Lenas Plan - Part 1

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„ ...das ist höchst interessant."

Der Professor runzelte die Stirn. Lena hatte gerade ihren Bericht mit dem abrupt endenden Eintrag in das Tagebuch abgeschlossen und ihre Idee mitgeteilt, in der Bibliothek für den Grafen wertvolle Informationen zu finden und gegen ihre Freiheit einzutauschen.

„Mit demselben Tauschhandel sollten wir Sie zum Grafen locken", fuhr Professor Fromage fort, „freilich mit einem etwas anderen Ende als dem von Ihnen geplanten."

Sogleich griff er einen anderen Gedanken auf: „Knoblauch an Sträuchern! Ebenso raffiniert wie mysteriös. Es muss sich bei dieser Pflanze um eine besondere Züchtung handeln... Bislang haben wir nicht herausbekommen, wo sich Sir Rigoberts Versteck befindet. Seit Jahren suchen wir außer der zweiten Kartenhälfte auch den Weg dorthin."
Nachdenklich kratzte der Professor sich am Kopf.

„Knoblauch also... Sie müssen wissen, dass Vampire, leider auch wir Halbvampire, sehr unangenehme Eigenschaften besitzen. Schauen Sie her, aber erschrecken Sie nicht."

Er zog den rechten Schuh aus. Lena fiel auf, wie seltsam verformt und ungewöhnlich behaart sein Fuß war. Der Professor erklärte, was es damit auf sich hatte.

Dann ergriff Pierre Petit das Wort: „Außerdem ist Knoblauch für uns nicht besonders angenehm. Wenn wir diesem Gewächs nahe kommen, wenden wir uns instinktiv ab. Und noch schlimmer: Wir nehmen unsere Umgebung verändert wahr. Wo, wie in Ihrem Fall, eine Knoblauchpflanze wächst, da sehen wir vielleicht einen Baum, oder einen Truthahn oder ..."

„... oder eine Mauer – ja, natürlich!" In den Augen von Fromage leuchtete die Erkenntnis: „Das ist es. An der Stelle, wo Sie aus Sir Rigoberts Versteck herunter gekommen sind, sehen wir keine Treppe und Knoblauch, sondern vermutlich nur eine Mauer! Und jetzt können Sie sich denken, warum der Graf so bald nicht mit Ihnen rechnet. Er hat keine Ahnung, wo Sie nach Ihrer Flucht durch den Tunnel wieder auftauchen würden. Viel wichtiger aber ist das, was wir aus dem Tagebuch erfahren haben. Wenn es auch noch zu wenig ist, um als Faustpfand für unser aller Freiheit zu genügen."

Nachdenkliche Stille senkte sich über die Verschwörer, als plötzlich ein leises Piepsen zu hören war. Im nächsten Moment sprang die weiße Ratte am Stuhl des Professors hinauf, kletterte über seine Jacke nach oben und machte es sich auf seiner Schulter bequem. Ihre flinken Augen huschten zwischen den dreien hin und her.

„Sieh an, wenn das nicht die kleine Lorraine ist", sagte der Professor fast zärtlich und strich ihr über das weiche Fell. Die Ratte störte sich daran nicht, im Gegenteil, sie schien diesen Moment zu genießen.

„Lorraine?", staunte Lena. „Herr Professor, gehört die Ratte zu Ihnen? Ich kenne sie, sie hat mir schon des Öfteren aus der Klemme geholfen."

„Oh, das kann ich mir denken", antwortete der Professor. „Sie scheint den Grafen nicht zu mögen, was sie mir übrigens sehr sympathisch macht. Vermutlich hat sie Ihnen deshalb geholfen. Lorraine ist ein helles Köpfchen."

Lena lächelte in Lorraines Richtung. Dann wendeten sich ihre Gedanken wieder ihrem Problem zu.

„Haben Sie eine Vorstellung, was es mit der Macht des Aquila auf sich hat? Und warum das Tagebuch so abrupt endet?"

Nachdenklich erhob sich der Professor aus seinem Stuhl und setzte die kleine Ratte behutsam auf den Boden, von wo sie davon huschte und hinter den Bücherregalen verschwand.

Aquila ist ein Sternenbild, es ist recht häufig am Firmament zu beobachten. Leider habe ich mich in meiner wissenschaftlichen Laufbahn zu wenig mit Astrologie beschäftigt. Vielleicht kann Ihnen das Fräulein Karlina mehr darüber erzählen. Sie befindet sich derzeit übrigens auf Befehl ihres Onkels im Traurigen Turm." In knappen Worten erzählte der Professor, was es mit dem Turm und seinem traurigen Gefangenen auf sich hatte.

Lena wusste nun, was zu tun war: Sie musste zu Karlina, um mehr Informationen zu bekommen, besonders über die Macht des Aquila. hatte eine Schlüsselbedeutung, das wurde ihr zunehmend klarer.

„Herr Professor, lieber Pierre", sprach sie, „ich muss mit Karlina sprechen und zwar schnell. Diese Aquila-Nummer scheint mir von großer Wichtigkeit zu sein."

„Nummer? Sie reden schon wieder in Rätseln, meine Liebe. Was hat eine Nummer mit ..." - „Vergessen Sie es", unterbrach Lena den Professor, „ich hoffe einfach, dass Karlina uns weiterhelfen kann. Aber vorher noch eine Frage: Warum endet das Tagebuch von Sir Rigobert so unvermittelt? Haben Sie dafür eine Erklärung?"

„Nun, das kann eigentlich nur mit dem plötzlichen Dahinscheiden Sir Rigoberts zu tun haben, denn ..."

„Das ist nicht möglich, Herr Professor", widersprach Lena sofort. „Das Tagebuch lag fein säuberlich verschnürt in einer Ledertasche unter der Diele. Nur Sir Rigobert kann es dort hineingelegt haben. Es muss eine andere Erklärung geben."

„Fräulein Lena", schaltete sich Pierre Petit in das Gespräch ein, „ist Ihnen vielleicht irgendetwas Besonderes aufgefallen? An der Schrift? Am Papier des Tagebuches? Vielleicht gab es noch herausgerissene Seiten, die in dem Versteck lagen?"

Lena dachte angestrengt nach.

„Leider habe ich das Versteck nicht gründlich untersucht. Es wäre möglich, dass sich dort noch etwas befindet. Gewundert habe ich mich allerdings, dass die letzte Seite plötzlich mit roter statt wie zuvor mit schwarzer Tinte geschrieben war. Ich wusste nicht, dass es damals ...".

Aufgeregt unterbrach sie der Professor: „Rote Schrift sagten Sie? Pierre, ich danke Ihnen für diesen Geistesblitz. Nie mehr werde ich mich über Sie beschweren! Natürlich, das ist die Erklärung. Fräulein Lena, erschrecken Sie nicht, Sir Rigobert muss diese letzten Zeilen mit seinem eigenen Blut geschrieben haben! Gleichwohl befand er sich nach dem gräflichen Biss im Zustand der Verwandlung."

Der Professor wanderte nervös um den Tisch herum. „Doch verflixt, wir haben ein Problem! Weder Sie, Fräulein Lena, noch sonstwer wird vermutlich die Zeilen lesen können. Das kann meines Wissens nach nur jemand, der sich im selben Zustand befindet, wie Sir Rigobert damals...

Jagd auf Lena - Eine Nacht auf Schloss RottsteinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt