Kapitel 11

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Heather

»Willst du darüber reden, was mit dir los ist?«, bot meine beste Freundin mir auf dem Weg zu den Baumstämmen an, die als Sitzmöglichkeiten dienen sollten. Irgendjemand hatte sie in einem sicheren Abstand um das große Feuer herum drapiert und mit bunten Decken versehen. Wie jedes Jahr waren auch heute wieder zahlreiche Studenten zum Bonfire erschienen. Dieser Abend hatte eine lange Tradition in Rangehill. Jährlich am zweiten Samstag im September trafen sich fast alle etwas außerhalb der Stadt auf dem Parkplatz zum angrenzenden Wald, machten ein großes Feuer und feierten ausgelassen. Jeder war zu dieser Feier herzlich eingeladen, auch wenn hauptsächlich nur junge Leute erschienen. Nichtsdestotrotz freute sich so ziemlich jeder auf diesen Tag. Es gab Marshmallows, Bratwurst und reichlich Alkohol, den die meisten eigentlich noch gar nicht konsumieren durften. Wirklich interessieren tat das aber niemanden solange man keinen Mist baute.

Gekrönt wurde der Abend mit einem besonderen Brauch, bei dem man sich symbolisch von einem Teil seines Lebens verabschiedete. Dafür brachte jeder, der wollte, einen nicht allzu großen Gegenstand mit, der diesen Teil des Lebens repräsentierte und warf ihn im Laufe des Abends ins Feuer. Dabei spielte es keine Rolle, ob es sich um Fotos, Briefe oder anderes Zeug handelte, der einen an etwas erinnerte mit dem man gerne abschließen wollte. Mein Bruder hatte mir einmal erzählt, dass er jedes Mal während seiner Collegezeit zusammen mit seiner Freundin hergekommen war. Und auch wenn es mich neugierig machte, was er in der Vergangenheit so verbrannt hatte, hatte ich ihn nie danach gefragt.

»Ich habe bei Dale im Bett geschlafen«, platzte es aus mir heraus. Mich verwirrte diese Aktion vom letzten Wochenende immer noch. Ich wusste nicht, was an dem Abend in mich gefahren war. Die Worte waren einfach aus meinem Mund gepurzelt und ehe ich mich versehen hatte, hatte ich mich auch schon an ihn gekuschelt. Das war überhaupt nicht gut. Es hatte sich vielleicht so angefühlt, doch das bedeutete nicht, dass es auch der Tatsache entsprach oder gar noch einmal vorkommen würde. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Diese Frage stellte ich mir seit fast einer Woche ständig und bisher hatte ich keine Antwort darauf gefunden. Klar, meinem Dad ging es nicht gut und die irrationale Panik hatte meine Gefühlswelt kräftig durchgewirbelt, aber konnte es wirklich so einfach für Dale sein sich wieder in mein Herz zu schleichen? Immerhin waren seit unserer unfreiwilligen WG-Gründung gerade einmal zwei Wochen vergangen. Man sollte annehmen, dass das viel zu wenig Zeit war, um sich wieder auf eine gewisse Art und Weise verbunden zu fühlen. Darüber hinaus hatte ich nicht sofort nach dem Aufwachen sein Bett verlassen, sondern hatte es mir gemütlich gemacht während er im Badezimmer war. Eigentlich wäre es der perfekte Zeitpunkt zum Aufstehen gewesen, doch ich war liegengeblieben und erneut eingeschlafen. Sein Duft hatte mich umhüllt, wie ein Kokon und mein Herz hatte mir signalisiert, dass ich mich am richtigen Ort befand. Es war komplett surreal. Nachdem, was alles vorgefallen war, hätte ich damit gerechnet, dass es lange dauern würde bis ich keine immense Wut und Enttäuschung mehr in seiner Gegenwart verspüren würde. Aber aus irgendeinen, mir unempfindlichen Grund waren beide Empfindungen bereits schwächer geworden. Es war nicht so als wären sie vollkommen verschwunden, aber die Veränderung überraschte mich und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Wir hatten weder über diese Nacht geredet, noch war es anschließend zu irgendeiner peinlichen Situation gekommen. Wir hatten einfach ganz normal weitergemacht.

»Du hast in Dales Bett geschlafen?«, fragte Riley verwundet und genau in dem Moment tauchten ausgerechnet Jim und Matt neben uns auf. Beide trugen ein schwarzes Shirt ihrer Lacrosse-Mannschaft, welches sie gegen ihre Trikots vom vorherigen Spiel getauscht hatten und auf denen deutlich ihre Spielnummer und Name zu erkennen war. Soweit ich mitbekommen hatte, spielte heute zeitgleich zum Lacrosse-Team, auch unsere Handballmannschaft und ich ging davon aus, dass auch sie jeden Augenblick beim Bonfire auftauchen würden. Mein Herz machte einen kleinen Satz bei dem Gedanken daran. Dale würde mit Sicherheit unter ihnen sein und ein Teil von mir freute sich unheimlich darauf ihn zu sehen, jedoch versuchte ich diesem Teil nicht allzu viel Bedeutung beizumessen und wandte mich stattdessen Riley zu. Erwartungsvoll beobachtete sie mich nachdem sie mehrmals mit ihrer Schulter gegen meine gestoßen hatte, um mich aus meinen Gedanken zu reißen.

Zwischen uns das WirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt