Kapitel 04

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Heather

Warum hatte ich mich bloß darauf eingelassen und diesem dämlichen Vorschlag zugestimmt? Unsicher guckte ich immer wieder auf die Bühne, welche sich direkt vor uns befand. Jeden Augenblick musste es soweit sein und das Grauen würde auf die Bühne treten. Und obwohl ich das wusste, war ich in keinster Weise bereit dafür.

»Hätten wir uns nicht weiter nach hinten setzen können?«, fragte ich ohne die Bühne auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Sicher war sicher.

»Warum, die Plätze sind doch gut?«, fragte Matt sichtlich verwirrt. Für meine Freunde war das hier alles ein großer Spaß. Für mich hingegen war es eine riesige Überwindung hier zu sitzen.

»Mir ist das einfach viel zu nah.«

»Ach komm schon Heath, so gut sitzt man selten. Von hier aus können wir alles gut sehen, die Akrobaten, die Pantomimen und auch die...« Abrupt hielt Ley inne und griff fast im selben Moment nach meiner Hand. »Oh Mist, daran habe ich überhaupt nicht gedacht«, sagte sie in einem reumütigen Ton. Ihre späte Erkenntnis half mir leider so überhaupt nicht. Jede Sekunde würden die Clowns auf die Bühne treten und die Show eröffnen. So stand es zumindest im Programmheft vom Circus Romanow, das ich schon an die zehnmal gelesen hatte. Der Zirkus war bekannt dafür keine Tiershows zu bieten und nur durch seine hervorragenden Artisten zu glänzen, was ich großartig fand. Noch besser wäre es allerdings, wenn sie die Clowns auch aus ihrem Programm gestrichen hätten. Ich hasste Clowns. Sie waren nicht lustig, sahen nicht lustig aus und erfüllten keinen Zweck außer den gruseligen Part in einigen Horrorfilmen zu übernehmen.

»Wieso hast du nicht vorher etwas gesagt?«, fragte Ley als gerade das Licht gedimmt wurde.

»Ich habe so oft gesagt, dass ich nicht mitkommen möchte, doch du hast einfach nicht lockergelassen falls du dich erinnerst«, gab ich leicht schnippisch von mir. Wenn ich Angst verspürte, mutierte ich gerne zur Zicke. Es war ein Reflex und eigentlich meinte ich in diesen Moment nie etwas wirklich böse, auch wenn es sich oft anders anhörte. Meine Abneigung gegenüber den merkwürdig geschminkten Gestalten kam nicht von ungefähr. Als Kinder waren Ley, Jim und ich mit unseren Eltern immer zum Stadtfest gegangen. Wir hatten alle jedes Mal super viel Spaß an dem Tag und freuten uns abends immer schon auf das nächste Jahr. Doch dann kam es zu einem Zwischenfall, der mich wohl irgendwie traumatisiert hatte. Ich war an der Hand meines Vaters über die große Grünfläche gelaufen, auf der das Stadtfest stattgefunden hatte und hatte mich darüber gefreut, dass ich ausnahmsweise mal Zuckerwatte hatte essen dürfen. Die Freude hatte allerdings nicht lange angehalten. Bereits als wir wenige Schritte vom Zuckerwattestand weggegangen waren, war ein Typ mit großen Schuhen, einer Pumphose, roter Nase und einem bundbemalten Gesicht auf uns zugekommen. Anfangs fand ich den unbekannten Mann noch ganz unterhaltsam, doch das hatte sich schnell geändert nachdem er mir meine Zuckerwatte weckgenommen hatte. Seine Begründung war gewesen, dass dieses süße Zeug gar nicht gut für Kinder wäre. Im Nachhinein betrachtet, hatte er damit sehr wahrschlich Recht. Nichtsdestotrotz konnte ich dieses unheimliche Grinsen auf seinem Gesicht beim besten Willen nicht vergessen. Und wäre das nicht alles schon zu viel des Guten für ein siebenjähriges Kind gewesen, hatte er mir auch noch ein verstümmeltes Ballontier vor die Nase gehalten und gemeint, dass nicht alle Tiere immer wunderschön aussehen würden. Während des ganzen Szenarios hatte ich Papas Hand keine Sekunde losgelassen und mich stattdessen noch enger an ihn gedrückt. Er hatte genau bemerkt, dass ich Angst hatte und den Mann sofort aufgefordert zu gehen. Allerdings hatte dieser nicht einsehen wollen etwas falsch gemacht zu haben. Das Ende vom Lied war ein Clown in Handschellen gewesen, der sich mit wüsten Beschimpfungen gegen die Polizeibeamten versucht hatte zu wehren. Dieses Ereignis hatte sich bis heute in mein Gedächtnis gebrannt und ich traute keinem einzigen Clown mehr über den Weg. Da half es auch nichts, dass Riley meine Hand weiterhin mit ihrer umschloss.

Zwischen uns das WirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt