hatte. Er war einfach zu traurig gewesen, sich großartig Gedanken darum zu machen, wo er doch sowieso seine Chancen verspielt hatte.

Jungkook warf einen weiteren müden Blick in die Richtung des roten Schopfes, der sich seit geraumer Zeit mal wieder nur über seinem Smartphone gebeugt hatte. Doch kurze Beobachtung zeigte, dass der Gesichtsausdruck des Älteren alles andere als glücklich aussah. Besorgt beobachtete Jungkook, wie er zu Mr Choi lief, leise auf ihn einsprach. Die Stimme der Museumsführung ignorierte Jungkook, doch trotzdem konnte er nichts verstehen.

Mr Choi schüttelte den Kopf und sofort sackten die Schultern des rothaarigen Schülers in sich zusammen, bevor der niedergeschlagen nickte und zurück trottete. Auch wenn sich Jungkook zwang, sich wieder auf seine Freunde zu konzentrieren, registrierte er trotzdem, dass der Blick des Anderen auffällig oft zur Tür ging. Und mindestens genauso oft zu seinem Handy.

Taehyung sah auf, als der Dunkelhaarige auf ihn zutrat und stehen blieb. Als wäre ihr Streit nie passiert, griff Jungkook zielsicher nach der Hand des Jungen und zog ihn ohne Vorwarnung mit sich. Als sich die Mimik von Taehyung die letzten drei Museumsräume mehr verschlechtert als gebessert hatte, stand Jungkooks Plan fest. Offensichtlich wollte sein Zimmerpartner hier dringend weg, und dem Jüngeren war es egal, ob sie sich noch verstanden oder nicht.

Wenn Taehyung unglücklich war, würde er ihm helfen. Wenn Taehyung ihn danach noch dafür anschnauzen wollte, konnte er das gerne tun.

Jungkook ignorierte das Ziehen und Zetern hinter ihm, und ging zügig weiter auf den Lehrer zu.

„Mr Choi?"

Angesprochener drehte sich erstaunt um und wie auf Knopfdruck setzte der Junge eine überzeugende Leidensmine auf. „Ich fühle mich nicht besonders gut", fing Jungkook an, „kann ich kurz mit Taehyung an die frische Luft?"

Während der Rothaarige seinen Mitschüler misstrauisch ansah, entzog er ihm bestimmt seine Hand und Mr Choi nickte sofort. „Natürlich! Kommt einfach wieder hoch, wenn es besser wird. Oder du nach Hause musst."

Zufrieden und mit gespielt-schwachem Lächeln nickte Jungkook, ehe er sich die Hand wieder griff und den Älteren aus dem Zimmer zog.

„Was willst du?"

Kaum hatten sie die Ausstellung verlassen, beäugte der Rothaarige den Anderen kritisch und verschränkte die Arme. „Nichts. Aber du wolltest ganz offensichtlich raus. Also bitte, gern geschehen. Was auch immer es ist, du hast nicht viel Zeit dafür, bis wir wieder rein müssen. Ich warte vor der Tür."

Der Dunkelhaarige wollte sich wieder entfernen und ihn alleine lassen, aber die tiefe Stimme ließ ihn innehalten. „Ddosun ist verstorben", erklärte er tonlos, „Jimin hat eine Heulattacke nach der anderen." Jungkook drehte sich langsam um. „Shit", sagte er, „das tut mir leid."

„Mir auch. Ich rufe ihn an und versuche, ihn zu beruhigen."

Jungkook nickte knapp. „Viel Erfolg. Mein Beileid."

Dann verließ er endgültig den Raum. Trotz der Hilfe gerade waren sie natürlich noch lange keine Freunde und er wollte den Bogen nicht überspannen, weswegen er den Abstand, den Taehyung einforderte und vermutlich auch verdiente, sofort wieder herstellte und sich auf den Boden vor der Tür setzte, während Taehyung sich mit dem Telefon am Ohr auf den Toiletten verschanzte.


„Wie geht es ihm?"

Verlegen stand Jungkook mitten in dem kleinen Hotelzimmer. Seine nassen Haare tropften auf sein Shirt und Taehyung scannte ihn kurz von Kopf bis Fuß, bis er sich wieder seinem Telefonat widmete.

„Ich rufe dich gleich zurück, Chimchim."

Der Ältere kletterte von seinem Bett und tapste ebenso verlegen auf Jungkook zu. „Den Umständen entsprechend. Er hat gerade wieder aufgehört zu weinen", berichtete er. Mitfühlend nickte Jungkook und Taehyung starrte eine Weile stumm in seine Augen.

„Ich wollte mich noch bedanken für heute Nachmittag", brachte er dann leise heraus und sah zu Boden. „Das war echt nicht selbstverständlich."

„Doch war es. Ich habe dich oft genug wie Dreck behandelt und ich erwarte auch gar nicht, dass du im Gegenzug wieder mit mir sprichst. Es ist schon okay so, ich habe das verdient", entgegnete der Jüngere und bemühte sich um einen verständnisvollen Ton. Okay fand er es nicht, immer noch war ihm zum Heulen zumute, doch diese Info war für Taehyung irrelevant und außerdem sah er es tatsächlich als eine Art Strafe für sein Arschlochverhalten. „Hauptsache Jimin geht es gut. Und dir. Du sahst wirklich fertig aus im Museum", ergänzte er sich noch.

Taehyung hob vorsichtig den Blick und wieder ergründete sein Blick jeden Zentimeter von Jungkooks Gesicht, bis er seufzte. „Hör auf, sowas zu sagen. Du hast sowas nicht verdient. Ich habe nur Angst", gab er dann zu. „Angst, verletzt du werden."

„Rede besser nie wieder mit mir. Ich tue dir nur weh." Jungkook schluckte schwer.

Doch Taehyung sah ihm unentwegt in die Augen, während er seine Hand ausstreckte und durch die nassen, dunklen Haare fuhr. Der Jüngere genoss die Berührung und schloss die Augen kurz. Bis die Hand verschwand. Ein beinahe liebevoller Blick hatte sich auf Jungkook geheftet.

„Das will ich nicht", wisperte der Rothaarige, „ich brauche nur Zeit."

Jungkook nickte sanft. „So viel du willst", versprach er leise und hielt den Atem an, als die dunklen Augen Taehyungs auffunkelten und dessen Lippen kurz darauf seine Wangen streiften, bevor der Rothaarige seinen Kopf wieder wegzog und auf seinem hübschen Gesicht ein schüchternes Lächeln zum Vorschein kam.

Die Stelle der sanften Berührung kribbelte wie verrückt, Jungkooks Lächeln war selten breiter und seine Wangen selten röter gewesen, als er Taehyung regungslos hinterher sah, wie dieser zurück aufs Bett krabbelte und nach seinem Smartphone griff.

Während Taehyung die Nummer seines besten Freundes wählte und mit sanfter Stimme mit ihm sprach, manchmal leise lachte, blieb der Dunkelhaarige noch immer starr stehen und beobachtete seinen Zimmerpartner mit einem ganz besonderen Gefühl im Herzen.

fire [taekook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt