Kapitel 06

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Heather

»Du siehst überrascht aus mich zu sehen«, stellte mein Bruder Louis fest als ich unsere Wohnungstür öffnete. In der einen Hand hielt er alle Teile von High School Musical während die Finger seiner anderen Hand die Packung mit dem Mikrowellenpopcorn umklammerten. Sofort erkannte ich, dass es sich dabei um meine Lieblingssorte handelte. Karamelpopcorn schmeckte einfach nur köstlich. Ich verstand nicht, wie andere lieber salziges Popcorn essen konnten. Wo war da der gute Geschmack? Seine Beine steckten in einer schwarze Jogginghose und passend dazu trug er ein ebenfalls schwarzes Shirt. Seine blonden Haare standen in alle Richtungen ab. Vermutlich waren die Finger seiner Freundin - so wie sonst auch - viel zu oft hindurch gefahren oder er hatte sich vor seinem Besuch noch einmal hingelegt. Ich vermutete allerdings, dass eher ersteres der Fall gewesen war. Seit er und Sophia zusammenwohnten, konnten sie noch weniger die Finger von einander lassen als zuvor. Doch ich beschwerte mich nicht darüber, solange ich nicht Zeugin von ihrem Liebesbekundungen wurde.

»Hat Dale dich zu sehr abgelenkt?«, fragte mein Bruder süffisant und sofort fühlte ich mich weniger schuldig dafür, dass ich unseren gemeinsamen DVD-Abend vergessen hatte. Das Kochen und unser Schweigen während der ganzen Vorbereitung hatten meine Gedanken dermaßen vereinnahmt, dass ich nicht mehr daran gedacht hatte, dass Louis heute vorbeikommen wollte. Dabei trafen wir uns jeden Montag, um uns irgendwelche Filme anzusehen. Meistens kannten wir beide diese zwar schon, doch uns ging es nicht in erster Linie um die Filme, sondern darum Zeit gemeinsam zu verbringen.

»Halt die Klappe.« Genervt trat ich zur Seite, um ihn hereinzulassen. Auf dem Weg in die Küche erzählte ich Louis von meiner kleinen Kochaktion. Dabei erwähnte ich aber mit keinem Wort Dales und mein Gespräch, bei dem mein Bruder uns unterbrochen hatte. Er würde nur wieder irgendeinen Spruch fallen lassen und mehr hineininterpretieren als es tatsächlich bedeutet hatte.

In der Küche guckte Dale gerade durch die Scheibe des Ofens und kontrollierte wie weit unser Essen war. Er drehte sich zu uns herum und entdeckte meinen Bruder hinter mir. Ich konnte nicht erkennen wie mein Bruder darauf reagierte Dale zu sehen, doch der Gesichtsausdruck meines Mitbewohners veränderte sich kein Stück. Dales Züge waren immer noch entspannt und es machte nicht den Anschein, dass mein Bruder ihm hinter meinem Rücken irgendwie drohen würde. Zugegeben eine solche Reaktion von Louis hätte mich gewundert, gerade in Anbetracht seines vorherigen Kommentars.

»Scheint so als ginge es deiner Nase und dem Auge wieder gut«, stellte Louis fest und ich hörte genau, dass er versuchte ein Lachen zu unterdrücken. »Jep, alles verheilt. Wie sieht es mit deiner Hand aus?«, fragte Dale und reckte neugierig den Hals, um an mir vorbei spähen zu können. Irritiert drehte ich mich zu meinem Bruder und erkannte wie er seine rechte Hand in die Höhe streckte und mit den Fingern wackelte ehe er antwortete. »Als wäre nichts passiert.«

»Wovon sprecht ihr?«, wollte ich von den Beiden wissen. Für mich hörte es sich so an als müsste man irgendein Insiderwissen haben damit man wusste wovon sie redeten. Und ganz offensichtlich hatte ich dieses Wissen nicht. »Dein Bruder hat mir eine reingehauen«, erklärte Dale trocken und klang dabei so gleichgültig, dass ich ihn einfach nur mit großen Augen ansehen konnte. »Ich glaube übrigens, dass wir die Hähnchenpfanne aus dem Ofen holen können.«

»Moment, du hast ihn geschlagen?« Ich zeigte erst auf Louis und anschließend auf meinen Mitbewohner, der gerade den Ofen ausstellte und es anscheinend ganz normal fand, dass mein Bruder ihn verletzt hatte. »Er hat dir das Herz gebrochen und dich zum Weinen gebracht. Es war also meine Pflicht«, war seine einfache Erläuterung. »Gewalt ist doch keine Lösung«, beschwerte ich mich und konnte einfach nicht verstehen, dass mein Bruder zu solch einem Mittel gegriffen hatte. Keine Frage Dale hatte mich verletzt, aber das legitimierte doch keine Gewalt.

Zwischen uns das WirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt