"Und das ist Furkan! " Rabya wippt einen kleinen Jungen in ihren Armen. "Er ist erst ein einhalb Jahre alt." Ich versuche meine Hand zu bewegen und streichle langsam Furkans Wange. "Wir haben ihn fast jeden Tag mit zu dir gebracht. Er liebt dich sehr." Sagt Rabya und lächelt mich warm an. Klar erinnere ich mich an Furkan. Ich erinnere mich an jedem von ihnen. An Ercan, Furkan, Malik, an alle. Meine Mutter und meinem Vater. Ich kann nicht sprechen. Oft drückt mir Rabya einen Zettel und einen Stift in die Hand und so haben wir meistens unseren Smalltalk. Das atmen fällt mir noch sehr schwer, deshalb wache ich oft nachts in Panik auf, da ich mir einbilde keine Luft mehr zu bekommen. Laufen kann ich überhaupt nicht. Ich sitze im Rollstuhl. Fünf Jahre Koma hat meine Muskulatur zurück gebildet. Aber der Arzt meint ich lerne das noch einmal. Es wird ein harter Kampf sich wieder ans Alltagleben zu gewöhnen. Aber im Moment schätze ich alles. Sogar jede Kleinigkeit. Jeden Atemzug.
"Ercan ist Lehrer." Sagt Rabya Stolz. "Sogar auf deiner Schule!" Sie lacht. Ich könnte weinen.
Im Moment plagt mich ein einziger Gedanke. Rabya erzählt mir das ganze so, als wüsste ich von all dem nichts. Aber ich weiß alles! Als hätte ich alles real miterlebt! Und ich kann es ihr nicht sagen. Ich kann es ihr nicht schreiben. Ich kann es ihr einfach nicht klar machen. Da ich Angst habe. Angst, dass sie mir nicht glauben würde. Aber wieso sollte sie mir nicht glauben? Immerhin würde ich ihr die ganze Wahrheit erzählen. Vielleicht würde aber auch alles falsch sein. Einfach alles!
Ich zeige mit meiner Hand auf das Papier und den Stift. Sofort schaut mich Rabya an. "Willst du mir etwas sagen?" Ich nicke. Sie überreicht es mir und wartet. Langsam schreibe ich die Worte auf und studiere jeden einzelnen Buchstaben. Schließlich drehe ich das Blatt um, damit es Rabya lesen kann. Sie schaut vom Blatt auf hoch in meine Augen. "Esra, ich-" ich schaue sie bittend an. Meine Frage zu beantworten. Rabya steht auf und rollt mich in mein Zimmer. Dort schließt sie die Türe ab und setzt sich auf mein Bett. Ich warte auf eine Antwort. "Esra, ich darf dir nicht sagen wie du in den Koma gefallen bist." Enttäuscht blicke ich nach unten. Es muss doch für alles eine Erklärung geben! Das muss doch alles nur ein schlechter Witz sein! "Aber ich werde es dir trotzdem erzählen, da ich denke, es wird dir helfen." Sie schaut kurz auf ihre Hände. "Esra ich weiß nicht ob du dich daran erinnern kannst", sie blickt zu mir. "Weisst du noch als du entführt wurdest?" Klar weis ich das noch! Jede Kleinigkeit die passiert war! "Der Mann hat dich entführt. Was er mit dir alles gemacht hat, weiß ich nicht. Er hat dich so sehr geschlagen, dass du ohnmächtig wurdest. Danach ist er einfach abgehauen. Und so lagst du dann dort. Alleine. Eine lange Zeit. So bist du ins Koma gelegt worden. Seitdem sind fünf Jahre vergangen." Mir kommen die Tränen. War das alles, was ich erlebt habe, etwa nicht wahr? War das ein Traum im Koma? Habe ich mein Leben in meinem Traum ausgelebt? Und jetzt lebe ich in dieser Enttäuschung. Ich habe also nie Malik geheiratet. Ich habe nie eine Beziehung mit Cem geführt. Ich habe nie mit einem kleinen Enes zusammen gewohnt. Gibt es überhaupt einen Enes? Oder waren meine Gedanken im Koma so weit neue Charaktere zu erschaffen? Und Albin! Was ist mit Albin? Gibt es ihn auch nicht? Oder gibt es ihn vielleicht doch? Lebt er? Oder ist er wirklich gestorben? Und was mit Fatihs Hochzeit? Was ist mit all diesen Menschen? Was ist wirklich aus ihnen geworden? Immerhin war das alles, was ich erlebt habe, nur ein Traum. Und nicht die Realität. Ich weiß nicht, was wirklich in dieser Welt geschehen ist.Diese ganzen fünf Jahre, in der dachte, das alles erlebt zu haben, haben in Wirklichkeit nie existiert.
Alles war eine Einbildung in meinem Kopf und tatsächlich kann ich mich an alles und jeden erinnern.
"C", probiere ich zu reden. "Cem." Sage ich leise. "Wo ist Cem?" Sofort hole ich tief Luft. Diese Worte haben meinen Atem geraubt. Liegt das an meiner Lungenmuskulatur oder liegt das einfach an Cem und der ganzen Aufregung?
"Cem?" Fragt meine Schwester und ich nicke. "Willst du mit Cem reden?" Nocheinmal rede ich und wische meine Tränen aus meinen Gesicht. Rabya steht auf. Kommt erst nach fünf Minuten mit Cem wieder. Ich sehe ihn noch nicht. Mein Rücken ist zu ihm gewandt. Ich höre wie er auf mich zu läuft. Er kniet sich vor mich hin. Ich traue mich nicht meine Augen zu öffnen. "Esra-" höre ich eine zittrige Stimme. Es ist seine Stimme. "Esra schau mich an, bitte." Mit geschlossenen Augen schüttle ich den Kopf und versuche nicht laut zu schluchzen. "Esra ich fleh dich an, schau mich an!" Ich höre aus seiner Stimme die Angst. "Esra, bitte!" Nun öffne ich langsam meine Augen und blicke in Cems Gesicht. Dieser Moment wird sich für immer in meinem Herzen bannen. Cem kniet vor mir heulend und hält meine Hand. Ich hatte das gar nicht bemerkt. Sein Gesicht sieht genau so aus wie in meinen Gedanken. Und sein Geruch ist auch der selbe. Selbst im Dunkeln würde ich ihn erkennen. Cem küsst meine Hand. "Ich habe fünf Jahre darauf gewartet." Sagt er. "Fünf Jahre. Nur auf dich. Und jetzt bist du da." Er küsst nocheinmal meine Hand und unter Tränen fange ich an zu lachen und zu lächeln. "Wir hatten nur mit diesem scheiß Niederschlagsmesser was zu tun, sonst nie. Weisst du noch?" Er schaut mich mit seinen feuchten Augen an und ich nicke. "Ich habe fünf Jahre gewartet. Ich wusste du kommst wieder. Ich wusste, Allah gibt dir die Kraft." Er lächelt mich unter Tränen an. Wenn er nur wüsste, was wir in meinen Gedanken erlebt hätten. "Ich habe jede Nacht von dir geträumt. Wirklich jede Nacht." Er wischt sich Tränen aus dem Gesicht. "Ich habe geträumt, wir würden zusammen kommen und", er schluchzt. "Ich habe dir meine Liebe im Klo eines Restaurants gestanden." Er lacht auf und ich schaue ihn mit weiten Augen an. Denn das gab es auch in meinen Gedanken. "Und irgendwann habe ich dir einen Heiratsantrag auf Fatihs Hochzeit gemacht!" Er lacht wieder und küsst meine Hand nocheinmal.
Ich kann das alles nicht glauben. Fünf Jahre bin ich nur gelegen. Habe weder mit Menschen gesprochen, noch mit ihnen Kontakt gehabt. Ich hatte keinen Kontakt zur Außenwelt. Weiß von allem nichts, was wirklich geschehen war. Doch mein Inneres hat eine eigene Geschichte entwickelt. Und diese Geschichte habe ich nicht alleine erlebt. Sondern mit Cem zusammen. Er hat sie mit mir gestaltet und geteilt. Alles was in meinen Gedanken statt gefunden hatte, hatte auch in Cems Gedanken statt gefunden. Also gab es das ganze doch! Nur nicht in der Realität, sondern einfach nur in den Köpfen zwei verliebter Menschen. Die mit Träumen miteinander kommumiziert haben, um nicht kaputt zu gehen.
Cem und ich haben alles in unseren Träumen und Gedanken wirklich erlebt.
"Ich liebe dich immernoch so sehr wie vor fünf Jahren. Egal ob du im Rollstuhl sitzt. Oder ob du sprechen kannst. Ich würde alles für dich tun. Wirklich alles. Du bist, warst und wirst meine letzte sein."
"Ich", sage ich leise, lächelnd unter Tränen. "Ich liebe nur dich, Cem."
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Geheimnisvolle Liebe
RomantikDieser Moment wird sich für immer in meinem Herzen bannen. Cem kniet weinend vor mir und hält meine Hand. Ich hatte das gar nicht bemerkt. Sein Gesicht sieht genau so aus wie in meinen Gedanken und sein Geruch ist auch der selbe. Selbst im Dunkeln w...