Bad habits die hard 1

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Tag 1


Ich stehe hinter dem Vorhang im Flur zum Aufbahrungsraum, der nach alten Mottenkugeln riecht und bestimmt seit den Siebzigern nicht mehr gewaschen wurde. Und wieder einmal denke ich daran, dass ich es mal tun sollte, während ich das Geschehen im Nebenraum beobachte. Wie immer halte ich mich als Künstler im Hintergrund. Sehe, dass Papa sich suchend nach mir umblickt, obwohl er es ja nun langsam mal gewohnt sein sollte, dass ich nie dazu auftauche. Denn ich kann den Trauernden- lange hatte ich dafür gebraucht, dieses Wort zu benutzen, denn nicht alle trauern, wie ich meinem Vater entgegnet hatte, als er mir, als ich gerade mal sechs Jahre alt gewesen war, erklärt hatte, dass es keine „Kunden" wären- nicht in die Augen blicken. Wenn sie mich ansehen, befürchte ich, dass sie in meinem Blick erkennen, wie entsetzlich ihre Lieben entstellt gewesen waren, bevor ich sie hergerichtet habe. Natürlich sind nicht alle Toten entstellt, aber heute ist es besonders furchtbar. Der kleine Junge im Sarg ist erst fünf Jahre alt und ist bei Ankunft in unserem Institut kaum noch als menschlich zu erkennen gewesen. Ich habe ein Foto von ihm bekommen, so mache ich es bei allen Verstorbenen, auch, wenn sie noch unversehrt sind. Den kleinen Jungen habe ich genauso hingezaubert, wie er auf dem Bild zu sehen ist, aber ohne das herzliche Lachen. Dennoch habe ich seinen Lippen ein leichtes Lächeln aufgesetzt, seine Hautfarbe ist rosig, da sie nur aus Modelliermasse besteht. Sie klebt noch an meinen Handschuhen, denn ich bin gerade erst fertig geworden, als Papa gerufen hat, dass die Gäste da wären.

Die Trauernden.

Ich ziehe die Handschuhe aus und will mich abwenden, denn ich habe genug Trauer gesehen. Ich wollte ja nur sicher gehen, dass sie ihn wieder erkennen, nichts ist schlimmer, als einen Trauernden schockiert rufen zu hören: „Das ist nicht Mutter /Vater/ mein Mann/ meine Frau/ mein Kind!" 

Die Mutter des Jungen ist zusammen gebrochen und sitzt weinend vor dem Sarg, der Vater starrt auf den Jungen und mir krampft sich der Magen zusammen. Warum kann ich nicht wegsehen? Ich brauche heute Abend mehr als nur Alkohol! Kaum gedacht, sehe ich, wie ein junger, wunderschöner Kerl zum Sarg geht und das tote Kind anblickt. Seine dunklen Augenbrauen ziehen sich zusammen, er schaut, als könne er nicht begreifen, was er sieht. Nun, der Unfallfahrer wird wohl kaum hier auftauchen, denke ich, also ist er vielleicht der ältere Bruder des Jungen, obwohl der Altersunterschied bestimmt über fünfzehn Jahre sein muss. Der hübsche Dunkelhaarige dreht sich zu Papa um und fragt ihn etwas, ich seufze. Wahrscheinlich habe ich doch etwas vermurkst! Papa deutet auf den Vorhang, hinter dem ich ja immer noch warte, und dann kommt der Typ in meine Richtung. Uh! Schnell verschwinde ich im Kühlraum, kurz darauf klopft es. Ich schließe die Augen. Atme tief durch, dann öffne ich meine Augen wieder und laufe einmal um einen Tisch herum, bevor ich zur Tür eile. Ich öffne sie nur einen Spalt, immerhin ist dies Privatbereich! Warum Papa jemanden hierher schickt, ist mir schleierhaft. Uh, hat der Typ schöne Augen!

 Uh, hat der Typ schöne Augen!

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„Hallo. Sind sie Frau Zietlow?" fragt er sanft.

„Ja." antworte ich, trete durch die Tür und schließe sie hinter mir, sodass wir nun beide im kleinen Flur hinter dem Vorhang stehen.

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