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"Oh man. Das brauche ich doch sowieso nie wieder." genervt lehnte ich meinen Kopf gegen die kalte Platte, meines Schreibtisches.

"Das sagst du jetzt bestimmt zum Hundertsten Mal, in der Zeit hättest du wahrscheinlich schon die ganze Aufgabe fertig bekommen, würdest du nicht rumnörgeln." empört drehte ich mich auf meinem Stuhl um und schenkte Kai, der es sich auf meinem Bett bequem gemacht hat, einen Todesblick.

"Mach es besser" forderte ich den Braunhaarigen auf.
Seine Stirn kräuselte sich etwas "Na gut."

Er kam tatsächlich auf mich zu, also stand ich auf und machte ihm Platz.
"Das verstehst du sowieso nicht." wollte ich es ihm gleich klar machen.

"Sag das niemals zu jemandem, der sein Abitur gemacht hat." überzeugt grinste er mich an.
Ich hielt in meiner Bewegung inne und starrte zu dem Fußballer an meinem Schreibtisch.

"Warte. Welcher Fußballer macht denn Abi?" irritiert und leicht skeptisch beäugte ich Kai, der mich überrascht ansah.

"Ziemlich viele sogar. Man braucht schließlich immer einen Plan B, falls das mit der Profikarriere nicht klappt.-" mit einer schnellen Bewegung schnappte er sich das Mathebuch.
"Ach Alea, du musst noch so viel lernen." säuselte er mit hoher Stimme.

"Ja Mama." Ich gab ihm lachend einen leichten Klaps auf den Hinterkopf.

"Achso und dann nur noch die Wurzel ziehen?" erfreut klatschte ich in die Hände.
"Und noch zu dem anderen Ergebnis dazu rechnen" zerstörte Kai meine Euphorie.
Doch die Aufgabe hatte ich jetzt tatsächlich kapiert, wenn das mit dem Fußball bei ihm nicht geklappt hätte, wäre Kai bestimmt Lehrer geworden. Erklären konnte er und vorallem motivierte er mich dazu, die Hausaufgaben noch vor 16 Uhr fertig zu bekommen.

"Fertig" flüsterte ich mehr zu mir selbst, nachdem ich meine Schulsachen für den nächsten Tag gepackt hatte.
Ich verstaute meinen Rucksack wieder in der Ecke und richtete mich auf, meine Augen fixierten mein Bett. Kai saß nichtmehr an seinem Handy, so wie vorhin, er hatte sich unter die Decke verkrümelt und war tatsächlich eingeschlafen.

Ich konnte es nicht verhindern ein Foto davon zu machen, es sah einfach zu göttlich aus.
Aber wie war er denn in den Fünf Minuten, in denen er mich alleine arbeiten ließ, eingeschlafen? Vielleicht hatte er eine kurze Nacht, oder ein anstrengendes Training.
Puh, vorallem schon am frühen Morgen. Wenn er so müde war, um hier einschlafen zu können, dann war er vermutlich ganz schön K.O., weshalb ich Kai einfach weiter schlafen ließ.

Währenddessen sprang ich unter die Dusche und hielt auf dem Rückweg in mein Zimmer, vor Elians Tür an. Man konnte ihn lautstark diskutieren hören, weshalb ich interessiert in sein Zimmer eintrat.
Man könnte nun behaupten, dass ich meinem Bruder keine Privatsphäre lassen würde, aber im Gegensatz war er noch viel Schlimmer.

Als ich mein erstes Date mit Gabriel hatte, hat er zuvor mein Handy durchforstet, nur, um dann am gleichen Tag im Kino auftauchen zu können und ihn abzuchecken.
Ist ja nicht so, dass ich Gabriel meinem Bruder auch vorgestellt hätte.

Allerdings hockte Elian einfach vor der Glotze, mit Headset und Controller, und zoffte sich mit jemandem über seinen Kill.

Um zu viel krach zu vermeiden, ließ ich die Tür nur angelehnt.
Kai lag immernoch seelenruhig schlafend auf meinem Bett, leicht schnarchend, aber mit zufriedenem Blick.
Ich zog mir einen Pulli aus dem Schrank und ließ mich anschließend in dem bequemen Sessel nieder und startete, über Kopfhörer, eine neue Folge von Greys Anatomy.

Immer wieder blickte ich von der Serie zu meinem Bett. Als Kai aufeinmal kerzengerade im Bett saß, ließ ich vor Schreck das Tablett fallen und zog mir schnell die Kopfhörer aus den Ohren.

"Bin ich-" ein Gähnen unterbrach seinen Satz "eingeschlafen?" Kai kratzte sich an seinem Hinterkopf, sobald ich genickt hatte.
"Du sahst so müde aus, da wollte ich dich nicht wecken" erwiderte ich schulterzuckend.
"Wie viel Uhr ist?" fragte der Fußballer, nachdem er die Decke zurück geschlagen hatte.
"Halb Sechs" murmelte ich, nach einem kurzen Blick auf die Uhranzeige.
Geschockt richtete sich sein Blick auf mich "Schon? Oh shit, ich muss los." hektisch sprang er auf und suchte in meinem Bett nach seinem iPhone.

Leicht überfordert stand ich in der Tür, Kai war ohne ein Wort zu sagen nach unten gerannt, um seine Schuhe an zu ziehen.
"Sorry." er drückte mich kurz an sich "Ich treffe mich noch mit einem Kumpel, in einer halben Stunde. Wir sehen uns Donnerstag." Mit diesen Worten verschwand er, ich blickte noch den Lichtern seines Autos nach, die um die nächste Ecke bogen und schloss anschließend die Tür.

"Er scheint wirklich nett zu sein" meine Mutter riss mich aus meinen Gedanken.

"Ja. Das ist er. Wir verstehen uns  wirklich gut." Meine Mutter tätschelte meinen Arm.
"Das freut mich so für dich" stolz lächelnd kniff sie in meine Backe.
"Mama" stöhnte ich, entfernte ihre Hand und ging schmunzelnd weiter.

-

Gähnend tastete ich, im Dunkeln, nach dem Lichtschschalter.
Es war eine dieser Nächte, in denen ich einfach nicht schlafen konnte, so müde ich auch war.
Zu viele Gedanken und Erinnerungen durchquerten meinen Kopf.

Inoperabel.

Viertes Stadium.

Fünf Wochen.

Die Stimme des Arztes schallte durch meinen Kopf.

Ich wischte mir über die Augen und griff nach dem eingerahmten Bild, auf meinem Nachttisch.
Es war im Urlaub auf Mallorca entstanden, er hatte mich auf dem Arm, ich war gerade Sieben Jahre alt geworden, hinter uns das Meer, das mich immer so beruhigt hatte.
Wie wir zusammen Sandburgen gebaut hatten und Elian sie am Ende immer eintreten durfte, oder wie wir einfach im Gras lagen und in der Nacht Sternschnuppen gezählt hatten.
"Immer wenn du eine Sternschnuppe siehst, denkt jemand ganz bestimmtes an dich" wiederholte ich seine Worte.

Sachte strich ich über das Bild. An den Ecken verblasste langsam die Farbe. Es war unaufhaltbar, alle Erinnerungen verblassen im Laufe der Zeit. Irgendwann wird es so sein, als hätte er nie existiert. Ich wollte es nicht, ich wollte ihn nicht vergessen, aber ich konnte nichts dagegen tun.
Ich war hilflos, die Zeit war mir überlegen.
Mit jedem Tag, jedoch, ließ der Schmerz ein wenig nach, vielleicht hat es das Universum so gewollt. Vielleicht wollte er nicht mehr unter uns verweilen. Und einen Wandernden hält man nicht auf.
Deshalb ließen wir ihn gehen.
Diese Gedanken ließen mich besser fühlen, aber die Lücke, die er hinterlassen hatte. Die blieb.

Papa, du fehlst.

-
Ideen, was mit Aleas Vater passiert sein könnte?🤷🏼‍♀️

See you♡

Dancing with a stranger -Kai Havertz Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt