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Melody

»Du hättest es mir sagen müssen«, sagte er sauer. Meine Augen weiteten sich. Er wusste es schon, scheiße! Mom hatte mir gesagt, dass Dämonen Vorurteile Nymphen gegenüber hatten, aber weshalb? Wahrscheinlich mochte Luzifer sie einfach nicht. Oder soetwas ähnliches, denn er hatte schließlich Einfluss auf die Dämonen. Wie der König. 

»Justin, es ist anders als du denkst, ich –«, fing ich an, doch sofort wurde ich von ihm unterbrochen. »Du wurdest adoptiert. Spar dir das. Komm«, sagte er und zog mich grob mit. Ich rief meinen Eltern zu, dass ich noch schnell wohin gehen würde. Sie sollten sich einfach keine Sorgen machen. Ich hinterfragte auch nicht wohin er mich bringen würde, denn die Richtung war eindeutig: Er ging zum Tor in die Unterwelt. Aber ich konnte etwas anderes versuchen.

»Ich habe es auch erst heute erfahren, Justin«, murmelte ich, denn ob ich es mir eingestehen wollte oder nicht: Ich hatte Angst. Nicht davor, dass Justin mir wehtun würde, denn das würde er nicht, auch wenn er sich das vielleicht einredet. Oder ist das nur die Hoffnung? Egal, ich habe Angst davor, dass er mich jemandem ausliefert, denn das traue ich ihm durchaus zu.

Er entgegnete nichts. Auch nicht, als wir in der Unterwelt ankamen. Ich erzählte ihm einfach das was mir erzählt wurde. Dann blieb er stehen und sah mich sauer an.

»Halt deine Klappe, Black Widow. Egal ob zur Hälfte Mensch oder nicht. Für mich seit ihr abscheulich, verstanden? An deiner Stelle wäre ich lieber froh zu hören, dass deine Mutte wahrscheinlich umgebracht wurde«, maulte er, doch er sah mich dabei nicht an. Tief im Inneren hegte er noch immer Gefühle für mich, jedenfalls hoffte ich das. 

Dann zog er mich plötzlich weiter. »Du hast Vorurteile. Meine leibliche Mutter war verheiratet. Mom und Dad haben mir erzählt, dass sie und ihr Mann beide immer besucht haben, um nach mir zu sehen.« »Dann wurdest du angelogen und jetzt schweig«, wieß er mich an. Wir kamen an dem Schloss von Luzifer an und – oh nein. Er hatte doch nicht etwa vor mich ihm auszuliefern, oder?

»Das ist nicht dein ernst. Bitte, du kannst mich hassen, mich meiden, aber das kannst du nicht machen«, flehte ich ihn an. Tränen bildeten sich in meinen Augen, denn ich bekam Todesangst. 

»Luzifer ist derzeit nicht da, du wirst also in einen Kerker kommen. Gemeinsam mit einer anderen Black Widow. Luzifer entscheidet dann was passiert. Und ich sagte schweig. Deine Stimme kann und will ich mir nicht mehr anhören«, zischte er und zog mich weiter. 

Wir kamen bei den Kerkern an und er öffnete eines in welches er mich hineinschubste. Dann schloss er zu und ging einfach. Er ließ mich hier zurück. Alleine! Okay, ich bin nicht ganz alleine. Schnell wandte ich mich der Frau zu und sah, dass sie angekettet war. Mein Blick wanderte zu ihrem verschmutzten Gesicht. Wie lange sie wohl hier schon fest saß? Und dann machte es klick. Ich kannte dieses Gesicht. Es war meine leibliche Mutter.

Ohne zu überlegen krabbelte ich zu ihr und umarmte sie. Ich kannte diese Frau zwar nicht, aber denoch kam es mir so vor, als würde ich sie schon ewig kennen. 

»Melody, bist du es?«, fragte sie und ich nickte und murmelte 'Ja, ich bin es'. Dann schlang auch sie die Arme um mich. 

Justin

Ich versuchte nicht an sie zu denken während ich nach Hause ging. Als ich dort ankam ignorierte ich alle. Sie aßen gerade zu Abend, doch das war mir egal. Nathalie saß ebenfalls nicht am Tisch, denn sie telfonierte. 

Ein paar Minuten später kam sie in mein Zimmer gestürmt und ohne auch nur ein Wort zu sagen durchstöberte sie meine Sachen. Was zur Hölle?

»Darf ich fragen was das wird?«, wollte ich wissen. Sie warf mir einen bösen Blick zu und wandte sich wieder den Sachen, die sie durchstöberte.

»Nein, du darfst garnichts wissen.« Damit schwieg sie. Nocheinmal sagte ich ihr, dass sie mir sagen soll was sie sucht, doch sie antwortete nicht. Dann schloss sie eine Schublade und sah mich an. Sie hatte etwas in der Hand und sofort wusste ich was es war. Der Schlüssel.

»Leg ihn wieder da rein«, sagte ich, doch sie schüttelte den Kopf. »Du kannst mich nicht dazu zwingen, Brüderchen. Was willst du machen? Mich auch in einen Kerker werfen wie Melody? Sie hat das nicht verdient!«, maulte sie mich an. Sie verteidigte sie auch noch?

»Das wäre Hochverrat, Nathalie. Dafür dürfte ich dich sogar umbringen«, entgegnete ich und das war die Wahrheit.

»Schön mach doch, aber erst nachdem Melody wieder frei ist«, sagte sie und rannte runter. Schnell folgte ich ihr und stieß sie die Treppe runter. Unsanft landete sie auf den Boden, rappelte sich jedoch schnell wieder auf. Dann tat sie etwas worauf ich nicht gefasst war.

»VATER«, rief sie durch das ganze Haus. Ich verdrehte die Augen. Als würde er auf ihrer Seite sein. Und schon kam er. Ihr dürft euch meinen Vater bloß nicht wie einen König gekleidet vorstellen. Er trägt ganz normale Klamotten. Zum Glück.

»Was ist denn?«, fragte er und Nathalie hielt den Schlüssel hoch worauf er nur nickte und ein 'Ah' von sich gab. Oh nein, bitte lass sie ihn nicht um den Finger gewickelt haben. 

»Wir müssen uns unterhalten, Justin«, sagte mein Vater und gemeinsam gingen wir in mein Zimmer. War das sein ernst? Ich seufzte und setzte mich auf mein Bett.

»Wieso hast du das Mädchen in den Kerker gebracht?«, wollte er wissen. Einfach. »Weil sie eine Black Widow ist«, antwortete ich. Er sah mich an und nickte. Dann schien er eine Weile zu überlegen. Was war sein Problem? Er stand auf, ging kurz runter und hatte ein Buch in der Hand.

»Hast du dieses Buch schonmal gelesen?«, fragte er mich. Ich nickte. Alle Dämonen mussten es gelesen und verstanden haben bevor sie in die zweite Klasse kamen. Mir wurde es eher vorgelesen und tausendmal von Mutter erklärt.

»Gut, dann möchte ich jetzt einmal, dass du alles was dort drinnen steht vergisst und wie ein Mensch denkst. Wenn du ein Mensch wärst, wie würdest du das was du getan hast finden?«, wollte er wissen. Es ist eine dumme Frage, doch ich widersprach nicht, denn es gehörte sich nicht dem Vater zu widersprechen, auch wenn Nathalie das ziemlich oft tat.

»Ich würde es grausam finden. Viele Menschen, aber denoch nicht alle, hinterfragen die Sachen bevor sie handeln.« Das hatte ich aus dem Alltag gelernt. Selbst Melody hatte Sachen hinterfragt, obwohl sie kein Mensch ist, aber vielleicht taten Black Widows das ja auch.

»Aber es ist Unsinn so zu denken, schließlich sind wir keine Menschen«, fügte ich noch hinzu. Auch etwas, dass ich schon sehr früh gelernt hatte und dann sah mein Vater mich eindringlich an.

»Es ist kein Unsinn so zu denken, Justin. Genau das macht uns ein wenig menschlich und lässt uns unter den Menschen nicht auffallen. Das ist auch der einzige Grund, warum Gabriel uns noch nicht umbringen lies: Er weiß, auch wenn Luzifer unser Herrscher ist denken wir noch selbstständig. Das hat in der letzten Zeit durch Luzifers Regeländerungen drastisch nachgelassen. Wir beginnen uns zu verhalten wie Maschinen, verstehst du? Doch wir sind keine und ohne Menschen würden wir nicht mehr existieren können«, erklärte er. Natürlich, das verstand ich. Und ich ignorierte den Fackt, dass er Luzifer indireckt beleidigte. Das meinte er wahrscheinlich nicht so.

»Ja, aber Melody ist kein Mensch sondern eine –«, setzte ich an, doch sofort wurde ich unterbrochen.

»Eine halbe Nymphe, ich weiß. Luzifer hasst Nymphen, weil er selber mal eine liebte. Glaube mir oder verpfeife mich, das ist mir egal, doch schon seit einiger Zeit überlege ich mir einen Plan, wie man Luzifer bezwingen kann. Diese Schreckensherrschaft darf nicht länger zugelassen werden. Denn er lässt euch Dämonen denken, dass Nymphen, besonders das Halbblut, schlimm seien. Doch ich finde Melody ist das beste Beispiel, dass dies nicht der Fall ist. Ihre Mutte scheint ebenfalls in Ordnung zu sein. Was ich dir sagen will ist: Hör auf dein Herz. Das mag vielleicht menschlich klingen, aber höre darauf, denn es zeigt dir den richtigen Weg. Wenn es dir sagt, dass du sie retten und zur Frau nehmen solltest, irgendwann, dann mache es. Ich stehe hinter dir, mein Sohn. Und ich hoffe, du stehst auch hinter mir, wenn ich Luzifer stürze.«

Dann verließ er den Raum und ließ mich mit offenem Mund zurück. Er hatte mir gerade erzählt, dass er Luzifer stürzen, wenn nicht sogar umbringen will. Was so gut wie unmöglich ist. Und dass er vielleicht sogar die Engel zu Hilfe bittet. Nun ist nur die Frage: Stehe ich hinter meinem Vater und zu Melody, oder zu unserem Herrscher Luzifer?

Demonic || j.b ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt