Tag 2
Ich habe Adrian gebeichtet, dass er mich davon abgehalten hat, mit einem Fremden anzubändeln. Er verurteilt mich nicht dafür, wie Berit es gerne tut, sie meint, irgendwann würde ich mal an den Falschen geraten und tot im Maisfeld liegen. Tatsächlich habe ich es auch schon im Maisfeld getan! Berit selbst läßt sich ab und zu von meinem Vater begatten, sie steht total auf Daddys. Jedoch mag Papa sich auch nicht mehr fest binden und so ist sie dauergefrustet, weil er sie seit fünf Jahren auf Abstand hält.
Am Morgen habe ich den Kater meines Lebens, als ich ins Institut radele. Berit ist schon da, sie arbeitet bei uns im Büro und Papa und sie haben mal wieder ihren unschuldigen „da- ist- nix-gewesen" Blick drauf, den sie immer haben, wenn sie mal kurz oben verschwunden gewesen waren. Das Institut liegt im Erdgeschoß meines Elternhauses.
„Du siehst müde aus. Hat dich sehr mitgenommen, gestern, oder?" fragt Papa, der gerade einen Sarg auslegt.
„Ja." seufze ich. „Eine Tragödie. Warum hast du den jungen Kerl zu mir geschickt?"
„Er wollte wissen, wer das Meisterwerk vollbracht hat. Wir brauchen ein bisschen Werbung, Tilda."
„Wenn du meinst." murmele ich.
Papa richtet sich auf, schaut mich ernst an und sagt:
„Ich weiß, dann muss ich wieder jemanden einstellen und das magst du nicht. Aber wir brauchen mehr Kundschaft, sonst kann ich euch bald gar nicht mehr bezahlen. Deine Materialien sind zu teuer, sagt Berit."
Ich entgegne:
„Deshalb nehme ich ja auch kein richtiges Gehalt von dir, sondern nur Taschengeld, um zu leben, Papa. Und meine Miete zu bezahlen. Und Berit arbeitet auch für fast umsonst. Schlag endlich die Preise auf. Heutzutage wird dir nichts mehr geschenkt."
Er nickt, doch ich weiß, dass er es nicht tun wird. Berit schaut auf, obwohl man im Büro nicht wirklich hören kann, was im Verkaufsraum los ist, auch, wenn die Tür aufsteht. Ich gehe zu ihr und sie umarmt mich.
„Ach, Püppi." murmelt sie. „Hast du hoffentlich aufgepasst?"
Natürlich kennt sie mich gut und nimmt an, dass ich gestern wieder jemanden aufgerissen habe, dabei ist es immer genau umgekehrt. Ich lasse die Kerle gern in dem Glauben, dass sie mich abschleppen!
„Ich hab's nicht getan." murmele ich.
„Puh!" seufzt sie erleichtert. „Mein Angebot steht aber, hm? Ruf mich jederzeit an, wenn du reden willst. Oder ich dich von nem Typen abholen soll, der dir unheimlich geworden ist."
„Ich weiß. Danke, Liebste. Ich muss nach hinten, Arbeit wartet." erkläre ich und als ich an Max's Sarg vorbei gehe, lege ich kurz die Hand drauf. „Mach's gut, Kleiner." seufze ich.
Der Sarg wird am Nachmittag von unserem Fahrer weg gebracht, da am nächsten Tag die Beisetzung sein wird, mit der wir nichts mehr zu tun haben. Ich überlege allerdings, ob ich Adrian begleiten soll, der unschlüssig ist, ob er überhaupt gehen soll, doch er wäre es Max schuldig, hat er mir gestern Abend erklärt und die Feindseligkeit aller anderen auszuhalten, sei wohl seine gerechte Strafe. Ich habe natürlich versucht, es ihm auszureden! Als ich am Abend nach Hause komme, hat meine neue, gut aussehende Bekanntschaft aufgeräumt, abgewaschen und meine Pflanzen gegossen! Sich mit meiner neugierigen Nachbarin angefreundet, der er erzählt hat, er sei ein alter Schulfreund von mir, anscheinend ist ihr nicht aufgefallen, dass uns vier Jahre Altersunterschied trennen. Vielleicht gleicht es sich aus, ich werde ständig jünger geschätzt. Und was sind schon vier Jahre?
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Night Creatures
HorrorEine Sammlung von unheimlichen Geschichten, abstoßenden Kreaturen und Liebe.