Der Tag war gekommen.Der Tag, an dem die Wahrheit ans Licht kommen würde.
Der Tag, an dem sich alles entscheiden würde.
Der Tag, vor dem es mir so sehr graute.
Der Tag, den ich kaum noch abwarten konnte.
Als ich aufwachte, war es draußen noch dunkel und ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es erst 05:21 Uhr war. Eigentlich viel zu früh um aufzustehen, aber die Aufregung und Anspannung ließen mich nicht mehr schlafen. Auch wenn die Gerichtsverhandlung erst um neun Uhr beginnen sollte, schmerzte mein Magen jetzt schon bei dem Gedanken an das mögliche Urteil.
Ich drehte mich zur Seite, doch der Platz neben mir war leer. Offensichtlich hatte Dylan auch nicht mehr schlafen können. Kein Wunder - für ihn musste dieser Tag noch wichtiger und beängstigender sein.
Nach heute würden wir die Gewissheit haben, ob Dylan mich wirklich mit Jacky betrogen hatte und jetzt Vater eines zweijährigen Sohnes war. Egal, was schlussendlich rauskam, beide möglichen Ausgänge würden Konsequenzen mit sich ziehen - für Dylan und mich als Paar, aber für uns beide als Individuen ebenfalls.
Auch wenn ich mir jetzt noch einredete, dass ich Dylan den Seitenspung verzeihen könnte, war ich mir plötzlich nicht mehr sicher, was die Bestätigung durch den Vaterschaftstest in mir auslösen würde. Bis jetzt konnte ich mich an den Funken Hoffnung klammern, dass Jacky uns von vorne bis hinten verarschte und nur eine riesige Show abzog. Aber dieser Funken würde erlöschen, wenn das Ergebnis des Tests positiv wäre.
Könnte ich auch dann weiterhin zu Dylan stehen? Könnte ich es aushalten, dass Dylans erstes Kind nicht von mir war, sondern ausgerechnet von Jacky? Würde ich mit der Zeit an diesen Belastungen zerbrechen oder würde ich stark bleiben? Ich wusste es nicht und das machte mir echt Angst.
Ich wollte Dylan nicht verlieren, aber ich wollte mich auch nicht selbst verlieren - ein Zwiespalt, der mich innerlich zerriss.
Energisch schlug ich meine Decke zurück. Ich musste aufhören, mich jetzt schon verrückt zu machen, das machte alles nur noch schlimmer! Ich konnte nichts ändern, denn das was heute herauskommen würde, war schließlich bereits vor drei Jahren geschehen.
Ich lief durch den dunklen Flur in die Küche, die bereits von der Deckenlampe erhellt wurde. Dort saß Dylan am Tisch, mit einer dampfenden Tasse Kaffee auf dem Tisch. Sein Gesicht war blass, sodass die dunklen Ringe unter seinen Augen noch stärker hervortraten. Wir waren zwar gestern zusammen schlafen gegangen, aber plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob Dylan überhaupt geschlafen hatte.
"Wie geht es dir?", begrüßte ich Dylan, während ich mich auf den Stuhl neben ihn setzte.
"Ungefähr so wie Ace, als er erfahren hat, dass er seine kleine Schwester auf ein Justin Bieber Konzert begleiten muss - vielleicht ein kleines bisschen schlimmer", scherzte Dylan, doch er scheiterte kläglich bei dem Versuch, lustig zu klingen und auch sein Lächeln war gequält. Seinen Blick hatte er immer noch starr auf die Kaffeetasse gerichtet, als hätte er Angst davor, mich anzusehen.
Auch ich konnte nicht richtig über seinen Witz lachen, denn meine eigene Anspannung war einfach zu groß. "Das wird schon", murmelte ich deshalb einfach, um Dylan etwas zu beruhigen, doch meiner Stimme fehlte es an Überzeugungskraft. So sehr ich auch selber versuchte, daran zu glauben, war es doch einfacher gesagt, als getan.
"Hmm", brummte Dylan nur und hob seine Tasse an die farblosen Lippen. Ich nahm wahr, wie seine Hände dabei leicht zitterten.
Dylan musste ein nervliches Wrack sein, wenn es ihm noch nichtmal mehr gelang, seinen Körper unter Kontrolle zu halten. Es hatte echt etwas zu bedeuten, wenn er seine Nervösität und Angst nicht mehr in sich einschließen konnte, sondern sie einfach unkontrolliert nach außen drangen, wie kochendes Wasser, das aus einem vollen Topf überlief. Irgendwie hatte er es in den ganzen Jahren unserer Beziehung noch nicht gelernt, dass es in Ordnung war, Emotionen zuzulassen.
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The American Dream
RomanceEine Fernbeziehung zu führen, ist noch nie einfach gewesen und mit der Zeit zerbrechen die meisten Paare daran, doch nicht Valerie und Dylan. Vier Jahre sind nun vergangen, seit Valerie nach ihrem Austausch zurück nach Deutschland musste. Während si...