Emma und ich hatten es tatsächlich noch rechtzeitig zu unserer Vorlesung geschafft. Gemeinsam hatten wir in der letzten Reihe Platz genommen, die erstaunlicherweise fast immer frei blieb. Irgendwie waren in dieser Vorlesung reihenweise Streber, die immer eine halbe Stunde zu früh vor dem Raum warteten, um ja einen Platz ganz vorne zu kriegen. Einfach nur affig. So saß neben uns nur noch eine weitere Personen in der Reihe.Das Mädchen hatte braune, glatte Haare, die ihr bis zur Brust gingen und ihr leicht in die Stirn fielen. Es wirkte fast, als würde sie sich hinter diesem Haarvorhang verstecken wollen. Kein Wunder, dass sie mir noch nie aufgefallen war, schließlich war sie mit ihrem weißen T-Shirt und der schwarzen Jeans recht schlicht und unauffällig gekleidet.
Ich unterbrach meine Musterung, als unsere Professorin erneut das Wort ergriff.
"Im Rahmen unseres Themas "Mediale Aufklärungsarbeit" habe ich beschlossen, dass wir ein Projekt durchführen werden", verkündete sie. "Ich wünsche mir, dass Sie soziale Missstände in Ihrem direkten Umfeld aufgreifen und in der Form von Reportagen, Fotostorys oder Kurzvideos zeigen und kritisieren. Ihrer Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Sie finden sich dazu am besten in Kleingruppen ein. Ach ja, das beste Projekt wird außerdem auf der Online Seite des Philadelphia Inquirer veröffentlicht, was für Sie eine riesige Chance darstellen könnte."
Ein Raunen ging durch die Menge. Der Philadelphia Inquirer war eins der größten Magazine in Philadelphia und eine öffentliche Erwähnung auf der Onlineseite könnte für jeden hier anwesenden Studenten den Durchbruch bedeuten, schließlich waren die Plätze in der Journalismus-Branche hart umkämpft.
Emma und ich nahmen sofort Augenkontakt auf, für uns stand sofort fest, dass wir dieses Projekt zusammen machen würden. Dann deutete Emma mit einem fragenden Blick auf das Mädchen, dass drei Plätze von uns entfernt saß und ich nickte stumm. Wir brauchten noch mindestens eine Person in unserer Gruppe und es sah nicht so aus, als ob das braunhaarige Mädchen sonst bei irgendeiner anderen Gruppe Anschluss finden würde.
"Hey. Hast du Lust bei uns mitzumachen?", fragte Emma sie stellvertretend für uns beide.
Das Mädchen hob den Kopf und strich sich ihre Haare aus dem Gesicht. Jetzt erst nahm ich ihre funkelnd blauen Augen war, die gar nicht so schüchtern sondern fast schon unternehmungslustig blitzten.
"Sehr gerne. Ich hätte sogar schon eine Projekt-Idee. Vielleicht können wir uns ja heute Mittag in der Mensa treffen und schon mal ein bisschen mit der Planung anfangen", schlug sie vor. "Ich bin übrigens Leyla."
"Das klingt super. Ich bin Valerie, aber du kannst mich gerne Vale nennen und das ist Emma", stellte ich uns ebenfalls vor. "Willst du nicht vielleicht aufrutschen, du sitzt da so alleine?"
Leyla nickte grinsend und raffte ihre Sachen zusammen, um sich kurz darauf auf dem Platz neben mir niederzulassen. Vielleicht war sie ja doch gar nicht so schüchtern, sondern ihr fiel es einfach nur schwer von sich aus auf Leute zuzugehen. Auf jeden Fall war sie mir echt sympathisch und ich freute mich auf unser Projekt.
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"Also was schwebt dir bei unserem Projekt so vor, du meintest ja, dass du schon eine Idee hast", fragte Emma und steckte sich daraufhin ein Stück Pizza in den Mund.
Wir saßen zu dritt an einem der langen Mensatische, um die ersten Schritte unseres Projekts zu besprechen. Ich behielt dabei die ganze Zeit über die Uhr im Blick, Dylan müsste jeden Moment aus seiner Klausur kommen.
"Ich hatte daran gedacht, dass wir so etwas wie einen Dokumentarfilm über Straßenkinder hier unserer Stadt drehen", schlug Leyla vor. Sie hatte einen Block vor sich liegen und war ganz Feuer und Flamme.
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The American Dream
Storie d'amoreEine Fernbeziehung zu führen, ist noch nie einfach gewesen und mit der Zeit zerbrechen die meisten Paare daran, doch nicht Valerie und Dylan. Vier Jahre sind nun vergangen, seit Valerie nach ihrem Austausch zurück nach Deutschland musste. Während si...