-75- bei dir zu sein...

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Kay:

Die klaffende Schwärze wich. Ein verzerrtes Bild breitete sich Stück für Stück vor mir aus. Ich erkannte die Umrisse von Bäumen.
Sie schienen um eine freie Fläche herum zu stehen.Mit Sicherheit sagen, konnte ich jedoch nichts.
Die ersten Geräusche drangen als unverständliches Rauschen durch die zuvor unbesiegte Stille. Wahrscheinlich handelte es sich um das Säuseln des Windes.
Aber nicht nur.
Es sprach noch Stimme zu mir
Dieselbe, welche ich bereits zuvor mehrmals vernommen hatte.

Jack.

>>Ist er immer noch bei mir? Geht es ihm gut? Habe ich ihn angegriffen?<<
Die Befürchtung, ihm etwas angetan zu haben, dass das Blut vielleicht zu ihm gehörte, machte mich unglaublich nervös.
Ich versuchte mich oder besser gesagt meinen Körper zu bewegen.
Vergebens.
Die Kontrolle lag nach wie vor in fremden Händen. Ich steckte in meinem eigenen Körper, ohne etwas tun zu können. Weder meine Bewegungen, noch meine Stimme konnte ich steuern. Auch meine Sinne fühlten sich an, als wären sie betäubt.
Zumindest gehörten meine Gedanken nun wieder mir.
Während ich nach einem Ausweg aus diesem Gefängnis suchte, wurde der eisenhaltige Geruch immer präsenter.
Er haftete an mir, an meinem Körper.

Jedoch benetzte Blut nicht das erste Mal mein Fell. Bereits in unzähligen Momenten meiner Ausbildung dufte ich mein Eigenes schmecken.
Damals war ich schwach und hatte nicht die geringste Chance gegen meinen Meister anzukommen. Bei diesem handelte es sich um einen unglaublich starken und gleichzeitig gnadenlosen Kämpfer. Mein Vater hatte ihn engagiert, damit ich lerne,   wie ein wahrer Alpha kämpft. Dabei  interessierte es ihn nicht im Geringsten, dass ich gerade erst meinen 7. Geburtstag erlebt hatte.
Auch scherte es ihn nicht, wie viele Wunden mein Trainer mir zufügte.
Solange ich nicht tot, ohnmächtig oder komplett bewegungsunfähig war, sollte ich mich verteidigen. Für eine lange Zeit hasste ich ihn dafür. Die Frage, wie man seinem eigenen Kind nur so viel Leid zufügen konnte, begleitete mich bei jeder Unterrichtsstunde.
Irgendwann jedoch wendete sich das Blatt. Ich wurde stärker, lernte die Schmerzen auszuhalten und mich durchzubeißen.
Von da an verringerten sich die Anzahl meiner Verletzungen stetig und die meiner Angreifer nahm zu. Bald waren es meine Gegner, deren Blut sowohl mein Fell als auch das Ihre tränkte.
Erst da wurde mir klar, weshalb mein Vater mich so sehr pushte. Das hieß jedoch nicht, dass ich ihm verzieh.

Von all meinen Kämpfen beschäftigt mich jedoch einer ganz besonders. Dabei handelte es sich nicht einmal um einen richtigen Kampf.
Mein Opfer fügte mir damals keine einzige Verletzung zu. Trotz meines aggressiven Verhalten wehrte sich der dunkelbraun gefärbte Wolf sich nicht einmal. Der Abend, an dem ich Jack im Wald auflauerte, stand mir noch immer deutlich vor Augen.
Damals konnte ich für ihn nichts als Wut und Rachsucht empfinden.
Heute spürte ich nichts mehr dergleichen. Viel mehr schmerzte mich allein der Gedanke daran, ihn erneut verletzten zu können.
Und nicht nur mir schien es so zu gehen.
Dieser Jemand oder dieses Etwas, was meinen Körper in seinen Besitz genommen hatte, empfand ihm gegenüber keinen Funken Feindseligkeit  mehr.
Im Gegenteil es wollte ihn sogar beschützen. Von der Mordlust mit der es ihm zum ersten Mal begegnete, gab es keinerlei Spur.

Dafür viel mir etwas anderes auf. Nämlich die Tatsache, dass Wut einziger Antrieb zu sein schien. Dieses eine Gefühl gab ihm Kraft.
Nun, da mein Unterdrücker ruhiger wurde, schwand auch seine Macht über mich.
Jack nahm ihm eben die Wut. Durch ihn konnte ich zurück finden, dem war ich mir sicher.  Jack war mein Ausweg aus der Dunkelheit.
Die offene Tür in diesem schwarzen Raum.

———-

Jack:

Auf dem Weg zur Lichtung konnte ich die ganze Zeit nur an Niko denken. Hoffentlich hatten die anderen Hilfe geholt und waren bereits bei ihm angekommen.
Die im Internat wusste man bestimmt, wie die Lähmung meines Freundes wieder aufgelöst wird.
Vielleicht hörte sie nach einer gewissen Zeit auch von selbst auf. So viel über die Technik, die sie verursachte, wusste ich ja nicht. Also bestand durchaus die Möglichkeit.
Zumindest wollte ich das glauben.

Afraid of the AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt