Kapitel 41

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Aurora

Es dauerte eine ganze Weile, ihm die ganze Geschichte zu erzählen. In der Zwischenzeit ging Elija weg unter dem Vorwand, einen Spaziergang zu machen. Aber ich glaubte, dass er uns einfach ein bisschen Privatsphäre lassen wollte.
Wobei es mir nichts ausgemacht hätte, wenn er geblieben wäre.

Nachdem ich fertig war mit Erzählen, blickte mich Aren erst einmal starr an. Er war immer noch sehr schwach und etwas benommen und so sagte er leise, während er sich mit dem Rücken an der Höhle abstützte:
«Und du glaubst ihm das alles? Einfach so?»
«Er ist mein Bruder, warum sollte ich ihm nicht glauben?», fragte ich ihn verwirrt.
«Aurora, du warst ein Kleinkind, als er in die andere Welt geschickt wurde. Du kannst dich nicht an ihn erinnern. Deinen Erzählungen nach zu urteilen scheint er voller Wut und Hass zu sein. Ich weiss nicht, ob ich ihm vertrauen würde.»
Nun wurde ich, obwohl ich mir immer noch etwas Sorgen um Aren machte, wütend.
«Er ist mein Bruder, wir sind eine Familie. Was spielt es für eine Rolle, ob ich ihn schon lange kenne?»
Nun wurde meine Stimme wieder sanfter.
«Aren, ich habe geglaubt, dass niemand aus meiner Familie mehr lebt. Und nun habe ich herausgefunden, dass das nicht stimmt. Ich habe noch jemanden.»
Er hatte immer noch nicht ganz aufgegeben.
«Er hat gerade, nur weil der Ragonok seinen Auftrag nicht erfüllt hatte, ihn direkt umgebracht.»
«Der Ragonok ist dafür verantwortlich, dass du fast gestorben wärst. Wenn er ihn nicht umgebracht hätte, hätte ich es an seiner Stelle getan.»
«Aurora, er will die ganzen Menschen unterwerfen und leiden lassen, weil ihm unrecht zugefügt worden ist. Und überhaupt, was haben ihm die Menschen angetan?»
«Die Menschen haben falsch gehandelt. Sie hätten es niemals wagen dürfen, Merandus zu widersprechen. Sie waren viel schwächer und was mit ihnen geschieht, ist gut so.»
«Wäre das Tor nicht geschlossen worden, hättest du selber kein Amber in dir.»

Ich verstand nicht, warum er mir wiedersprach. Sah er denn nicht, dass mein Bruder recht hatte?

«Ja, das wäre vielleicht auch besser so gewesen. Als Strafe. Aber nun stehen die Dinge so, wie sie stehen. Und nun kann ich meinem Bruder dabei helfen, die Menschen zu unterwerfen. Dass ihnen ihr Amber entzogen worden ist, ist eine viel zu milde Strafe. Und überhaupt, warum bist du nicht auf meiner Seite? Die Menschen sind grauenhaft, Meister Kontu wollte mich umbringen. Sie alle wollten mich umbringen, nur, weil sie mich nicht kontrollieren konnten. Nur, weil ich viel mächtiger bin als sie. Es ist nur fair, dass er den Tod bekommen hat.»
Auch wenn Aren immer noch schwach war, stand er nun aufgebracht auf.
«Siehst du es denn nicht? Es ist eine Lüge! Das alles ist eine Lüge! Dein Bruder will dich nur ausnutzen. Er weiss, was du für starke und besondere Kräfte hast.»
Nun stand auch ich auf.
«Wie kannst du es nur wagen, so über meinen Bruder zu sprechen?», zischte ich.
«Nimm das sofort zurück!»
Nun trat Aren einen Schritt auf mich zu.
«Nein, das werde ich nicht. Weil es ist die Wahrheit. Und überhaupt, Aurora, wenn du auf der Seite deines Bruders, auf der Seite von Merandus bist, dann erinnere dich an eines: Hätten sie ihren Willen durchgebracht, ohne dass die Erde ihnen widersprochen hätte, dann würde es mich nun nicht mehr geben. Ich, ein kleines Kind, wäre ermordet worden, wie auch schon meine Mutter und wahrscheinlich auch mein Vater, getötet worden waren.»
Ohne auch nur zu zögern, sagte ich.
«Das hättest du auch sollen. Dein Vater und deine Mutter haben gegen die Regeln verstossen, sie wussten, dass es Konsequenzen geben würde.»
Nun trat Aren einen Schritt zurück und blickte mich schockiert an.
«Du... du hättest gewollt, dass ich sterbe? Dass wir uns nie kennengelernt hätten?»
Ich blickte ihm starr in die Augen.
«Ja, das hätte ich gewollt. Aren, Regeln sind Regeln. Man kann sie nicht ohne Konsequenzen brechen.»
«Aurora, das bist nicht mehr du», sagte er leise.
«Doch, das bin ich sehr wohl. Du irrst dich. Vorher war ich das trauernde Mädchen gewesen, ohne eine Familie. Und nun habe ich eine. Ich habe noch eine Familie
Als er mich weiterhin geschockt ansah, fügte ich verächtlich hinzu:
«Ich glaube, du bist nur neidisch auf mich. Darauf, dass ich nun eine Familie habe und du nicht. Und nun realisierst du, dass ich dich nicht mehr brauche.»

Amber - Das ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt