Mary
Besoffen. Ich bin definitiv besoffen.
Ich bin gerade auf der Toilette und wasche mir die Hände. Mein Spiegelbild dreht sich leicht, so wie meine gesamte Umgebung, und die weißen Punkte meines Oberteiles sehe ich doppelt. Aber das ist mir völlig egal, ich bin überglücklich. Draußen wartet Tom auf mich, und er schenkt mir heute so viel Aufmerksamkeit. Es wundert mich, dass ich nicht vor Glück schwebe.
Ich verlasse das Bad und setzte mich direkt wieder neben ihn. Er legt mir eine Hand auf den Oberschenkel und lächelt mich mit diesem offenen Lächeln an, das ich nur bekomme, wenn er wirklich betrunken ist. Ich lehne mich glücklich an seine Schulter.
„Na, geht's dir gut?"
„Ja voll, und dir?"
„Auch. Du bist echt betrunken oder?"
„Neee kein Stück, du etwa?" Er lacht nur, und streichelt mein Bein. Ich habe das Gefühle, ich schmelze gleich. Ich liebe dich, möchte ich am liebsten schreien. Mein ganzes Herz, nein, mein ganzer Körper schreit das, jeder Zelle ist es bewusst. Doch ich bleibe stumm, und genieße einfach nur seine Nähe.
„Eeeyyyy ihr zwei Schnarchnasen, spielen wir noch ne Runde Bierpong?" Max hat dieses breite Grinsen auf, das einem einfach gute Laune macht, egal in was für einer Stimmung man ist. Und Tom und er sind sowieso ein Herz und eine Seele, es ist echt süß. Also springt Tom natürlich sofort begeistert auf. „Jo klaro." Ich vermisse sofort die Wärme seiner Berührung auf meinem Oberschenkel, aber da streckt er mir auch schon seine Hand entgegen, um mich hoch zu ziehen.
Wir stellen uns auf die eine Seite des Bierpongtisches und Max reicht uns zwei Bier, um die Plastikbecher neu zu befüllen. Als wir fertig sind, legt Tom wie selbtsverständlich seine Hand um meine Hüfte. Mein Oberteil ist nicht besonders lang, und er gleitet darunter und streichelt meine nackte Haut. Mein Herz beginnt wie verrückt zu schlagen, ich kann mich kaum auf meine restliche Umgebung konzentrieren und schwebe im siebten Himmel.
Kaum das Tom mich loslässt, um mit Max darum zu werfen, wer anfangen darf, vermisse ich seinen Arm um mich, aber jetzt wird erstmal gespielt, ich werde wohl eine Weile ohne direkten Körperkontakt klar kommen müssen.
Doch zu meiner immensen Überraschung legt Tom jedes Mal, wenn wir nicht dran sind, seinen Arm wieder um mich und fährt fort, mich zu streicheln. Als er trifft. falle ich ihm in die Arme und dieses Ritual wiederhole ich bei jedem Treffer und er scheint nichts dagegen zu haben. Ob ich wohl jemals so glücklich war wie gerade jetzt?
Ich lande auch mal einen Treffer und nun umarmt er mich stürmisch, und schon wieder möchte ich ihm am liebsten sagen, wie sehr ich ihn liebe, aber ich kann mich gerade noch zurück halten.
Wir verlieren knapp, aber das ist völlig egal. Ehrlich gesagt freue ich mich sogar über jeden Becher den wir trinken müssen, denn aus Erfahrung weiß ich, je betrunkener Tom ist, desto mehr mag er mich.
Nach der Runde Bierpong sind alle aufbruchsbereit, wir waren bei einer Hausparty von Toms Nachbarn. Ich will mein Fahrrad holen, aber Tom hält mich am Arm fest. „Das kannst du auch morgen noch holen."
„Morgen? Ich will aber nicht heimfahren."
„Dann wirst du wohl bei mir schlafen müssen."
„Mhm na gut." Ich drehe meinen Kopf, will nicht, dass er mein überglückliches Strahlen sieht.
Wenig später liegen wir in seinem Bett. Er muss wirklich betrunken gewesen sein, er ist direkt eingeschlafen. Aber ich bin noch wach und kuschle mich glücklich an ihn. Atme seinen Duft ein, genieße die körperliche Nähe. Er riecht irgendwie....blumig?
Ich schlage die Augen auf. Neben mir auf dem Kissen sehe ich Toms Gesicht. Aber ich bin bei mir, dass kann nicht sein.
Ganz langsam sickert die Erkenntnis in mein Gehirn. Das war ein Traum. Ich liege in meinem eigenen Bett. Das neben mir kann nicht Tom sein. Tom hat eine Neue. Bei diesem Gedanken schießt mir ein Schmerz durch die Brust.
Plötzlich die Erkenntnis, der Mensch neben mir muss Anne sein. Aber meine Gedanken sind noch immer so vernebelt, dass ich im dunklen meine, Toms Gesicht zu sehen. Ich blinzle ein paar Mal heftig, reibe mir die Augen.
Da, jetzt sehe ich Anne. Die wunderschöne Anne. Wie konnte ich ihr Gesicht nur mit dem von Tom verwechseln? Ich bin einfach so bescheuert. Ich hasse mein Unterbewusstsein. Hasse hasse hasse es. Wieso tut es mir das Nacht für Nacht an? Wie soll ich da jemals über ihn hinweg kommen?
Seufzend kuschle ich mich näher an Anne, die sich wohl im Schlaf zu mir gedreht hat. Ich kann wirklich froh sein, sie zu haben, ansonsten wäre ich so unfassbar einsam hier. Und sie ist so toll, ich sollte mich glücklich schätzen, sie und Lasse kennen gelernt zu haben, und nicht rumheulen, weil irgendein Idiot meine Gefühle nicht erwidert. Jetzt mal ganz ehrlich, Anne ist viel lieber und hübscher als er, und sie kuschelt auch mit mir, was will ich denn mehr?
Ich muss ihn einfach vergessen, und dann wird alles gut. Es war trotzdem eine gute Idee, hier her zu ziehen, hier ist alles viel besser, die Uni ist passender und es ist eine tolle Erfahrung, alleine zu wohnen.
Anne schmiegt sich noch mehr an mich, ihr Gesicht liegt jetzt direkt an meinem, unsere Nasen trennen höchstens noch Millimeter.
Ich könnte sie küssen.
Was? Was denke ich da. Anne hat einen Freund. Und ich stehe auf Tom. Und wie creepy ist es bitte, eine schlafende Person zu küssen. Was zur Hölle, Mary.
Klar, ich habe ein paar meiner Freundinnen besoffen schon Bussis auf den Mund gegeben. Aber das wars auch, und das war aus Spaß. Es wäre irgendwie etwas ganz anderes, wenn ich Anne jetzt küssen würde. Während sie schläft. Das wäre falsch.
Egal, wie verlockend ihre Lippen aussehen.
Ich starre so lange darauf, bis sie sich plötzlich bewegt. Ich zucke erschrocken zusammen, aber sie dreht sich nur um und schmiegt sich mit ihrem Rücken an mich.
Ich drücke mein Gesicht in ihr Haar, atme ihren blumigen Duft ein und bin erleichtert. Jetzt habe ich nicht mehr die Möglichkeit, sie zu küssen. Was für eine verrückte, merkwürdige Idee. Das war wohl wirklich etwas viel Alkohol auf leeren Magen heute.
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Und dann kamst du
RomanceAnnes Leben ist komplett vorherbestimmt. Und sie liebt es. genau wie ihr Germanistikstudium und ihren Freund Lasse, den gutaussehenden Informatiker. Mary ist neu in der Stadt, überfordert von ihrem Leben und furchtbar unglücklich verliebt. Am ersten...