13. Kaffee-Freunde

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Die nächsten Tage waren der pure Horror für mich. Ich fühlte permant beobachtet und sah hinter jeder Ecke Gespenster. Es musste nur ein plötzliches Geräusch kommen und ich schreckte zusammen, als wäre neben mir eine Bombe hochgegangen. Ich traute mich gar nicht mehr alleine aus dem Haus, nur noch in Dylans Gegenwart fühlte ich mich etwas sicherer.

Aber mein Freund war mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Seine letzten Klausuren standen bevor, weshalb Dylan kaum noch den Schreibtisch verließ. Nur abends verschwand er manchmal, angeblich zu einer Lerngruppe oder in die Bibliothek, doch das glaubte ich ihm schon lange nicht mehr.

Ich fühlte mich so schrecklich alleingelassen und es gab niemanden, an den ich mich wenden konnte. Das musste ich jetzt alleine durchstehen, egal wie schwer es werden würde.

Das Schlimmste war fast, dass es Dylan kaum aufzufallen schien, dass es mir von Tag zu Tag schlechter ging. Nicht nur, dass ich immer paranoider wurde, nein, auch mein Schlaf litt unter meinem Verfolgungswahn. Die Ringe unter meinen Augen wurden von Tag zu Tag dunkler und mein Gesicht immer blasser. Aber Dylan war so sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, dass er das vollkommen übersah.

Ich hatte mir deshalb fest vorgenommen, ihn endlich darauf anzusprechen, was in letzter Zeit mit ihm los war. So konnte das nicht weitergehen. Ich wollte seine dummen Ausreden nicht mehr hören, ich wollte endlich die Wahrheit wissen, was mit meinem Freund los war und ihn so kaputt machte.

Gedankenverloren kickte ich einen Stein weg, der auf dem Weg vor mir lag. Heute Abend würde ich Dylan zur Rede stellen, das war jetzt beschlossene Sache, aber mir graute es trotzdem vor dem, was heute ans Licht kommen würde. Da gab es etwas, und das war keine Kleinigkeit, das wusste ich.

"Hey, Valerie! Warte", vernahm ich plötzlich eine vertraute Stimme hinter mir und drehte mich zu ihr um. Ich sah, wie Milan mit großen Schritten auf mich zugejoggt kam.

Als er mich eingeholt hatte, richtete er sich kurz seine Haare und schenkte mir anschließend eines seiner einnehmenden Grinsen. "Hab ich dich doch richtig erkannt, sonst wäre das jetzt etwas peinlich für mich gewesen."

Ich lachte kurz auf bei dem Gedanken daran. Aber tatsächlich bezweifelte ich stark, dass Milan irgendetwas peinlich sein könnte. Er würde wahrscheinlich in einem pinken Ballett-Tütü zur Uni kommen und sich verhalten, als wäre das das normalste der Welt. Dieser Junge war einfach eine Nummer für sich.

Ich bereute es nicht, dass ich mich von ihm nach dem Schlittschuhlaufen auf einen Kaffee einladen lassen hatte. Er hatte mich an diesem Nachmittag so sehr aufgeheitert und seitdem fand ich ihn noch sympathischer. Ich hatte die Hoffnung, dass wir vielleicht doch Freunde werden könnten, denn seitdem ich Milan gesagt hatte, dass ich in einer Beziehung war, flirtete nicht mehr mit mir, zumindest für seine Verhältnisse.

"Hi, Milan. Wie geht's?", begrüßte ich ihn und lächelte ihn an. Ich war froh über seine Gesellschaft, vielleicht müsste ich doch nicht alleine zur U-Bahn-Station laufen.

"Mir geht es super und dir? Du siehst ganz schön fertig aus." Milan musterte mich aufmerksam und legte seine Stirn anschließend besorgt in Falten.

Ich spürte dafür einen kleinen Stich in meinem Herzen. Wie konnte es sein, dass einer Person, die ich gerade mal seit etwas über einer Woche kannte, auffiel, dass etwas mit mir nicht stimmte und meinem Freund nicht?

Ich schluckte den Gedanken runter, aber mein Lächeln war plötzlich gequält. "Mir geht es auch gut, danke der Nachfrage. Ich bin nur ein bisschen müde", antwortete ich mit einer Notlüge. Es brachte nichts, mich jetzt bei Milan auszuheulen.

Milan sah mich skeptisch an, offensichtlich merkte er, dass ich ihm nicht ganz die Wahrheit sagte, doch er beließ es dabei. "Du bist gerade auch auf dem Weg zur U-Bahn, oder?"

The American DreamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt