Alltag

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Anne

Erleichtert schließe ich meinen Laptop und rücke die Karteikarten zu einem ordentlichen Stapel zurecht, welchen ich mit einem Haushaltsgummi fixiere. Meine Zusammenfassung für Literaturgeschichte ist fertig.

Der eiskalte Januar ist rasend schnell vergangen und jetzt ist schon matschiger, grauer Februar. Das bedeutet, dass die Prüfungsphase langsam aber sicher näher rückt. Mary Lasse und ich verbringen immer mehr Zeit mit Lernen, und das tatsächlich auch öfter alleine, da wir alle lernen, indem wir eigene Zusammenfassungen schreiben. 

Ehrlich gesagt kann ich mir gar nicht vorstellen, wie man anders lernen sollte, beim Zusammenfassen nimmt man doch erst alles richtig auf und verknüpft es im Kopf, wie können andere Leuten sich mit fremden Zusammenfassungen auf Prüfungen vorbereiten? Naja, nicht mein Problem. Und jetzt hab ich erstmal Feierabend und Mary kommt bald vorbei.

Ich bringe den Teller in die Küche, auf dem meine liebe Mutter mir Obst gebracht hat, und setzte schon mal Wasser auf. Während ich den losen Früchtetee in einen Teebeutel gebe und die Kanne aus dem Schrank hole, schweifen meine Gedanken wie so oft zu Mary. Ich war noch nie so glücklich in einer Prüfungsphase, und auch noch nie so motiviert. Ich weiß immer, je schneller und effektiver ich lerne, desto eher sehe ich Mary, denn sie wartet immer nur darauf endlich aufhören zu können, büffeln ist nicht so ihr Ding. Aber sie ist intelligent genug es trotzdem zu machen, an der Uni kommt man sonst einfach nicht zurecht. Ich hatte noch nie ein Problem damit, viel zu lernen, aber die Prüfungsphasen an der Uni sind sogar für mich hart. Aber nicht dieses Jahr, die herrlichen Abende mit Mary und Lasse lassen mich allen Druck vergessen.

Mary und ich massieren uns momentan fast jeden Abend, weil wir beide fürchterlich verspannt sind, wenn wir den ganzen Tag am Schreibtisch oder in Marys Fall im Bett saßen. Keine Ahnung wie sie da lernen kann, aber es scheint zu funktionieren.

Auf jeden Fall ist es noch besser, seit sie mir vor fünf Tagen zum Namenstag Massageöl geschenkt hat. Ich habe meinen Namenstag noch nie gefeiert, und ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass sie sowas wirklich interessiert, als ich nachfragte, konnte sie mir nicht mal sagen, wann ihr eigener Namenstag ist. Aber laut Wikipedia ist der Namenstag für Anne wahlweise am 9. Februar oder am 26. Juli, und am 9. Februar stand Mary überraschend mit einer hübsch eingepackten Flasche nach Lavendel duftenden Massageöl vor meiner Tür, und das hat unsere Massagesessions qualitativ eindeutig noch gesteigert.

Lasse hatte irgendwie große Mühe, sich das Lachen zu verkneifen, als ich ihm davon erzählt habe. Was ich gar nicht verstehe, was soll daran so lustig sein. Wir haben schon davor unsere T-Shirts und BHs dafür ausgezogen, weil das viel angenehmer ist, und das wusste er auch, also warum nicht auch Öl verwenden? Und es strahlt eine so tolle Wärme aus, ich weiß gar nicht, wie das funktioniert, aber es fühlt sich himmlisch an. Ich wollte, dass Lasse es auch mal probiert, aber er hat sich geweigert, irgendwie steht er nicht so auf Massagen, echt komisch. Deswegen war das auch nie etwas, was wir gemacht haben, sehr zu meinem Leidwesen. Wenn ich ihn angefleht habe, hat er es schon gemacht, aber es ist nur halb so schön, wenn man die Freude nicht zurück geben kann.

Lasse kommt mir schon seit längerer Zeit ab und zu ein bisschen komisch vor, aber ich verstehe nicht ganz, was es ist. Mein schlechtes Gewissen, dass ich viel weniger mit ihm unternehme als früher, hat sich fast vollständig gelegt, ich habe gemerkt, dass er die Zeit für sich wirklich genießt.  Und das er auch wirklich glücklich ist, jetzt auch wieder männliche Freunde in der Stadt zu haben. Ich freue mich riesig für ihn, und es ist einfach alles so perfekt.

Nur manchmal kommt es mir vor, als wäre mein Glück ziemlich instabil und könnte jeden Moment einstürzen. Weil es irgendwie auf einer Menge von nicht selbstverständlichen Fakten beruht. Wenn Lasse mal wieder komisch ist, habe ich diesen Gedanken, dass er mir vielleicht plötzlich um die Ohren haut, dass offensichtlich nicht alles okay ist, wie könnte es okay sein, das ich inzwischen die Hälfte aller Nächte mit Mary verbringe und wir schon seit Ewigkeiten keinen Sex mehr hatten. Und in diesem Gedankenspiel kann ich nicht mal etwas erwidern, weil er ja das gute Recht hätte, sich deswegen aufzuregen. Auch wenn ich meistens weiß, dass es wirklich okay für ihn ist. Das spüre ich einfach.

Und dann kamst duWo Geschichten leben. Entdecke jetzt