Wieder mal verkatert

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Mary

Wie kann es sein, dass mir immer noch schlecht ist?

Es ist der Abend des 2. Januars, 2019. Und mir ist immer noch schlecht von Silvester.

Auch abgesehen von meinem beinahe tödlichen Kater hat das Jahr nicht gerade gut angefangen. Ich habe so übertrieben, dass ich ein Blackout habe und mich nicht mal mehr an den Beginn des neuen Jahres erinnern kann. 

Was ich erst schade fand, bis mir Lasse ein bisschen davon erzählte. Dass ich anscheinend um Punkt zwölf dramaqueenmäßig weinend weggelaufen war, und er mich dann ins Bett getragen hatte. Danach wünschte ich mir voll Scham und Reue, der Kater würde mich tatsächlich umbringen, auch wenn Lasse und eine immer noch betrunkene Anne mir versicherten, ich habe Silvester keinesfalls versaut. Aber das habe ich, ich weiß es einfach, auch wenn meine Erinnerungen weg sind. 

Natürlich musste ich ein Drama machen, wie denn auch anders möglich, doppelt unglücklich verliebt und stockbesoffen. An meine eindeutige Erkenntnis, dass ich Anne liebe, kann ich mich nämlich trotz allem noch erinnern.

Auch das hat mich zusammen mit meinem Kater die letzten zwei Tage fertig gemacht. Ich bin ihre beste Freundin, und ich kann es ihr niemals sagen, aber ich will das Ganze nicht schon wieder durchleben müssen, das ständige Sehnen nach Liebe und Zuneigung. 

Auch wenn sie mir davon eigentlich mehr als genug gibt. Aber macht es das nicht schlimmer, es zu bekommen und zu wissen, dass es nicht auf die Art gemeint ist, wie ich es mir wünschen würde? Ich habe keine Ahnung. Aber eigentlich ist es ja auch egal, es ist nicht so, als wäre ich stark genug, etwas zu ändern oder den Kontakt zu ihr abzubrechen. 

Und das ist auch gut so, das hätte sie niemals verdient.

Zumindest war ich so besoffen, dass ich nicht mal Tom geschrieben habe, das werte ich jetzt mal als Erfolg, damit es wenigstens eine positive Sache gibt, mit der ich ins neue Jahr starten kann. Auch wenn das eine sehr traurige positive Sache ist, wenn man genauer drüber nachdenkt. Was ich auf keinen Fall tun sollte.

Das ist mein einziger Neujahrsvorsatz. Endgültig mit Tom abzuschließen, und nicht mehr über ihn nachzudenken. Dann lieber über Anne, das ist die bessere Alternative.

Ich habe sogar die zwei Bilder von unserem Freundeskreis von meinem Schrank geschabt, ich hatte sie mit Doppelklebeband an die meinem Bett zugewandte Seite geklebt. Ich habe es nicht mehr ausgehalten, ihn immer von dort auf mich herab grinsen zu sehen. Wenn ich wieder daheim bin, werde ich auch dort alle Bilder mit Tom abhängen. Gut, dass unser Freundeskreis sich wegen der verschiedenen Studienorte ohnehin auseinander gelebt hat, ich wäre ungern diejenige gewesen, die ihn spaltet.

Wir haben so tolle Sachen erlebt, alle zusammen, und jetzt habe ich zu fast niemandem mehr regelmäßigen Kontakt, das ist echt traurig. Ich muss mich irgendwie ablenken, das sind einfach nur meine Katerdepressionen, mehr nicht.

Ich überlege grade, ob ich mich bewegen und nach meinem Laptop angeln sollte, um einen Film anzuschauen, da klopft es an der Tür.

Hä? Wer ist das denn? Tom? Nein natürlich nicht, wie bescheuert, dass das immer noch mein erster Gedanke ist.

„Ähm, wer ist da?" Ich bin etwas überfordert, es hat noch nie unangekündigt jemand bei mir geklopft. Die Tür öffnet sich und eine dick vermummte Gestalt mit einer Art Paket in den Händen tritt ein. Da ich kein Licht anhabe und es draußen schon wieder dunkel ist, weiß ich wirklich nicht, wer es ist, bis Anne sich aus dem riesigen Schal wickelt, den sie um Hals und Kopf geschlungen hatte.

„Halle, der Pizzaservice ist da. Oh Mary, sag bloß du hast den ganzen Tag hier im Dunkeln gelegen. Du hast nicht mal rausgeschaut, hab ich recht?" Anklagend deutet sie, den Schal immer noch in der Hand, auf meine geschlossenen Vorhänge. Dann legt sie den Gegenstand, in dem ich jetzt zwei Pizzakartons erahnen kann, auf dem Schreibtisch ab, und hängt ihren Schal an meine Garderobe. Sie zieht Mantel und Handschuhe aus, stopft diese säuberlich in einen der Ärmel und hängt auch den Mantel an seinen Platz. Ich muss breit lächeln, wie konnte ich mich in so eine Ordnungsfanatikerin verlieben? Dann macht sie das Licht an und das Lächeln vergeht mir.

Und dann kamst duWo Geschichten leben. Entdecke jetzt