Lenas Plan - Part 2

2 0 0
                                    

„Ein gebissener und sich verwandelnder Mensch! Vielleicht sogar ein echter Vampir die Zeilen lesen, aber das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Man müsste es ausprobieren."

„Könnten Sie es nicht versuchen, Herr Professor?", fragte Lena hoffnungsvoll.

Der Professor musste sie enttäuschen. „Wir sind leider, so muss man in diesem Fall wohl sagen, nur von einem Zahn des Grafen gebissen worden. Sir Rigobert, das hat uns der Graf oft genug voller Stolz erzählt, wurde noch von beiden seiner Zähne gebissen. Das ist ein großer Unterschied bezüglich der sich anschließenden Verwandlungsschritte, meine Liebe."

„Na, dann eben Karlina!", warf Lena ein. „Noch ein Grund, so schnell wie möglich mit ihr zu sprechen!"

Der Professor sah Lena an. „Sehr richtig, das wäre eine Möglichkeit. Verflixt, die Informationen wären ungemein wichtig. Wir könnten dem Grafen damit drohen, das Tagebuch zu vernichten, wie auch immer wir das in die Tat umsetzen sollten!"

„Aufessen!", rief Pierre plötzlich begeistert. „Wir könnten es vor den Augen des Grafen einfach aufessen!" Seine Augen blitzten, es war nicht schwer zu erkennen, dass ihm bei dem Gedanken das Wasser im Munde zusammenlief.

„Aufessen?!", entgegnete der Professor, dabei umspielte ein Schmunzeln seine Mundwinkel. „Mein lieber Pierre, die Wirkung des Rings scheint immer noch anzuhalten. Entschuldigen Sie den Vergleich, aber derzeit spricht wohl eher ein allesfressendes Schwein aus Ihnen. Sehr amüsant, immerhin!"

„Chrrrr!", grunzte Pierre zur Antwort und verstummte. Amüsiert beobachtete Lena die beiden und musste wieder lachen. Der Professor und Pierre taten es ihr gleich und das tat gut.

„Eines müssen sie bedenken", der Professor hatte sich als erster wieder gefasst. „Was machen wir, wenn das Fräulein Karlina die Passage in dem Tagebuch nicht lesen kann? Dann hätten wir nichts in der Hand. Und selbst wenn Sie etwas Wertvolles für Herrn von Rottstein hätten, sein Ziel, an Ihr Blut zu gelangen, wird er deswegen nicht ohne Weiteres aufgeben."

Stille senkte sich über die drei. Enttäuscht richtete Pierre den Blick zu Boden. Der Professor starrte das Bild des Grafen an, vor dem er stehen geblieben war. Es war zum Verzweifeln.

Nun hatte sich eine Chance ergeben, mit Hilfe des Tagebuchs um Lenas Freiheit und die ihrer neuen Freunde zu feilschen, doch sie befanden sich in einer Sackgasse. Wie man es drehte und wendete, sie hatten keine ausreichenden Mittel, um den Grafen unter Druck setzen zu können.

Unversehens meldete sich Pierre Petit zu Wort: „Herr Professor. Wenn wir nicht bald mit dem jungen Fräulein beim Grafen erscheinen, wird er Verdacht schöpfen. Wir müssen ihn so lange hinhalten, bis Fräulein Lena das Tagebuch geholt hat."

„Sie haben Recht, Pierre", erwiderte der Professor, „das habe ich nicht bedacht. Wir müssen schnellstens eine Lösung für das Problem finden, verflixt noch mal!"

Die Hände hinter seinem Rücken verschränkt lief der Professor auf und ab und murmelte vor sich hin. Pierre hantierte mit einer brennenden Fackel herum, die er von der Wand genommen hatte, und das brachte Lena auf eine Idee.

„Es könnte klappen!", stieß sie plötzlich hervor. „Ja, so könnte es funktionieren! Hören Sie zu, meine Freunde!"

Der Professor fuhr herum, während Pierre eilig die Fackel in ihre Halterung steckte. Beide lauschten gespannt Lenas Erklärung.

„Also, ich denke, wir müssen uns dem Willen des Grafen beugen. Wir haben wohl kaum eine Chance gegen ihn!"

Verwundert kratzte der Professor sich am Kopf und warf ihr einen verwirrten Blick zu, doch Lena fuhr unbeirrt fort: „Der Professor und ich, wir werden gemeinsam zur Dachkammer gehen, das Tagebuch holen und es dem Grafen bringen. Pierre, Sie werden schon voraus gehen und den Grafen besänftigen. Erzählen Sie ihm, dass der Professor zu meiner Bewachung mit mir gegangen ist. Mit etwas Glück wird er zum Dank dafür, dass er das Tagebuch bekommen hat, mich nicht ... ähm ... austrinken und uns allen die Freiheit schenken! Na, was sagen Sie zu dem Plan?"

Wie immer überließ Pierre dem Professor das Wort. „Fräulein Lena, mit Verlaub, das entspricht exakt dem Plan des Grafen. Er wird sich das Tagebuch schnappen und Ihnen anschließend umgehend in Ihren schmackhaften Hals beißen. Entschuldigen Sie meine Direktheit, aber dieses Festmahl wird er sich nicht entgehen lassen!"

Lena seufzte. Natürlich war ihr das bewusst, doch für den Moment musste sie diese Version glaubhaft und nützlich klingen lassen, denn sie hatte schon etwas weiter gedacht.

„Herr Professor, vertrauen Sie mir. Oder haben Sie eine bessere Idee? Mit Glück finde ich in Sir Rigoberts Versteck die zweite Kartenhälfte, das wird ihn gnädig stimmen, meinen Sie nicht?" Lena hoffte das der Professor nun anbeißen würde, jedoch: „Liebes Fräulein Lena, wir ..."

„Herr Professor, bitte ...!" sagte Lena eindringlich mit vielsagendem Blick, der besagte, dass es für den Moment nichts mehr zu sagen gab, fixierte Lena den alten Gelehrten.

„Nun", sagte der Professor, der endlich zu verstehen schien, „wenn ich es recht bedenke, sollten wir es so machen. Pierre, Sie begeben sich zum Grafen und erzählen ihm, dass wir in Kürze mit allem, was in der Dachkammer zu finden ist, bei ihm erscheinen werden. Haben Sie verstanden?"

„Aber Herr Professor", erwiderte Pierre mit unglücklicher Miene, „warum gehen wir nicht gemeinsam zum Grafen? Das Fräulein Lena findet den Weg doch auch alleine. Außerdem können Sie doch wegen des Knoblauchs gar nicht in die Dachkammer, und ..." schon am Blick des Professors erkannte Pierre, dass seine Worte nutzlos waren. „ ...wenn ich wenigstens den Ring mitnehmen könnte?"

„Oh nein, mein lieber Pierre, wir haben für heute wirklich genug Tierlaute aus Ihrem Mund gehört. Nur Mut, Sie werden das schon schaffen. Und mehr werden Sie dem Herrn Grafen nicht erzählen! Ich hoffe, ich habe mich deutlich ausgedrückt!"

Da er nichts mehr einzuwenden wusste, machte sich der Assistent unglücklich auf den Weg.

Jagd auf Lena - Eine Nacht auf Schloss RottsteinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt