Der Fall endete nicht so schlimm, wie Lena befürchtet hatte. Nach wenigen Metern landete sie mit einem Aufschrei auf dem steinernen Boden, ein Haufen Asche hatte ihren Sturz etwas abgemildert. Trotzdem taten ihr die Füße weh.
Als eine Wolke aus aufgewirbelter Asche ihr in Mund und Nase stieg, setzte sie sich hustend auf und versuchte, sich zu orientieren.
Es war stockfinster.
Sie befühlte ihre Füße, doch wie durch ein Wunder waren sie unverletzt geblieben.
Glück gehabt, dachte Lena und fuhr mit ihren Fingern tastend über die Steinwände. Schließlich bemerkte sie, dass eine der Wände aus Metall war.
Was konnte das sein? Sie untersuchte sie näher und plötzlich schlug ihr Herz höher. Eine Metallklappe! Mit den Händen drückte sie dagegen. Nichts geschah.
Als sie den Druck erhöhte, wölbte sich die metallene Fläche leicht nach außen.
Lena schickte ein Stoßgebet Richtung Himmel. Das musste der Weg aus dem Schacht sein! Umständlich drehte sie sich um ihre Achse, bis sie ihre Schuhe gegen die Klappe drücken konnte, doch nichts geschah. Mit größter Konzentration zwang sie sich zur Ruhe und atmete tief durch.
Dann holte sie so gut es ging Schwung und rammte ihre Schuhe, den Schmerz in ihren Füßen ignorierend, mit aller Kraft immer wieder gegen die Metallklappe.
Irgendwann gaben die rostigen Scharniere schließlich nach. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen fiel die Klappe auf den dahinterliegenden Boden.
Nachdem sie sich aus dem Schacht befreit hatte, stand Lena mit wackeligen Beinen auf den kalten Fliesen des Kellerbodens. Durch ein kleines Kellerfenster an der hinteren Wand schien ungewöhnlich helles Licht in den muffigen Raum.
Dicht über Lena spannte sich eine gewölbte Steindecke. An den Wänden standen hölzerne Regale, ansonsten war der Raum leer. Als etwas Waberndes über ihr Gesicht strich, fuhr sie zusammen.
Überall hingen Spinnweben, von Spinnen selbst war allerdings nichts zu sehen.
Das Fenster.
Hoffnung keimte in ihr auf. Konnte sie endlich aus diesem Schloss fliehen? Mit wenigen Schritten hatte Lena den Raum durchquert - und wurde enttäuscht. Dicke Eisenstangen in den Fensterrahmen versperrten den Weg.
Draußen am nächtlichen Himmel stand ein wunderschöner Vollmond. Sehnsüchtig blickte sie durch das Fenster, bis ein plötzliches Geräusch sie herumfahren ließ.
Irgendwo wurde eine Tür geöffnet. Lena rannte zu einem kleinen steinernen Torbogen und schaute in einen Gang hinein, der sich nach beiden Seiten hin erstreckte.
Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie, dass der Gang immer wieder unterbrochen wurde von Seitengängen und Durchgängen zu weiteren Kellerräumen.
Einige von ihnen waren mit schweren Schlössern versperrt, bei anderen hingen halb verrottete Türen schräg in den Angeln.
Von irgendwoher hörte Lena Stimmen und Schritte, konnte aber nicht ausmachen, aus welcher Richtung sie kamen.
Vorsichtig schlich sie gegen die kalte Wand gedrückt den Gang entlang, bloß weg von der geöffneten Tür weg. Schließlich erreichte sie eine Art Kreuzung, an der links und rechts ein weiterer dunkler Gang abzweigte. Lena schaute in beide Gänge hinein, fand aber keinen Anhaltspunkt, in welchem es für sie eine Fluchtmöglichkeit geben könnte.
Unschlüssig wanderte ihr Blick hin und her. In dem Gang, der nach rechts abzweigte, konnte sie unklar irgendetwas an den Wänden krabbeln sehen.
Spinnen, dachte sie, hier seid ihr also! Die kleinen Ratten fielen ihr wieder ein. Konnte es tatsächlich sein, dass die kleinen Tiere ihr bei ihrer Flucht geholfen hatten? Unvorstellbar!
Allerdings bekommt man es auch nicht jeden Tag mit Vampiren zu tun!, musste Lena sich eingestehen.
Plötzlich erhellte ein schwaches Licht, das von kleinen Glühbirnen erzeugt wurde den Gang hinter ihr.
„Dort ist sie!", rief die inzwischen vertraute Stimme des Grafen. „Sie wird uns nicht entkommen, packt sie!"
Lena musste wieder einmal schnell handeln! Ihrem Instinkt folgend flüchtete sie schnell in den Gang hinein, in dem sie die Spinnen gesehen hatte und rannte so schnell sie konnte, mit den Händen vor sich ausgestreckt durch die Dunkelheit. Am Ende des Ganges befand sich eine schwere hölzerne Tür.
Bitte, lass sie nicht verschlossen sein!
Lena hörte eilige Schritte hinter sich den Gang herunter kommen. An der Tür angekommen, bemerkte Lena, dass der Gang hier gar nicht zu Ende war, sondern nach links und rechts zwei weitere Gänge abzweigten.
Trotzdem packte sie die schwere Türklinke, drückte sie nach unten - doch die Tür blieb zu. Entsetzt fuhr Lena herum um nach ihren Verfolgern zu sehen und starrte zum zweiten Mal in das bleiche Gesicht des Grafen.
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Jagd auf Lena - Eine Nacht auf Schloss Rottstein
Fantasy„Bist du auf der Suche nach der Wahrheit, so erhebe Dich über die Eitelkeit derer von Rottstein. Der Weg ist nicht leicht. Nutze die Macht des Aquila und schaue beim Licht des Vollmondes auf das Antlitz der Adligen." Lena ist ein Mädchen aus dem Hie...