-7- Ein kleines Spiel

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Kay:

Ein zufriedenes Lächeln glitt über meine Lippen, als Jack eine kleine Träne die Wange runter rollte. Sie hinterließ eine kaum wahrnehmbare Spur auf seiner Haut und fiel lautlos auf die Decke. Ich hörte auf, weiter am schwarzen Stoff - der sich erstaunlich weit dehnen ließ- zu ziehen, bis er nur noch locker zwischen meinen Fingern lag.
Mein Ziel war erreicht. Ich hatte Jack soweit getrieben, das er sich seinem Schicksal ergab. Sich mir ergab. Ich war mir ziemlich sicher, dass er sich nicht einmal mehr wehren würde, wenn ich ihn von der Starre befreien würde. Es war alles so, wie es sein sollte. Jetzt konnte ich mit ihm machen, was ich wollte.
Die Schwächeren sollten sich eben nicht gegen die Stärkeren auflehnen. Er hatte es getan und musste jetzt dafür bezahlen und ohne Zweifel hatte er seine Lektion gelernt.

Eigentlich könnte ich jetzt aufhören. Ich könnte einfach gehen und so tun, als wäre er für mich nicht länger interessant. Weiter als bis hier, hatte ich nichts geplant. Ich hatte mein Ziel erreicht. Aber nun kam es mir irgendwie, wie eine Verschwendung vor. Immerhin war ich jetzt hier. Mit ihm. In seinem Zimmer und viel fehlte nicht mehr. Unsere Körper waren nur durch zwei Stoffschichten getrennt. Also was hielt mich davon ab, es zu tun?

Durch meine Wolfsseite konnte ich seinen Herzschlag deutlich hören. Er ging schnell und ängstlich. Pumpte unaufhörlich das Blut durch seine Adern. Sein seltsam süßlicher Geruch lag mir in der Nase und sein fast nackter Körper vor mir, weckte ein bekanntes Gefühl. Lust. Ich strich mit einer Hand seine schmale Hüfte entlang. Unter meinen Fingerspitzen spürte ich seine zarte Haut nachgeben. Obwohl er ein Junge war, wirkte er so zierlich, fast schon wie ein Mädchen. War es das, was mich so erregte?
Nein, es wäre doch so oder so nicht das erste Mal, dass ich es mit einem Jungen tat. Und dennoch war es nicht das selbe. Etwas an ihm war anders. Nur was?
Ich beugte mich vor und küsste Jack sachte auf die Schulter, meine Hand noch immer an seiner Hüfte liegend. Dabei zog ich seinen Geruch weiter ein. Neben dem individuellen und doch irgendwie gleichen Geruch nach Wolf -den nur andere Werwölfe riechen konnten- gab es noch eine leicht süßlich Note. Woher kam das?
Eigentlich egal. Die wichtigere Frage war: bleiben oder gehen? Ich hielt kurz inne, wobei ich Jack's aufgeregtem Herzschlag lauschte.

Ich sollte es einfach tun. Es sprach nichts wirklich dagegen. Er würde es bestimmt niemanden erzählen. Ich kannte Leute wie ihn. Viel zu sehr in sich gekehrt, als dass sie über so etwas frei reden könnten. Außerdem hatte er viel zu große Angst vor mir. Allein meine Anwesenheit dürfte reichen, um ihn zum Schweigen zu bringen. Und selbst wenn er sich überwinden und es jemandem erzählen würde, stände mein Wort gegen seins. In dem Fall wäre, denke ich klar, wem man eher glauben würde. Aber sollte ich mich meiner Lust wirklich hingeben?

Plötzlich klopfte jemand an die Tür. „Jack?" ertönte eine Stimme von der anderen Seite. „Jack, bist du da?" überrascht hob ich den Kopf. Wer -außer mir- könnte um diese Zeit noch etwas von Jack wollen?
Etwas wiederwillig ließ ich Jack los, stieg vom Bett und schlenderte zur Quelle des Geräusches. Ich könnte zwar so tun, als wäre niemand da, aber dann würde der andere vielleicht reinschauen. Wenn man Jack so sehen würde, könnte man etwas falsch verstehen. Obwohl; jetzt gerade eigentlich nicht. Ich musste schmunzeln. Auf dem kurzen Weg zur Tür fischte ich mit einer Hand meine Hose vom Boden auf und schlüpfte hinein. Surrend zogen meine Finger den Reißverschluss nach oben. Kurz vor der Tür hob ich noch mein T-shirt auf und zog es über. Geschmeidig glitt der Stoff über meinen Oberkörper. >>Nur noch kurz ordentlich zupfen.<<
Als ich die Klinke runterdrückte und die Tür einen Spalt öffnete, strahlte mir das Licht aus dem Flur entgegen. Mir gegenüber im Gang stand ein Junge mit gelbbraun leuchtenden Augen. Wir waren ungefähr gleich groß. Als er mich erkannte, machte sich ein überraschter Ausdruck auf seinem Gesicht breit. „Ka..Kay?" Diese Reaktion war nicht verwunderlich, immerhin war ich noch nie in Haus B. Warum sollte ich auch? Normalerweise hielten meine Gruppe und ich uns nicht in diesem Bereich des Internats auf. Ich hätte auch nie gedacht, mal hier her zu kommen.
Und jetzt, wo ich hier war, wurden wir gestört. Im Moment würde ich mein Gegenüber am liebsten wegjagen, aber ich hielt es für besser, erstmal möglichst unauffällig zu bleiben. Mein Spiel mit Jack sollte noch nicht beendet werden. Also setzte ich eine freundliche Mine auf und lächelte ihn an. „Ja das bin ich." Nach einem kurzen Augenblick schien mein Gegenüber die erste Überraschung überwunden zu haben. „Tut mir leid, Kay. Dich hatte ich nicht erwartet. Was machst du hier?" „Ich weiß es ist schon etwas spät, aber ich gebe Jack gerade noch etwas Nachhilfe in Kampfstrategien." „Oh, ich wusste gar nicht, dass Jack Probleme in Kampfstrategien hat." sagte der Junge mit den dunkelblonden Haaren, wobei der leise Klang von Misstrauen in seiner Stimme mitschwang.

Afraid of the AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt