Livia
Mittlerweile war eine Woche vergangen, seitdem ich Selina das letzte mal gesehen hatte. Ich machte mir immer noch große Sorgen, doch irgendetwas in mir wusste, dass sie noch immer am Leben war. Trotzdem hatte ich die Suche nach ihr aufgeben, denn ich wusste einfach nicht mehr, wo ich sie noch suchen sollte.
Ich quälte mich aus meinem Bett. Doch bevor ich halb verschlafen ins Badezimmer ging, kam ich beim Zimmer meines Bruders vorbei. Ich hörte anhand seines Herzschlages, dass er im Zimmer war, doch ich wusste, dass er heute früh Uni hatte und eigentlich schon längst auf den Weg sein müsste. Ich machte seine Zimmertür auf, um ihn zu wecken, damit er nicht gänzlich zu spät kam, doch er war bereits wach. Er lag kerzengerade in seinem Bett und starte seine Decke an. Normalerweise hätte er zu mir geschaut, doch er regte sich nicht, blieb einfach so liegen.
„Tom?" sagte ich etwas verunsichert seinen Namen. Langsam bewegte sich sein Kopf zu mir. In seinen Augen lag kein Ausdruck und ich hatte das Gefühl, ich hätte einen Zombie angesprochen. Er sagte nichts, weswegen ich ihn fragte, ob alles okay wäre.
„Ja." antwortete er mit einer trockenen, ausdruckslosen Stimme. „Musst du nicht schon längst auf den Weg zu deiner Uni sein?" „Ja." sagte er erneut, mit der selben Stimme wie zuvor. „Wieso bist du dann noch hier?" „Mir ist schlecht." Kein Leben, kein Ausdruck, keine Emotion war in seiner Stimme zu hören, es war als wäre er eine hohle Hülle.
Ich ging auf ihn zu und setzte mich neben ihn in sein Bett. „Du machst mir sorgen!" Nun ging sein Blick direkt in meine Augen und ich sah, wie kurz etwas in ihn aufschimmerte. Ich merkte, dass er mir etwas sagen wollte, dass er gerne mit mir geredet hätte, doch seine Lippen blieben versiegelt. Ich kannte das Gefühl. Ich hätte ihn am Liebsten auch alles erzählt. Einfach alles, hätte mich von ihn trösten lassen, doch ich konnte nicht, denn es hätte mich umgebracht. Das Buch hätte mich umgebracht, sobald ich von ihn erzählte. Also machte ich das einzigste, was ich seit Monaten von ihn gebraucht hätte und umarmte meinen Zombie Bruder.
Erst zuckte er zusammen, dann erwiderte er meine Umarmung. Er zog mich sogar näher an sich heran und dann passierte etwas, was er noch nie vor mir gemacht hatte, er begann zu heulen. Und während ich ihn in meinen Armen hielt und ihn halt gab, merkte ich, wie mir ebenfalls Tränen in die Augen kamen. Doch während seine Tränen laut und polternd seinen ganzen Körper erfüllt, blieben meine leise. Sie kullerten still und heimlich meine Wangen hinunter. So leise, dass er es nicht mitbekam, was auch gut war, ansonsten hätte er nämlich angefangen mich zu trösten.
„Livia, ich bin so kaputt. Ich ertrage noch nicht einmal mehr mein eigenes Spiegelbild. Es starrt mich voller Verachtung an. Es bestraft mich mit Hass für all die Fehler, die ich begannen habe und ich frage mich dauernd, wieso war ich so dumm all die Fehler zu begehen? Wieso habe ich so einen großen Fehler gemacht?" fragte er die Fragen, auf die es einfach keine Antworten gab, während er laut schluchzte. „Ich hasse mich dafür!" sagte er ohne weiterhin zu schluchzen. Ich wusste nicht, um was es dabei ging, doch das war in diesen Moment auch nicht so wichtig. Ich wünschte, ich hätte ihn helfen können, doch ich konnte ihn nicht dabei helfen, sich selber zu verzeihen und sich selber zu lieben. Natürlich fragte ich mich, wieso er sich auf einmal so hasste, doch fragen tat ich nicht. Ich hatte nie den Eindruck, dass er sich selber hassen würde. Ich wusste nicht, dass es ihn so ging.
Als er sich wieder beruhigt hatte, sagte er unter lauter Schniefern „Du musst doch in die Schule!" „Es gibt wichtigeres als pünktlich zum Unterricht zu erscheinen!"
Nachdem ich die erste Stunde verpasst hatte, kam ich pünktlich zu meiner zweiten Stunde und traf dort wieder einmal auf Dennis. Es war mittlerweile das zehnte mal, dass er mich abfing, seitdem er mich letzte Woche das erste mal abgefangen hatte. „Livia, wir müssen reden." Ich sah wie Cole am anderen Ende des Ganges auftauchte und mich und Dennis sah. Er hatte mich und Dennis schon ein paar mal zusammen gesehen, doch dieses mal schien er misstrauisch zu sein. Er ging direkt auf uns zu. Dennis flüsterte. „Bitte, es ist wichtig, dass wir alleine reden!" „Wieso? Wieso willst du mit mir reden? Du willst mich doch nur wieder dazu bringen, dass ich meine Aufgabe erfülle." zischte ich ihn so laut zu, dass Cole nichts mitbekam. „Schick ihn weg und ich sage dir wieso." „Er wird sowieso meine Gedanken lesen können!" „Nicht, wenn ich es verhindern kann!" Ich sah Dennis irritiert an.
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Das Spiel - Einführungsaufgaben
Fantasy„Also ich fass mal zusammen! Wir haben ein Buch in unserer Schulbibliothek gefunden. Das Buch hatte keinen Titel und auch innerhalb des Buches war nichts geschrieben, abgesehen von der ersten Seite. Die uns aufforderte unsere Hände auf das Buch zu l...