12

5.2K 315 60
                                    

Der nächste Abend war schweigsam in dem Zimmer der beiden Jungs. Den ganzen Tag hatten Taehyung und Jungkook gemeinsam in einem Museum abhängen müssen, doch Taehyung war ein Meister der Ignoranz. Seitdem Jungkook sich am Vorabend dagegen entschieden hatte, den Schlafenden zu wecken und sich bei ihm zu entschuldigen, hatte er keine Gelegenheit gefunden, mit dem Anderen zu sprechen. Stattdessen waren sie wieder in Beleidigungen übergegangen und Jungkook wäre wieder beinahe in die Luft gegangen wegen dem Anderen.

Womöglich wollte Taehyung auch gar nichts von ihm hören, weder eine Entschuldigung noch etwas anderes. Seufzend scrollte Jungkook auf seinem Bett liegend seine Twitter-Timeline auf und ab und likte den ein oder anderen Beitrag. Taehyung hatte sich wortlos in das kleine Badezimmer eingeschlossen, kaum dass sie ihr Zimmer betreten hatten. Der Dunkelhaarige hoffte, dass Taehyung sich mit dem Duschen nicht allzu viel Zeit ließ, denn er selbst wollte so bald wie möglich schlafen.

Jungkook schloss die Augen und lauschte dem Wasserstrahl, der leise und gedämpft aus dem Nebenzimmer kam. Vielleicht, so dachte er sich, würde er auch morgen früh duschen, und jetzt nicht weiter gegen die Müdigkeit ankämpfen. Zufrieden mit dem Plan kickte Jungkook sich im Liegen seine Schuhe von den Füßen und drückte seinen Kopf entspannt ins Kissen, bis -

Grummelnd öffnete Jungkook sein linkes Auge und linste zu Taehyungs Bett herüber. Er kannte das Geräusch nur zu gut, dass ihm gerade einen fetten, roten Strich durch seinen schönen Plan gemacht hatte. Taehyungs Handy lag auf der Matratze des Anderen und bimmelte fröhlich irgendeine Melodie vor sich hin. Jungkook kannte die Melodie inzwischen nur zu gut. Taehyung wurde angerufen, wie fast jeden Abend. Doch eigentlich war Taehyung da und stand nicht in der Dusche, wie in diesem Moment.

Jungkook schloss sein Auge wieder und beschloss, dem Anrufer eine Minute zu geben. Wenn bis dahin keine Ruhe war, würde er ihn wegdrücken und die penetrante Musik zur Hölle schicken. Er zählte bis 60 und stöhnte leise auf, ehe er sich schwerfällig erhob und zu Taehyungs Bett hinüber tapste. „Jimin" stand auf dem hellen Display und der Dunkelhaarige überlegte, wer das sein konnte. Vielleicht seine Freundin? Oder doch einer seiner seltsamen Internetkumpanen?

Von der plötzlichen Neugier gepackt, drückte Jungkook den grünen Hörer und presste sich das Handy an sein Ohr. „Tae?", begrüßte ihn eine Stimme, die ziemlich aufgelöst klang. Es war ein Junge, mit erstaunlich heller Stimme. Er schien zu weinen. „Taetae, bist du da?", wiederholte er sich und schniefte.

„Ähm nein, hier ist nicht Tae. Er duscht grade", antwortete Jungkook überfordert und bereute es, den Anruf angenommen zu haben. Als er den Spitznamen gehört hatte, hatte er sich gefühlt, als hätte er die Grenze der Privatsphäre des Anderen überschritten. Es gab schließlich einen Grund, warum der Rothaarige für ihn immer noch Taehyung war. Dass seine eigene Sturheit Teil des Grundes war, verdrängte er gekonnt.

Jimin erwiderte etwas, doch Jungkook hörte es nicht. Er hatte sich erschrocken umgedreht, zur Badezimmertür, die sich geöffnet hatte. Taehyung warf ihm einen bösen Blick zu. Das Wasser aus seinen Haaren tropfte auf seinen nackten Oberkörper. „Noch nie was von Privatsphäre gehört, oder?", sprach er leise, klang aufgebracht.

„Hier ist wer für dich, Taetae", gab Jungkook zurück und betonte den Spitznamen des Anderen absichtlich. Mit schnellen Schritten war Taehyung bei ihm angelangt und nahm ihm das Handy aus der Hand.

„Chimchim? Gib mir zwei Sekunden, ich muss nur mal eben ganz kurz mit diesen Hurensohn hier reden."

Taehyung legte sein Handy auf sein Bett und kam dem Anderen mit großen Schritten auf einmal sehr nahe.

„Wenn du dich noch einmal in meine Angelegenheiten einmischst, wirst du dir wünschen, nicht geboren zu sein", zischte er und Jungkook zog eine Augenbraue hoch. „Du meinst in deine Liebesangelegenheit mit Chimchim?", provozierte er.

Im nächsten Moment spürte er zwei große Hände an seinen Schultern und stolperte einige Schritte zurück, bis er die Wand an seinem Rücken spürte.

„Halt deine verdammte Fresse, Jeon Jungkook." Die tiefe Stimme des Rothaarigen klang bedrohlich und todernst. Jungkook roch das Duschgel und einige Tropfen aus den Haaren des Anderen fielen auf seinen Körper hinab.

Überhaupt schockte ihn Taehyungs plötzliche Nähe und er schnappte nach Luft. Ihre Gesichter war nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Sein Herzschlag verschnellerte sich schlagartig und er öffnete den Mund um etwas zu antworten.

Zu viele unbekannte Eindrücke auf einmal prasselten auf ihn ein.

Die Hände lösten sich, nicht ohne ihn ein letztes Mal gegen die Wand zu drücken, und ohne ein weiteres Wort drehte Taehyung sich um und nahm sein Handy von der Matratze.

„Jimin?"

Jungkook versuchte, seinen Körper zu entspannen und beobachtete jede Bewegung seines Zimmerpartners. Er musste sich erstmal von der Nähe erholen, die er niemals erwartet hätte.

Jungkook musterte Taehyungs Oberkörper. Vermutlich hatte Taehyung den Anruf gehört und daher keine Zeit gehabt, sich fertig zu machen. „Was ist los?", sprach Taehyung ins Telefon und mit einem Schlag klang seine Stimme komplett anders.

Sorge und Mitgefühl schwangen in ihr mit, während er sich auf sein Bett setzte und sich durch die Haare fuhr. Jungkook seufzte leise. Normalerweise verließ der Andere zum Telefonieren immer das Zimmer und ersparte ihm das Gespräch. Doch nun saß er da, schaute aus dem Fenster und lauschte Taehyungs Worten. Was dieser Jimin sagte, konnte er leider nicht hören.

„Beruhige dich, Jimin. Das wird alles wieder", sprach Taehyung sanft und Jungkook war erstaunt, wie beruhigend die tiefe Stimme des Rothaarigen wirken konnte, wenn er wollte. Sein Blick streifte Jungkook, als er weitersprach. „Atmen, Chimchim. Ein, aus. Immer weiter."

Neugierde stieg in Jungkook auf und er fuhr fort, Taehyung zu betrachten. Er saß ganz aufrecht da, mit aufmerksamem Blick und seine freie Hand spielte mit den Haaren, die in seine Stirn hingen. Sie sahen fluffig aus. Noch eine Weile beruhigte er seinen Gesprächspartner, ehe er sich verabschiedete und versprach, ihm noch zu schreiben.

„Nenn mich nicht Taetae", waren die einzigen Worte, die der Rothaarige für den Anderen noch übrig hatte, wieder mit der üblichen Monotonie in der Stimme. Er warf sein Handy neben sich und sah Jungkook emotionslos ins Gesicht.

"Nenn du mich nicht Kookie."

„Nur Jimin darf mich so nennen."

„Nur Yoo- Wer ist dieser Jimin?", fragte Jungkook unbeeindruckt und Taehyung schnaubte. „Was interessiert dich das?", wollte er kalt wissen und Jungkook schwieg überrascht. Dann giftete er zurück: „Tut mir leid, wenn man einmal im Leben freundlich und versöhnlich sein will und ein Gespräch aufbauen will. Und wenn du es genau wissen willst, ich habe seit gestern Abend durchgehend versucht, mich bei dir zu entschuldigen. Aber wenn du nicht willst, kannst du gerne weiter rumtrotzen wie ein kleines Baby. Nur zu, Taehyung."

Schweigen breitete sich aus und Jungkook wollte gerade aufstehen und seine Sachen aus der Kommode nehmen, damit er schmollend in die Dusche konnte, da erklang Taehyungs dunkle Stimme erneut, eine Spur freundlicher und irgendwie versöhnlich.

„Jimin ist mein bester Freund."

fire [taekook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt