Mary
Er hat eine Neue.
Eine verdammte Freundschaftplus-Freundin.
Und ich mag sie auch noch.
Immerhin weiß ich jetzt, warum er sich so gar nicht gemeldet hat.
Und sie ist ihm nicht gut genug, um offiziell mit ihr zusammen zu kommen. Er schläft einfach nur mit ihr.
Aber ich bin trotzdem so verdammt eifersüchtig. Dass sie in seinem Bett liegen darf, dass sie mit ihm kuscheln darf, dass er ihren Körper mit seinen Händen erkundet... Nein soweit darf ich überhaupt nicht denken.
Es ist mal wieder Montagmorgen und ich liege verkatert und mit meinen Nerven am Ende in meinem abgedunkelten Zimmer. Wenigstens ist heute keine Uni, ich hätte niemals die Motivation gefunden, mich dort hin zu schleppen. Außerdem ist mein Kater noch schlimmer als sonst.
Nachdem Tom mir die dunkelhaarige Schönheit Maria auf seiner Party vorgestellt hat, habe ich mich erstmal ganz nett mit ihr unterhalten. Sie hat eine echte Modelfigur, und tolle Locken, die bis zu ihren Schlüsselbeinen reichen. Ich musste mich zurückhalten, ihr nicht gleich zu sagen, wie hübsch ich sie fand, angetrunken bin ich da immer viel zu offen. Anne war etwas verlegen, als ich auf der Party am Freitag irgendwann anfing, ihre Schönheit zu preisen...
Auf jeden Fall legte sich meine Zuneigung zu Maria sehr schnell, als sie mir anvertraute, dass sie etwas mit Tom am laufen hatte. Sie sagte es, als seien wir schon gute Freundinnen und sie würde mir von ihrer neuen Errungenschaft erzählen, weil sie über nichts als ihn nachdenken konnte. Normalerweise stehe ich auch total auf solchen offenen Gespräche unter Alkoholeinfluss, bei denen man Fremden einfach von privaten Dingen erzählt, aber nicht, wenn es um meinen Tom geht. Der natürlich nicht mein Tom ist.
Ich versuchte meinen Schock zu verbergen und holte uns erstmal Tequila. Ich hatte nicht unbedingt Lust, mich weiter mit ihr zu unterhalten, aber ich wollte sie auch nicht mit Tom zusammen sehen, also erkor ich sie aus, sich mit mir so richtig abzuschießen. Ich erzählte ihr dass ich Liebeskummer hätte, den ich aber lieber wegspülen wolle, als darüber zu reden. Sie war sofort dabei und ein paar Shots später konnte ich mir den Gedanken nicht verkneifen, dass ich sie echt mögen würde, wenn sie nicht Toms Neue wäre.
Wir spielten sogar zusammen gegen Tom und Max Bierpong, fielen uns nach jedem der raren erfolgreichen Treffer in die Arme und brachten Tom zu der sarkastischen Bemerkung, dass wir wohl schon beste Freundinnen seien. Maria fragte ihn nur lachend, ob er ein Problem damit habe, er musterte uns zur Antwort kritisch. Aber ich glaube, das lag weniger daran, dass er ahnte, dass ich eigentlich ein Problem mit ihr haben müsste, und mehr daran, dass er auf Enthusiasmus und offen zur Schau gestellte Zuneigung immer abwertend reagiert.
Warum genau stehe ich eigentlich auf ihn? Das ist wirklich das größte Rätsel bei der Sache. Eben solche Eigenschaften sind eigentlich das genaue Gegenteil von dem, was ich an Menschen mag. Und gut aussehend ist er auch nicht. Ich verstehe einfach nicht, woher diese starken Gefühle für ihn kommen.
Aber sie sind da, das lässt sich nicht bestreiten. Als ich schließlich tief in der Nacht stockbetrunken heimfuhr, gab ich mir nicht mal Mühe, mich zu beruhigen. Ich weinte einfach hemmungslos drauf los, weil ich so verzweifelt war, dass ich heimfahren musste, während Maria in seinem Bett übernachten durfte. Ich ertrug den Gedanken nicht, dass es in Zukunft immer so laufen wird. Und das er sich vielleicht noch in sie verliebt, ich fände es fast unverständlich, wenn er es nicht täte.
Und das macht mich auch jetzt noch fertig. Aber ich habe mich ausgeweint, und bin in diesem leeren Stadium, in dem ich nur einen tauben Schmerz spüre, der auf meinem ganzen Körper lastet wie ein schweres Gewicht.
Den ganzen Tag liege ich so im Bett, ohne auch nur etwas zu lesen oder eine Serie zu schauen. Ich schreibe mit Nelli und klage ihr mein Leid, bis sie schlafen geht, aber das wars auch an Kontakt zur Außenwelt. Und sie bemitleidet mich kurz, sagt mir dann aber, dass ich mir den Typen aus dem Kopf schlagen muss. Womit sie vollkommen recht hat. Wenn ich nur wüsste wie.
Eines der Probleme dabei ist, dass mich einfach alles an ihn erinnert. Wir kennen uns einfach schon viel zu lange, und da ich auch schon viel zu lange verrückt nach ihm bin, habe ich inzwischen zu so gut wie allem eine Erinnerung, die ich mit ihm verknüpfe. Und je mehr ich mich dazu zwinge, nicht an ihn zu denken, desto lächerlichere Sachen führen meine Gedanken direkt zu ihm.
Muskelkater zum Beispiel erinnert mich an unsere hitzige Diskussion, ob der Körper bestimmen kann, welches Gift im Körper zuerst abgebaut wird. Wenn ich einen Flixbus sehe, muss ich an die Fahrt nach Berlin denken, wo wir als Freunde ein tolles Wochenende verbracht haben. Ich saß auf der Fahrt neben ihm, tat irgendwann so, als wäre ich eingeschlafen und rutschte ganz langsam erst auf seine Schulter und dann auf seinen Schoß...
Weinflaschen mit Korken erinnern mich an den Roadtrip, auf dem wir verkorkte Weinflaschen gekauft hatten, ohne einen Korkenzieher dabei zu haben, und dann einen riesigen Spaß dabei hatten, die Flaschen mithilfe einer Pinzette, eines Bleistiftes und einer Nagelschere zu entkorken...
Die Liste geht ewig so weiter und an Tagen wie heute kann ich keinen klaren Gedanken fassen, ohne dass mir dabei eine schöne Erinnerung mit Tom in den Sinn kommt, und das macht mich dann noch trauriger, weil es momentan nicht so aussieht, als würden wir in Zukunft weiterhin viele schöne Momente miteinander verbringen.
Wütend starre ich auf sein grinsendes Gesicht auf dem Bild, das direkt neben meinem Bett hängt. Aber ich habe auch nicht die Kraft, es abzuhängen.
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Und dann kamst du
RomanceAnnes Leben ist komplett vorherbestimmt. Und sie liebt es. genau wie ihr Germanistikstudium und ihren Freund Lasse, den gutaussehenden Informatiker. Mary ist neu in der Stadt, überfordert von ihrem Leben und furchtbar unglücklich verliebt. Am ersten...