Night Creatures

Bad habits die hard 10

Tag: keine Ahnung

Ich zähle sie nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr in der Form, natürlich habe ich einen Kalender und muss mit Daten arbeiten- Sterbetag, Beerdigung, Steuerberatung, Anhörung vor Gericht und so weiter, aber ich schreibe nichts mehr ins Tagebuch. Wozu auch? Das letzte Mal hat es ja auch nicht geholfen...es nur noch schlimmer gemacht, so ist das Tagebuch im Ofen gelandet, verbrannt mit einem übergewichtigen Banker, der beim Sex mit einer Prostituierten einen Herzinfarkt bekommen hat. Das ewige Leid, halt. Adrian ist immer noch auf der Suche nach seinem Bruder und ich habe Tim ziemlich gut angelernt, er ist bei seiner Mutter ausgezogen und lebt nun unter dem Dach. Zum Glück haben sie ihn ziemlich komplikationslos aus dem Polizeidienst entlassen. Mein neuer Azubi wartet sehnsüchtig darauf, dass sein Schatz nach Hause kommt und ich bete dafür, dass die beiden Anton Lügen strafen, dass der Rex sehr wohl den Brachio lieben kann! Was aber nicht bedeutet, dass ich Anton mit Kusshand zurück nehme! Oder doch?

Nein, Anton hat dem kleinen Pflänzchen Liebe in mir den Todesstoß versetzt und ich kann nicht mal mit meiner Therapeutin darüber reden, denn sie kapiert einfach nicht, was die Metapher mit dem T- Rex und dem Brachiosaurus wirklich bedeutet. Ich habe ihr erzählt, dass Anton mich in Polen betrogen hätte. Mehrfach. Eigentlich fast täglich. Das kommt dem wahren Grund schon ziemlich nahe- der ewige Jäger! Ich dagegen habe mein altes Hobby aufgegeben, bis auf meinen Freund, Mr. Velocibrator, darf niemand mehr in die heiligen Hallen vorstoßen. Nun, es ist ja auch gerade mal eine Woche her und meine Lust auf Sex so ziemlich abgeflaut, ich bin zum Workaholic geworden und nehme alle Aufträge an. Selbst die Kniffligsten, wie die Seniorin, die gerade vor mir liegt. Sie ist von ihrem Hund halb aufgefressen worden. Erst hat Tim sich übergeben, als ich angefangen habe, dass zerfetzte Gewebe glatt zu schaben, aber jetzt steht er staunend da und beobachtet, wie ich ihr mehr und mehr wieder einen Körper zaubere.

„Meinst du nicht, dass sie...naja, wozu braucht sie noch Brüste?" murmelt er.

Ich deute auf das Kleid, dass schon bereit hängt.

„Dafür. Ihre alte Flamme kommt morgen auch, hat ihr Sohn gesagt, also will ich ihm zeigen, was ihm durch die Lappen gegangen ist."

„Ist doch jetzt eh..." er stoppt, weil ich ihn giftig anfunkele.

„Okay!" grinst er und hebt die Hände. „Oh..." ruft er dann und läuft zu einer Leiche, in der noch Schläuche stecken.

„Jepp. Pass besser auf, sonst liegt da nachher nur noch ein verschrumpelter Luftballon." kichere ich, während er die Pumpe ausstellt und die Schläuche entfernt.

Es ist Sonntag, wir kommen ganz gut voran und es sieht so aus, als wenn wir am Nachmittag fertig sind, um was Schönes zu machen, wie „The Walking Dead" spielen oder „Death Stranding". Oder einen Horrorfilm gucken, ja bloß nichts mit Liebe! Zum Glück passt es mit Tim fast so gut, wie mit Adrian. Tim steht zwar nicht so auf „Just Dance!" und albernes Rumgehopse, aber Ballerspiele oder Adventures sind auch okay. Die lenken ihn super von seiner Sehnsucht nach Adrian ab, meint Tim. Bevor Anton das Weite gesucht hatte, war er bei den beiden Jungs hinein gerauscht, um sich zu verabschieden, und hatte sie beim Sex unterbrochen, ihr erstes Mal, die Armen.  Er hatte sie nackt auf dem Flokati liegen sehen und war abgerauscht. Adrian hatte sich erst anziehen müssen, bevor er hinterher konnte, und dann musste Tim auch noch seinen Wagen holen. Das Alles hatte Anton vier Stunden Vorsprung verschafft, und wir haben keinen Schimmer, wo es ihn hingezogen hat. Adrian ist jedoch davon überzeugt, dass sein großer Bruder irgendwann bei seinen Eltern auftauchen wird. Ich seufze schwer, weil ich schon wieder an Anton denke, ohne es zu wollen! Und es reicht doch schon, dass ich dauernd Albträume habe! Mal kille ich ihn in der Badewanne, mal er mich im Bett oder er schneidet mich auf einem Präpariertisch auf. Oft genug haben wir Sex und jedesmal rufe ich meinem Traum- Ich zu, sie solle sich in Sicherheit bringen, bevor er mich zerreisst, doch immer zu spät. Manchmal sehe ich aus, wie ein Dino, und ein T- Rex hetzt mich durch den angrenzenden Wald, bis ich auf einer Brücke stehe, die unter meinem Gewicht einbricht und ich falle auf Tim. Manchmal auch auf Adrian.