Lasse
Man oh man, das neue Semester fängt ja schon wieder großartig an. Ich verstehe wirklich nicht, wieso sie uns an der Uni mit diesen veralteten, schlechten Programmiersprachen arbeiten lassen. Jede noch so einfache Aufgabe wird dazu zu einem Krampf und sobald wir die Uni verlassen, dürfen wir alles wieder vergessen, weil wirklich niemand heutzutage noch mit sowas arbeitet.
Jetzt brauch ich erstmal einen Kaffee, sonst ertrage ich die nächste Vorlesung nicht. Ich bestelle gleich zwei, und noch bevor sie fertig sind, steht Anne neben mir, um den ihren in Empfang zu nehmen.
„Vielen Dank!"
„Klaro, wie war deine erste Vorlesung?"
„Ja ganz oke, nichts dabei, was ich nicht im Italienurlaub schon gehört hätte, aber dafür kann ja niemand was."
„Naja, außer dir ist ja auch niemand verrückt genug, Stadtführungen mit Literaturfokus mitzumachen."
„So schlecht fandest du sie nicht, tu nicht immer so."
„Jaja. Bei mir war es auf jeden Fall furchtbar. Ich checks einfach nicht..." Ich beklage mich etwas, Anne lästert mit mir über die Sinnlosigkeit der Vorlesung, und als sich unsere Wege trennen, bin ich schon wieder besser drauf.
Anne ist am ersten Unitag immer gut gelaunt, ihr fehlt während der Semesterferien der geregelte Ablauf, aber heute war sie irgendwie besonders fröhlich.
Vor dem Vorlesungssaal steht ein großes, schlankes Mädchen mit tollen blonden Locken. Sie starrt auf den Belegungsplan. Ich habe sie in der Uni noch nie gesehen, also ist sie vermutlich neu.
„Hey, kann ich dir helfen?"
Sie dreht sich um und läuft rot an. Sie sieht ziemlich fertig aus, hat tiefe Augenringe und unter der Röte scheint sie etwas blass zu sein. Trotzdem ist sie wirklich schön, mit großen grünen Augen, markanten Gesichtszügen und vollen Lippen. Sie fasziniert mich sofort und ich möchte sie kennen lernen, die Geschichte hören, die zu dem traurigen Ausdruck in ihren Augen geführt hat.
„Ähm nein, danke." Sie klingt schüchtern, und schaut unsicher schräg an mir vorbei, anstatt mich direkt anzusehen.
„Hast du jetzt auch Numerik?"
„Ähm ja, eigentlich schon..."
„Aber du überlegst, ob du nicht lieber zurück ins Bett solltest? Sehr gute Frage, sollte man sich auf jeden Fall stellen." Ich lächle sie aufmunternd an. Es funktioniert, jetzt muss sie auch grinsen.
„Sehe ich wirklich so schlimm aus?"
„Nein, natürlich nicht, die Frage stelle ich mir nur auch vor jeder Vorlesung."
„Es lohnt sich auch wirklich selten oder?"
„Das stimmt. Aber komm, ich bin jetzt deine Motivation, wir gehen da jetzt rein und setzten uns nach hinten, dann können wir auch was anderes machen, wenn es zu langweilig wird."
„Na gut." Sie folgt mir in den Hörsaal. Er ist gefüllter als sonst, doch ich weiß, dass sich das ab nächster Woche wieder ändern wird. Mindestens die Hälfte aller Mathestudenten erachtet die Mathe Vorlesungen im allgemeinen nicht als wichtig genug, um sich dafür in die Uni zu begeben.
Als ich mich zu meiner neuen Bekanntschaft umdrehe, steht sie immer noch unsicher am Anfang der Reihe, und schaut sich irgendwie nervös um, als würde sie nach jemandem Ausschau halten. Als sie meinen Blick bemerkt, wirkt sie ertappt, dann betritt sie die Reihe und lässt sich auf den Platz neben mir sinken.
„Kennst du hier irgendwen? Ich bin nicht beleidigt, wenn du dich neben deine eigenen Freunde setzt, ich dachte nur, du bist neu hier."
„Ja, das bin ich auch, ich kenne nur jemanden...aber er ist bestimmt eh nicht gekommen..." Sie verstummt, lässt ihren Blick wieder über die Köpfe vor uns schweifen.
„Wie heißt er denn und was studiert er? Vielleicht kenne ich ihn ja."
„Tom Bischop, er studiert Informatik. Wie heißt du eigentlich und was machst du? Ich bin Mary und studiere Lehramt Mathe Deutsch."
„Oh sorry, ich bin Lasse und studiere auch Informatik. Deinen Tom hab ich bestimmt schon mal gesehen, aber direkt geredet hab ich noch mit niemandem, der so heißt." Bilde ich mir das ein, oder hat sie gerade leicht gezuckt, als ich ihn ihren Tom genannt habe? Irgendetwas sagt mir, dass er etwas mit ihren traurigen Augen zu tun hat, aber ich möchte nicht direkt nachbohren. Außerdem beginnt die Vorlesung jetzt, und sie widmet ihre Aufmerksamkeit unserem Dozenten. Zumindest schaut sie nach vorne, aber ich könnte schwören, dass sie mit den Gedanken weit weg ist. Wie zur Bestätigung legt sie jetzt ihren Kopf auf ihren Armen ab, und starrt ins Leere.
Na gut, dann passe ich jetzt halt mal bisschen auf.
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Und dann kamst du
RomanceAnnes Leben ist komplett vorherbestimmt. Und sie liebt es. genau wie ihr Germanistikstudium und ihren Freund Lasse, den gutaussehenden Informatiker. Mary ist neu in der Stadt, überfordert von ihrem Leben und furchtbar unglücklich verliebt. Am ersten...