Schutz suchend klammerte ich mich an dem Arm von Herrn Mortius fest und unterdrückte weiterhin mit großer Mühe die aufsteigenden Tränen. Der Lehrer musterte alle kurz, dann begann er zu sprechen.
“Was soll das denn?“, Fragte er, nicht gerade freundlich, “Ich höre hier Schreie, komme hier an und sehe, dass ihr eure eigene Mitschülerin verprügelt und sie sich nicht mal wehren kann? Wirklich unglaublich... Ich dachte, ihr seid Neuntklässler, und keine Grundschüler! Verdammt, seid ihr denn alle des Wahnsinns!? Und dann greift keiner von euch anderen mal ein, ihr steht alle nur da und gafft!“
Inzwischen waren immer mehr dazugekommen, eine regelrechte Menschenmenge hatte sich um uns gebildet, was mir sehr unangenehm war. Herr Mortius zog mich tröstend in eine Umarmung, ich sah zu Boden und konnte die Tränen nicht weiter zurückhalten. Herr Mortius machte zwei andere Lehrer in der Menge ausfindig.
“Kümmert euch um die zwei, ich komme gleich auch, ich bringe sie ins Krankenzimmer und kontaktiere die Eltern...“ Murmelte er. Die beiden anderen Lehrer nickten und gingen, mit Vanessa und Vincent im Schlepptau, die mich, sowie alle anderen anwesenden, verstört ansahen.
Ich spürte die brennenden Blicke, die auf mir und dem Lehrer ruhten, dann stützte er mich und ging mit mir in Richtung Krankenzimmer, wo auch schon eine Mitschülerin stand, die zu den “Schulsanitätern“ gehörte. Ich sah nicht vom Boden auf, als Herr Mortius den Raum wieder verließ, um meine, und vermutlich auch Vanessas und Vincents Eltern, anzurufen.“Unerhört, wie können Ihre Kinder eigentlich nachts schlafen!? Wie werden sie denn bitte erzogen!?“ Rief meine Mutter aufgebracht, als wir einige Tage später bei einem Gespräch alle zusammensaßen.
“Frau Roberts, bitte beruhigen Sie sich“, meinte Herr Mortius zu wiederholten Male beschwichtigend, “Wir sollten uns vielleicht erstmal anhören, was die Kinder selbst dazu zu sagen haben.“
Ich sah zu Boden. Um mein rechtes, halb zugeschwollenes Auge hatte sich ein dicker Bluterguss gebildet, überall hatte ich kleine Schrammen, und meine Lippe war aufgeplatzt und sah nicht gerade angenehm aus. Auch an den Armen und Beinen hatte ich Schrammen und Kratzer, von meinem Sturz als Vanessa zugeschlagen hatte, war mein Knie aufgeschlagen gewesen und jetzt war es dick in einem Verband eingewickelt.
“Ich soll mich beruhigen, wenn meine Tochter hier sitzt, nach dem sie zum wiederholten Mal eine Mobbingattacke abbekommen hat!? Und das, nachdem sie sich deswegen sogar fast umgebracht hat!?“
“Ich verstehe Ihre Sorge, aber wenn Sie nicht ruhig bleiben, können wir die Sache nicht aus dem Weg schaffen.“ Erwiderte der Lehrer, er sah mitleidig drein.
Letztendlich setzte meine Mutter sich tatsächlich hin, und Herr Mortius nickte Vanessa zu, die sofort zu erzählen begann.
“Ich war ganz friedlich im Flur unterwegs, als dieses Biest plötzlich zu mir kam und sich bei mir beschwerte, dass ich eben bessere Noten habe als sie! Dann wollte sie mich angreifen, aber ich war schneller und habe sie zuerst geschlagen, dann wollte sie mich wieder angreifen, und da kam dann Vincent und hat sie festgehalten, um mir zu helfen. Dann habe ich mich gewehrt.“
Ich warf ihr einen Hasserfüllten Blick zu und sah Herrn Mortius kopfschüttelnd an. Er wusste sofort, was ich meinte.
“Es tut mir leid, wenn ich dich an der Stelle enttäuschen muss, Vanessa, aber einige Zeugen haben mir gesagt, dass es sich anders zugetragen hat. Wärst du bitte so gut und würdest uns die echte Wahrheit sagen?“
Sie sah wütend zu Boden. “Ist ja gut... Ich habe sie auf etwas angesprochen, was ihr wohl nicht gepasst hat, dann hat sie mich ausgelacht und dann habe ich aus Wut zugeschlagen...“, murrte sie, “Und dann kam Vincent dazu, die Sache wurde plötzlich interessant, und ich... habe... Spaß daran gefunden...“ Die letzten Worte spuckte sie mir regelrecht gehässig vor die Füße.
Ihre Eltern starrten sie erschüttert an, sagten aber kein weiteres Wort.
Vincent und seine Eltern schwiegen weiterhin.
Herr Mortius sah zu Vincent.
“Gibt es da noch irgendetwas, das du hinzufügen könntest?“
Dieser schüttelte nur beschämt den Kopf.
“Gut. Ihr beide bekommt jeder einen Schulverweis für eine Woche, ich habe das bereits mit der Schulleitung abgesprochen. Ich erwarte trotzdem, dass ihr den versäumten Stoff wieder aufholt.“
“Wir werden außerdem eine Anzeige rausgeben“, meinte meine Mutter an die anderen Eltern gewandt, “Ich möchte nicht, dass sowas nochmal vorkommt, sonst müssen Ihre Kinder sich auf mehr gefasst machen.“ Diese nickten nur und schwiegen.Etwas später wollten wir alle gehen, als Herr Mortius mich noch kurz festhielt.
“Komm morgen etwas früher, dann sprechen wir nochmal.“
Ich nickte, dann verließen wir das Gebäude und gingen nach Hause.
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Lost
FanfictionOlivia, ein depressives Mädchen, das von ihren Klassenkameraden gemobbt wird, will das Leben hinter sich lassen und sich umbringen. Bei dem Versuch landet sie jedoch auf den Anwesen der Phantomhives, im 19. Jahrhundert...