-20- Ein unfährer Kampf

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Haarscharf wich ich dem Angriff aus. Oskar stürmte an mir vorbei. Der erzeugte Luftzug durchfuhr mein Fell. Augenblicklich nach seiner fehlgeschlagenen Attacke stemmte er die Beine gegen den Boden und bremste. Dabei kreischten seine Krallen grässlich laut auf dem kalten Stein. Das Kreischen ließ mich zusammenzucken. Der schrille Ton hallte ihn meinen empfindlichen Ohren nach und ich schüttelte mich, in der Hoffnung, ihn so loszuwerden. Dann wurde mir meine Lage wieder bewusst. Doch als ich anlief und versuchte zu entkommen, packte Oskar mich am Hinterlauf. Seine spitzen Zähne bohrten sich durch die Haut in meine Hinterhand. Ein schmerzerfülltes Quieken entwich meiner Kehle.
Mein Gegner wollte natürlich nicht, dass ich entkam und zerrte mich ruckartig zurück. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Bauch. Mein Instinkt sagte mir, dass ich so schnell wie möglich wieder auf die Beine kommen und rennen musste. Weg von diesem Gegner, der mir weit überlegen war. Doch noch bevor ich eine Chance hatte, mich aufzurappeln, hatte Oskar mein Hinterbein losgelassen und versenkte seine Fänge nun in meiner Flanke. Ich heulte auf. Durch die feine Wolfsnase nahm ich den metallischen Geruch von Blut wahr. Meinem Blut.

Panisch drehte ich den Kopf zu meinem Gegner um und  schnappte nach ihm, versuchte ihn zu erwischen.  Umsonst. Er hatte sich so positioniert, dass sein Körper außerhalb meiner Reichweite lag. Trotz des Schmerzes riss ich meinen Körper zur Seite und trat mit den Pfoten um mich. Mit einer erwischte ich ihn am Kopf.
Durch den Schreck fiepte er auf und ließ von mir ab. Jedoch dauerte es nur Sekunden, bevor Oskar sich wieder gefangen hatte. Erbost über die Gegenwehr entwich ihm ein tiefes Knurren und in seinen Augen blitzte die Wut auf. Es folgte ein weiterer Angriff. Ich versuchte ihn abzuwehren, indem ich nach ihm schnappte und rollte mich über den Boden, um seinen Fängen zu entgehen.
Noch einmal erwischte ich Oskar am Kopf, dieses Mal traf meine Kralle auf der Schnauze   -eine sehr empfindliche Stelle-  Mein Gegner zuckte zurück  und es gelang mir mich aufzurappeln. Nun war Oskar noch wütender. Er stürzt erneut auf mich zu und biss sich in meinem Rücken fest. Trotz des schützenden Fells und meiner dicken Haut, konnte ich Oskar's Zähne deutlich spüren. Mit seinen Vorderbeinen stützte er sich auf mir ab und drückte mich runter. Sein Gewicht erschwerte mir das Stehen und meine Beine drohten nachzugeben.

Warum musste mir das passieren und warum jetzt? Noch vor einem Monat war ich ein unsichtbarer Omega gewesen, wurde von niemandem beachtet und stand immer nur am Rande. Ein Geist, der nie jemandem aufgefallen ist und es vielleicht auch nie wäre. Doch seit dem ersten Treffen mit Kay, hatte sich alles geändert. Und nun saß ich ein weiteres Mal in der Klemme. Verzweifelt riss ich den Kopf herum und versuchte nach Oskar zu schnappen, ihn irgendwie zu treffen. Es  half nichts. Anstatt, dass er mich losließ, verstärkte sich der Druck auf seinen Kiefer noch mehr und ich heulte laut auf.
Oskar war um einiges stärker als ich. Darin bestand kein Zweifel. Wenn er seine ganze Kraft zusammen nehmen würde, könnte er meine Wirbelsäule leicht zerbrechen. Bei dem Gedanken daran wurde mir ganz schlecht. >>Verdammt<< dachte ich und versuchte weiterhin panisch, aus dieser Lage rauszukommen. Oskar knurrte bedrohlich, riss mich herum und schleuderte mich gegen die Wand der Turnhalle. Mit einem lauten Fiepen schlug mein Körper gegen das harte Hindernis und krachte zu Boden. Mein ganzer Körper zitterte und gab mir zu verstehen, dass er es nicht mehr lange mitmachen würde. Der Instinkt zu überleben hingegen brüllte in mir, dass ich aufstehen müsse, doch mein Körper weigerte sich. Bei jedem Versuch aufzustehen, schoss ein brennender Schmerz von der Wunde auf meinem Rücken hinab in jede einzelne Faser. Meine Gestalt sackte erschöpft zusammen. >>Ich muss aufstehen. Bloß nicht aufgeben! Komm schon, Jack!<< Verzweifelt flehte ich innerlich, die Kraft zu finden, um mich aufzurappeln. Vergeblich.
Mein Blick wandert zu dem braunen Wolf, der sich in seiner vollen Größe mir gegenüber aufgebaut hatte. Er leckte sich das Blut vom Maul und knurrte wütend. Seine Augen fixierten mich und ihr Blick bohrte sich in die Meinen. Mit langsamen Schritten kam er bedrohlich näher. Seine Zähne waren gefletscht und seine Nackenhaare aufgestellt. Seine Ohren und seinen schwanz hatte er selbstbewusst aufgestellt, so wie es ein dominanter Wolf nunmal tut. Ich hingegen hatte meine Ohren angelegt und winselte kläglich. Normalerweise würde ein Kampf unter Wölfen beendet sein, sobald sich einer von beiden unterwarf. Auseinandersetzungen zwischen Artgenossen endeten im Tierreich nur selten tödlich. Der Verlierer wusste, wann er verloren hatte und der Gewinner genoss seinen Sieg. Doch die jetzige Situation war anders. Meine Instinkte wollten mich zwar dazu bringen, mich zu unterwerfen, aber ich wusste, dass es mir nichts bringen würde. Hier ging es nicht darum, zu zeigen, wer der Ranghöhere war. Ich als Omega hatte bereits den niedrigsten Rang inne. Wir beide wussten genau, dass ich ihn niemals herausfordern würde. Der Grund hinter seinem Handeln lag in der menschlichen Seite und dagegen war ich machtlos. Gleich war er bei mir. Seine Muskeln spannten sich und zeigten Bereitschaft um loszuschießen.

Afraid of the AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt