Kapitel 2

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Harry und ich setzten uns in eine der hintersten Ecken und unterhielten uns angeregt. Er erzählte mir grinsend, wo er schon alles war, anscheinend ist er schon viel herum gekommen für sein Alter. Er war 20, kam aus Homes Champel.

''Und jetzt erzähl mir doch auch mal was von dir. Woher kommst du genau? Ein... guter Freund hat auch südländische Wurzeln und jetzt erzähl mir nicht dass du keine hast.'' lachte er und strich sich durch seine Locken.
Ich lächelte und spielte mit meiner Tasse, in der heißer Kakao vor sich hindampfte. "Mein Vater ist Italiener, meiner Mutter Engländerin. Ich bin englisch aufgewachsen und mein Vater wollte nie, dass ich Italienisch spreche, da er meint es wäre ein schreckliches Land. Meine Großeltern hatten damals ihn und seine Schwester rausgeschmissen, weil sie sich nicht traditionell verhalten hatten. Irgendwie ist es ja schade. Ich habe sie nie kennengelernt." erzählte ich und rührte in der braunen, nach Schokolade riechenden Flüssigkeit rum.
Harry lächelte mich an und nahm über den Tisch hinweg meine Hand, welche ich direkt erschrocken zurück zog. Erschrocken sah ich ihn an, doch sein Lächeln erlosch nicht. Dann hob er die Hände. "Sorry. Ich neige dazu hübsche Mädchen öfters an den Händen zu nehmen." schmeichelte er, doch ich sah nur lächelnd auf meine Hände. Ich hatte seit Jahren nur meinen Vater gehabt, meine Tante hatte erst wieder Kontakt aufgenommen, als sie von Dad's Krebs erfahren hatte.
Sie hatte es ihm wahrscheinlich nie verziehen dass er eine stinknormale Engländerin geheiratet hatte und mit ihr ein Kind in die Welt gesetzt hatte. Ich zuckte mit den Schultern, was mir einen verwirrten Blick von Harry einbrachte. "Tut mir leid. Ich glaube ich muss nach Hause." murmelte ich und sprang auf. Ich drückte ihm 5£ in die Hände und verschwand aus dem kleinen Café. Die Emotionen stürzten über mir ein und ich rannte durch die Straßen Londons, bis ich eine U-Bahn Station erreichte und grade so meine U-Bahn schaffte. Mit Tränen in den Augen und rasenden Herzen ließ ich mich auf einen freien Sitzplatz fallen und atmete schnell und unregelmäßig. 5 Minuten Bianca, dann bist du zuhause. Redete ich mir immer wieder ein und es klappte sogar.
Als ich zuhause angekommen war schmiss ich die Tür hinter mir zu und glitt an ihr herunter. Schluchzend lehnte ich meinen Kopf dagegen und ließ die Tränen einfach laufen.
*
Ich weiß nicht wie lange ich hier schon saß. Doch irgendwann wurde es dunkel, sodass der kleine Flur unseres kleinen Hauses kaum noch beleuchtet war. Ich tastete nach dem Lichtschalter neben der Tür und stand dann langsam auf, als ich das Licht angemacht hatte. Müde zog ich meine Schuhe aus und stellte sie in den kleinen Schuhschrank, den meine Mutter so geliebt hatte. Erneut stiegen Tränen in meine Augen und ließen mich blinzeln.
Langsam tapste ich in das kleine Wohnzimmer und betrachtete jedes einzelne Bild an den Wänden, jedes einzelne Möbelstück. Ich würde das alles vermissen. Das war etwas, was ich meinem Vater verschwieg. Er wusste, dass wir Schulden hatten, doch er wusste nicht dass in 2 Wochen eine Zwangsversteigerung Zwecks Schuldenabgleich stattfinden würde. Ich wusste nicht, wie ich es ihm hätte erklären sollen.
Vorsichtig strich ich über die kleine Spieluhr, welche mein Vater meiner Mutter zu ihrem Hochzeitstag geschenkt hatte.
Nach und nach ging ich ein Bild nach dem anderen durch. Einmal Mom, Dad und mich in einem Freizeitpark, uns 3 auf verschiedenen Eventen, wie meiner Einschulung. Die Bilder waren zeitlich geordnet. Das vorletzte Bild zeigte mich und meine Eltern an meinem 14. Geburtstag. Ich grinste breit in die Linse, war gerade meine Zahnspange losgeworden. Meine schwarzen Haare waren zu einem Zopf gebunden. Es war das letzte Bild meiner Mutter. Sie saß im Rollstuhl, ich hinter ihr und mein Vater nochmal hinter mir. Sie hatte eingefallene Wangen, sie sah Dad in seinem jetzigen Zustand so ähnlich. Durch die vielen Therapien waren ihre blonden Haare nicht mehr echt. Doch sie lächelte.
Das nächste Bild zeigte mich, wie ich traurig auf einen Sarg sah, auf dem viele Blumen, Schleifen und Grüße hingen. Man sah ein Sonnenblumen-gelbes Tuch auf dem Ich liebe dich Mama draufstand. Das Gelb der Sonnenblumen war schon immer ihre Lieblingsfarbe. Sie war eine fröhliche Frau gewesen, hatte immer an das positive im Leben gedacht. Doch sie schockierte uns alle, als sie uns eines Abends auf das kleine, gelbe Sofa rief. Ich erinnere mich als wäre es gestern.
"Bianca mein Liebling, Pietro mein Schatz, ich muss euch etwas sagen." meinte meine Mutter, und ihre Stimme klang traurig. Sie trug ihr Lieblingskleid, es war blau und gelb kariert. Es war mitten im Sommer. "Ich war heute nochmal beim Arzt. Ich habe Leukämie." gestand sie uns.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, was Leukämie war. Man hörte ab und zu im Fernseh davon, doch sonst nie. Ich verstand nie, warum meine Mama diese schlimme Krankheit hatte, sie war eine der reinsten Personen dieser Welt. Genau wie mein Papa, welcher mir vor einem Jahr sagte, dass er Lungenkrebs hatte. Er rauchte seitdem ich denken konnte. Als er es mir sagt, zersplitterte meine ganze Weltansicht.
Er war immer wundervoll, hat mich immer in den Arm genommen, ohne dass ich ihm sagen musste, dass ich eine Umarmung brauchte.
Es war nie jemand da, der die Scherben aufsammelte, nicht einmal meine Tante Marta schaffte dies. Ich hatte noch nie einen Freund, was vielleicht auch der Grund war, warum ich so scheu auf Harry's Berührung reagiert habe. Ich trauerte jahrelang um meine Mutter, und jetzt trauerte ich um meinen Vater. Ich hatte mich so mit meinen Eltern beschäftigt dass ich keine Zeit für so etwas hatte.
Natürlich hatte mein Vater eine Chance auf Heilung, er wartete gerade auf seine neue Lunge, doch die Zeit ran davon. Niemand machte uns Hoffnungen, dass man eine gesunde Lunge einem Raucher geben würde, der seine eigene Lunge schon zerstört hatte.
Seufzend strich ich über ein Foto meiner Eltern, welches ich vor 8 Jahren mit meiner neuen Digitalkamera geschossen hatte. Sie lächelten, waren glücklich. Sie würden im Jenseits weiter miteinander glücklich werden. Das wusste ich. Ich wandt mich von den Bildern ab und nahm den Schlüssel für den Briefkasten von dem Wohnzimmertisch und holte die Post rein. Rechnungen, zurück geschickte Bewerbungen und einige Mahnschreiben. Ich strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Ich durfte dieses Bewerbungsgespräch auf keinen Fall verhauen.

Maid »Wird überarbeitet« || Zayn Malik FanFiction ||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt