Aswang Teil 3

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Isa

Ich bin müde. So müde, dass ich nicht mitbekommen habe, seit wann ich wieder in meinem eigenen Bett liege, noch, dass ich weiß, wie lange ich geschlafen habe. Es könnte auch sein, dass die Traurigkeit mich müde macht, oder macht die Müdigkeit mich depressiv? Ich hatte noch nie eine Fehlgeburt gehabt, deshalb kenne ich es nicht, wie ich mich gerade fühle- im Grunde genommen, fühle nicht viel, da ich ja dauernd schlafe. Und schlafe, und schlafe. In den Zeiten dazwischen bin ich einfach leer. Manchmal streicht Bill mir über das Gesicht oder gibt mir etwas zu trinken. Vielleicht wechselt er auch meine Einlagen, oder mein Toilettengang passiert schlafwandelnd. Vielleicht ist auch nicht so viel Zeit vergangen, wie ich vermute, als Bill mich schließlich weckt.

„Isa...", flüstert er, immer wieder, bis ich die Augen aufschlage und vor seinem Anblick erschrecke.

Vor mir sitzt eine alte Frau, sie nimmt sanft meine Hand. Wenn sie nicht nach Bill riechen würde, würde ich sie ihr sofort wieder entziehen, aber mein Geist arbeitet schon fast wieder im Normalmodus und ich erinnere mich, dass Bill erwähnt hat, dass er ein Formwandler sei. Trotzdem fühlt es sich merkwürdig an, die Hand einer unbekannten, alten Dame zu halten, und ihr trauriger Blick lässt mich noch mehr erschrecken.

„Ich muss mit dir reden, tut mir leid, dass ich dich geweckt habe", raunt die Greisin, mit der ich bis zur Besinnungslosigkeit gevögelt habe- nur nicht weiter darüber nachdenken!

Denn ein anderer Gedanke überschattet das komische Gefühl, trotz allem will ich nicht, dass Bill mich verläßt. Ich komme hoch und umarme ihn, spüre, wie mir schon wieder die Tränen in die Augen schießen.

„Verdammt", flüstere ich. „Wie lange hab ich geschlafen?"

„Anderthalb Tage. Ich hätte dich noch länger schlafen lassen, aber ich habe ein Problem. Etwas, was ich bisher noch nicht mit dir besprechen konnte", antwortet er/sie mit krächzender Stimme.

Die alte Frau räuspert sich und streicht mir zärtlich über den Rücken. Sie fährt fort: „Ich musste Bill verschwinden lassen, sie rücken mir mehr und mehr auf die Pelle. Unsere Nachbarin denkt, Bill wäre über Nacht abgehauen und hätte dich in deiner schlimmsten Zeit verlassen, ich denke, sie mag ihn nun weniger. Ich habe mich ihr als deine Tante Ethel aus Maine vorgestellt. Jemand muss sich ja um dich kümmern, da du keine anderen Verwandten hast", schließt mein dämonischer Lover krächzend.

Ja, dass Thema macht mich wirklich traurig. Vor Bill war ich die einsamste Person der Welt. Familie habe ich nicht mehr, denn meine Eltern waren ein wenig gaga gewesen. Sie hatten fest daran geglaubt, im Dschungel des Amazonas Erleuchtung zu finden, sprich, Außerirdische, die sie erleuchten würden. Seitdem ich Fünfundzwanzig war, hatte ich nichts mehr von ihnen gehört und vermute, dass sie im Dschungel umgekommen sind. Meine Version, die ich anderen Menschen erzähle, ist aber der allseits beliebte Autounfall, denn ich will nicht, dass die Leute denken, ich sei genauso schräg. Als meine Eltern mich mit acht Jahren hatten opfern wollen, wurde ich gerettet und in eine Pflegefamilie gegeben, die aber genauso fanatisch religiös war, nur auf andere Art und Weise. Sodass ich immerzu weg gelaufen bin, von Heim zu Heim gereicht, bis meine Eltern scheinbar rehabilitiert waren. Mit Vierzehn schickten sie mich zu ihnen zurück, nur, um mit Achtzehn zu hören, dass nun die Zeit reif wäre, mit zum Amazonas zu pilgern. Daraufhin hatte ich mich von ihnen abgewandt, war quer durch die USA getrampt und mich weit entfernt von ihnen nieder gelassen. Das sie verschwunden waren, wußte ich aus der Lokalzeitung meiner Heimatstadt, in der ich auch erwähnt wurde. Ich hatte mich wohl dort melden müssen, wegen dem Haus, dessen einziger Erbe ich wohl war, aber ich habe es nie getan.

„Entschuldige", raunt Bill und unterbricht meine Gedanken. „Aber wenn du mit mir leben möchtest, musst du dich daran gewöhnen, dass wir uns nirgendwo wirklich niederlassen können."

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