Kapitel 24

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Aurora

Kurz darauf verliess auch ich seine Hütte. Wir hatten eigentlich nur noch besprochen, wann und wo wir uns morgen treffen würden. Ich machte mich auf den Weg, um die anderen beim Mittagessen zu suchen, nachdem ich noch schnell bei meiner Hütte halt gemacht hatte, um mir eine Jacke zu holen.
Jeden Tag gab es an einem langen Tisch ein Buffet mit verschiedenem Essen. Es war ziemlich gut, aber oft sehr ähnlich. Meistens gab es Hirsch- oder Rehfleisch Gemüse und Eier; alles Dinge, welche man im Wald jagen oder selber anpflanzen oder anbauen konnte. Mit meinem beladenen Teller schaute ich umher, um sie zu finden. Ich entdeckte sie und lief zu ihnen. Neben Aren und Amelia waren auch Miya, Fynn und Shawn da. Auf dem Weg hörte ich, wie über mich gesprochen wurde. Ich hörte nur Wortfetzen wie «getötet», «umgebracht», «warum noch hier».
Augenblicklich verkrampfte ich mich. Schweigend setzte ich mich an den Rand neben Aren.
«Und, wie lief es bei Meister Kontu?», fragte mich Amelia.
Ich begrüsste die Ablenkung.

«Gut, er hat gesagt, dass er mich ab jetzt trainiert und ich konnte mich bei Benjamin entschuldigen. Das ging sogar erstaunlich gut.»
«Ja, das kann ich mir vorstellen. Benjamin war noch nie so ein ernster Typ, der nicht verzeihen kann und immer allein ist.»
Dabei schaute sie und automatisch auch ich Aren an. Er verschluckte sich fast an einem Stück Fleisch und schaute uns finster an.
«Ich weiss nicht, was Aurora in dir sieht.»
Amelia streckte ihm daraufhin die Zunge raus. Beruhigend berührte ich seine Hand, zog sie dann aber wieder zurück. Ich dachte daran, was Amelia mich gefragt hatte. Er schaute mich kurz an und schien zu überlegen. Als ich zu Amelia blickte, zog sie nur die Augenbrauen nach oben.
Dann wurde es still. Ich blickte zu den Anderen am Tisch. Sie waren sehr ruhig und blickten mich nur manchmal kritisch und etwas ängstlich an.
Sie fürchten sich vor mir.
An den anderen Tischen konnte ich nun deutlicher hören, was sie sagten.
«Ich finde, sie sollte das Lager verlassen. Sie ist viel zu mächtig und ich will nicht die Nächste sein, die sie umbringt.»
Sie versuchten nicht einmal, leise zu sprechen. Krampfhaft versuchte ich, sie auszublenden.
«Sie meinen es nicht ernst», sagte Amelia mir.
Aber ich war mir da nicht so sicher. Ich stand auf.
«Ich glaube, ich geh dann mal.»
Und etwas leiser murmelte ich:
«Ich bin hier nicht erwünscht.»
«Warte!», sagte Aren und stand nun ebenfalls auf.
«Hört mal alle zu!», rief er laut.
Augenblicklich verstummten alle Gespräche. Langsam setzte ich mich.
«Was fällt euch eigentlich ein, so über Aurora zu sprechen? Sie ist eine von uns und es ist nicht ihre Schuld, was passiert ist. Wenn, dann ist es meine. Ich habe sie sehr aufgebracht und dann ist sie einfach explodiert. Es wäre jedem passiert, der seine Kräfte noch nicht lange kennt. Ihr seid schon euer ganzes Leben lang darauf trainiert worden, sie zu beherrschen. Und ohne den Unfall hätten wir nie herausgefunden, was für eine wunderbare Begabung sie hat. Ich will nie wieder ein schlechtes Wort über sie hören, oder ihr bekommt es mit mir zu tun.»
Drohend blickte er in die Runde. Doch alle schwiegen nur und sahen ihn mit grosser Furcht an. Er setzte sich wieder.
«Tut mir leid, ich weiss, dass du dich selbst verteidigen kannst, aber sie regten mich einfach so auf.»
Doch ich flüsterte nur «Danke» und lächelte ihn an.

Der Rest des Mittagessens verlief sehr schweigsam, aber mir war das nur recht. Gerade, als ich aufgestanden war, um mein Geschirr abzuräumen, kamen Miya, Shawn und Fynn auf mich zu.
«Hör zu», begann Miya zu sprechen, «wir wollten uns entschuldigen, dass wir dir gegenüber so feindlich waren. Wir kennen dich und wissen, dass du niemals jemanden absichtlich umbringen würdest, aber...»
«Schon okay», unterbrach ich sie lächelnd.
«Ich an eurer Stelle hätte wahrscheinlich auch nicht anders reagiert.»
Dankbar sahen sie mich an.

Am Nachmittag wollte ich mich schon für das Training umziehen, als Aren an meine Tür klopfte. Ich öffnete sie und sah ihn lächelnd an.
«Ich komme gleich, ich muss mich nur noch schnell umziehen», sagte ich, da ich dachte, dass er mich für das Training abholte.
«Nein, ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mit mir einen kleinen Spaziergang machen möchtest.»
«Spaziergang? Wohin?», fragte ich neugierig.
«Das wirst du schon sehen», sagte er geheimnisvoll und seine Augen leuchteten dabei golden.
«Aber wir haben doch Training», sagte ich zögernd.
«Dein Training beginnt erst morgen und ich bin sowieso viel besser als die Anderen.»
«Du denkst nicht wenig von dir selbst», sagte ich lachend.
Aber ich brauchte nicht weiter überzeugt zu werden, dazu war ich viel zu neugierig. Also folgte ich ihm nach draussen. Er wartete, bis ich die Tür abgeschlossen hatte und lief dann schnellen Schrittes in eine Richtung.
«Warte!», rief ich und holte auf.
«Komm schon, sag mir einfach, wohin wir gehen!»
«Wir sind keine zehn Schritte aus dem Haus und schon bist du unglaublich ungeduldig», sagte er tadelnd. Seine Mundwinkel waren leicht nach oben gezogen.
«Von mir aus, ich nerve dich nicht mehr damit.»
Keine zehn Schritte später fragte ich ihn, wohin wir gingen.

Amber - Das ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt