Aurora
Verschlafen lief ich zur Trainingsstunde. Amelia neben mir redete über irgendetwas, aber ich hatte keine Energie, um zuzuhören. Die letzten Wochen hier hatten mich erschöpft.
«...nicht wahr?», sagte sie und schaute mich an. Ich hatte keinen Plan über was sie sprach. «Mhm» antwortete ich ihr deshalb.
«Aurora, was ist nur los?», fragte sie mit einem Lachen. Ich sah sie entschuldigend an.
«Tut mir leid», antwortete ich.
«Aber ich bin heute einfach so müde.»
Der Rest des Weges verlief schweigend. Ich fühlte mich schlecht, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte.Beim Trainingsplatz lief ich meine Runden und ging danach wieder in die Mitte des Platzes, wo sich die schnellsten Läufer schon versammelt hatten. Jeden Tag waren es weniger, welche sich schon dort befanden, bevor ich ankam. Jeden Tag wurde ich besser.
«Heute beschäftigen wir uns wieder mit eurem Amber.»
Von überall kam freudiges Rufen herbei. Alle freuten sich, wieder damit zu trainieren. Alle ausser ich.
Ich stöhnte auf. Nicht schon wieder! Auch wenn ich in fast allen Dingen schnell immer besser wurde, das Amber gehörte nicht dazu. Ich konnte diese Kraft einfach nicht kontrollieren! Egal, wie sehr ich mich auch konzentrierte, ich schoss einfach willkürlich in der Gegend rum. Es war äusserst frustrierend. Ich wusste nicht, was ich machen sollte.
Unsere Lehrer und auch Amelia sagten mir immer wieder: Du musst es fühlen, Aurora. Was genau sollte ich mir bitte sehr darunter vorstellen? Also schoss ich einfach weiter in die Luft, weit davon entfernt, das zu treffen, was ich eigentlich treffen wollte und hoffte einfach, dass die Lektion bald vorüber war.Nach dem Abendessen holte mich Amelia ab. Sie hatte mir gesagt, dass sie Abenddienst hatte. Ich wusste nicht, was das bedeutete, aber als sie mich fragte, ob ich mitkommen wollte, erklärte ich mich gerne bereit dazu.
«Also, was machen wir jetzt genau?», fragte ich sie, als wir in die Richtung liefen, wo die Krankenstation war. Ich strich mir mit meinen Händen über die Arme, um etwas an Wärme zu gewinnen, da ich vergessen hatte, einen Pullover anzuziehen.
«Ein gutes Stück hinter der Krankenstation hat es einen Stall. Und abwechslungsweise müssen wir da alle mal mithelfen.»
«Wirklich?», fragte ich erstaunt. Eigentlich war es ziemlich dumm von mir, dass es mich so erstaunte. Was hatte ich denn das Gefühl gehabt, woher die Milch und die Eier kamen?«Warum machst du so ein freudiges Gesicht?»
Tatsächlich hatten sich meine Mundwinkel nach oben gezogen.
«Ach, nichts. Es ist nur... wir hatten früher auch einen Stall, wo ich mich um die Tiere gekümmert habe und ich erinnere mich nur gerade an diese Zeit zurück.»
Eigentlich war es noch viel mehr als das gewesen. Dass ich nun und in Zukunft in einem Stall mithelfen konnte, liess etwas von meiner früheren Routine in den Alltag fliessen. Das liess mich an Zuhause denken. Aber nicht an ein zerstörtes Zuhause, sondern an das vorher. Als alles noch normal gewesen war.Schon von weitem konnte ich erkennen, dass dieser Stall viel, viel grösser war als den, den wir gehabt hatten.
«Müssen wir den ganzen Stall selber reinigen?», fragte ich erschrocken.
«Nein, nein, keine Angst.», sagte sie lachend.
«Es helfen noch andere mit und es gibt auch nicht nur Abend-, sondern auch Morgen- und Mittagsschicht.»
«Ach so», murmelte ich peinlich berührt. Was hatte ich auch das Gefühl gehabt, dass wir solch einen riesigen Stall alleine reinigen mussten?Als mir wieder der altbekannte Stallgeruch in die Nase stieg, schloss ich für einen Moment meine Augen. Es fiel mir schwer, gerade nicht zu glauben, dass ich nicht in unserem alten Stall stand. Zum Glück war es hier relativ warm und so war es nicht weiter schlimm, dass ich vergessen hatte, mich wärmer anzuziehen.
In den vorderen Teilen waren einige schon eifrig damit beschäftigt, die Ställe zu reinigen und Futter zu geben. Wir liefen den schmalen Gang ganz nach hinten. Dort befanden sich vor allem Kühe und auch noch einige Hühner.
«Ich würde sagen, dass wir zuerst die Ställe reinigen und danach die Tiere melken?», fragte mich Amelia.
Ich nickte und wir legten los.

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Amber - Das Erwachen
FantasyNach dem Überfall auf ihr Haus wird Aurora ins Lager der Amalintas - der Beschützer der Welt - gebracht. Es stellt sich heraus, dass Auroras Blut, genau wie das Blut der Amalintas, die Farbe von Bernstein hat, was ihnen übernatürliche Kräfte verleih...