Übernachtung

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Anne

Es ist Freitagabend, und gleich kommt Mary vorbei. Ich habe schon alles vorbereitet, auf meinem Bett liegen viele Kissen und Kuscheldecken, auf dem Nachttisch stehen Schüsseln mit Chips, Salzstangen und ein Teller mit Apfelschnitzen, sowie Apfelschorle und ein Kanne mit frisch gebrühtem Früchtetee. Eine der Sachen, die ich in der letzten Woche über Mary herausgefunden habe, ist nämlich, dass sie eine leidenschaftliche Teetrinkerin ist. Sie hat gesagt, sie liebt jeden Tee, weißen, grünen, roten und schwarzen. Ich wusste nicht einmal, dass es weißen Tee gibt. Früchtetee mag ich in den kalten Jahreszeiten zumindest auch. Ich kann zwar nicht verstehen, wie jemand Kaffee verschmähen kann, aber vielleicht kann ich ihr den ja noch näher bringen. So müde wie sie in den morgendlichen Vorlesungen ist, würde ihr das garantiert gut tun.

Das Klingeln der Haustür reißt mich aus meinen Gedanken, und ich springe sofort auf und laufe die Treppe hinunter zur Tür. Ich öffne sie, und da steht Mary, die Haare ausnahmsweise offen und vom Wind zerzaust. Sir trägt eine Mütze und eine dicke Jacke, was aber auch nötig ist, mit unserem Picknick haben wir den letzten warmen Tag ausgenutzt, danach ist der Herbst mit einem eiskalten Wind über uns hereingebrochen.

„Na komm schnell rein, sonst erfriere ich noch." Ich ziehe sie ins Haus und umarme sie erst zur Begrüßung, als die Tür wieder fest verschlossen ist. Aus dem Wohnzimmer höre ich, dass meine Eltern gerade ihre Serie anschauen, ich stecke den Kopf ins Zimmer und sage, dass Mary zu Besuch ist. Mein Dad sagt laut „Hallo Mary" und daraufhin tritt sie auch ins Wohnzimmer, begrüßt meine Eltern und stellt sich als eine Studienkommilitonin vor. Meine Eltern stellen sich auch vor, und meine Mum merkt an, wie froh sie ist, dass ich mal eine Freundin von der Uni mit nach Hause bringe. Ich schaue sie böse an, und sage dann, dass wir jetzt in mein Zimmer gehen.

Mary folgt mir sofort nach oben, doch meine Freude, ihr mein Zimmer zu zeigen, ist durch den Kommentar meiner Mutter verschwunden. Warum musste sie das sagen, jetzt denkt Mary bestimmt, ich bin ein komischer Mensch ohne Freunde. Ich meine, sie muss natürlich schon bemerkt haben, dass ich mit sonst niemandem an der der Uni wirklich befreundet bin, aber trotzdem, meine Mutter hätte nicht so betonen müssen, dass ich noch nie jemanden mitgebracht habe.

„Wow, das ist ja ein traumhaftes Zimmer. Und dieses Bett." Ich höre die Begeisterung in ihrer Stimme, als Mary sich mit strahlenden Augen in meinem geräumigen Zimmer umschaut, und ich tue es ihr gleich. Ich komme mir zwar etwas dumm vor, mein eigenes Zimmer zu begutachten, aber ich weiß auch nicht ganz, was ich sonst tun soll. Außerdem frage ich mich natürlich, wie sie alles wahrnimmt.

Der helle Holzboden passt farblich genau zu meinem Kleiderschrank und den zwei großen Bücherregalen, die die eine Seite des Zimmers völlig vereinnahmen. Die Regale sind gefüllt mit all meinen Büchern, sortiert nach Kategorie und Autor. Vor dem bodentiefen Fenster an einer der Außenwände steht ein großer weißer Schreibtisch, mit vielen Schubladen, in denen all meine Mitschriften ordentlich verstaut sind. Darauf stehen und liegen ein Becher mit Stiften, ein Block, ein paar Unibücher auf einem Stapel und ein Bilderrahmen mit einem Bild vom Abiball, auf dem unsere ganze Schulclique zu sehen ist. Neben dem Schreibtisch hängt ein Spiegel mit einem breiten Rand darunter, auf dem mein Make Up, sowie eine Haarbürste und ein Döschen für Haarklammern und Haargummis stehen. Die komplette rechte Zimmerhälfte ist ausgefüllt von meinem riesigen Himmelbett.

Als ich 10 Jahre alt war, und Lasse als meine bester Freund schon regelmäßig bei mir übernachtete, fanden meine Eltern heraus, dass er nie auf der Isomatte schlief, die sie für ihn auf den Boden legten, sondern bei mir im Bett. Ich hatte es von Anfang an nicht als Möglichkeit erachtet, meinen Helden Lasse auf dem Boden schlafen zu lassen, war aber auch nicht auf die Idee gekommen, meine Eltern nach einer anderen Lösung zu fragen, ich hatte ihm einfach wie selbstverständlich erklärt, er würde bei mir im Bett schlafen. Und damals wachten wir noch regelmäßig so früh auf, dass wir schon längst mit meine Spielsachen oder im Garten spielten, wenn meine Eltern uns zum Frühstück riefen. Als wir dann eines Tages doch verschliefen, meine Mum hereinkam, und uns friedlich schlafend in meinem Bett fand, war sie kein Stück böse, meinte aber, dass Bett sei ein bisschen zu klein für uns. Ich dachte schon, sie würde uns verbieten, die Nächte so zu verbringen, aber weit gefehlt. 

Und dann kamst duWo Geschichten leben. Entdecke jetzt