Es war bereits hell, als ich meine Augen aufschlug. Die freundlich scheinende Sonne schickte ihr wärmenden Strahlen zur Erde. Sie kitzelten meine Nasenspitze, aber ich wollte mich nicht abwenden. Lieber wollte ich noch liegen bleiben und ihre Wärme genießen. Einfach nur liegen und vielleicht noch etwas schlafen. Um mich herum wogen sich die Bäume sanft im Wind. Sie führten einen eleganten Tanz auf, so wie sie es schon seit Anbeginn ihres Lebens taten. Zu ihrem Tanz gesellte sich der fröhliche Gesang der Vögel und irgendwo stimmte auch eine Grille mit ein. Eine wunderbare Aufführung, die man nur so selten wirklich genießt.
Ich atmete einmal tief ein und fühlte, wie mich die kraftbringende Luft durchströmte. Dann setzte ich mich langsam auf und streckte meine Arme Richtung Himmel. Das ausgiebige Strecken tat meinem Körper gut. Danach sah ich mich um. Es dauerte einen Moment, bis ich realisiert hatte, wo ich mich befand. Auf dieser kleinen Lichtung irgendwo im Wald.Noch etwas schläfrig überlegte ich, welcher Tag heute war. Welcher war gestern? Freitag? Ja, gestern war Freitag. Dann ist heute Samstag. Ich hielt mir eine Hand über die Augen und sah der Sonne entgegen. Keine Wolke verdeckte sie und sie war bereits über die Baumkronen gestiegen. Also wie spät war es dann überhaupt?
Einen Moment. Die Sonne war bereits voll aufgegangen, es war Samstag...Verdammt. Hastig sprang ich auf. Meine Müdigkeit war auf einmal wie weggeblasen. „Mist" fluchte ich laut zu mir selbst. „Ich komme zu spät". Aufgeregt sah ich mich um. Von wo war ich gekommen? Von gerade zu oder vielleicht von links oder doch eher rechts? Keine Richtung, in die ich blickte, kam mir bekannt vor. In Gedanken versuchte ich meinen Weg zurück zu verfolgen, aber ich konnte nicht wirklich etwas erkennen. Nur Blattgrün gemischt mit vorbeifliegendem Schwarz und Braun. Alles war durcheinander. Gestern Nacht war ich so aufgeregt gewesen und einfach losgestürmt, ohne auf die Umgebung zu achten. Jetzt im Nachhinein wurde mir klar, dass das wohl ein Fehler gewesen ist. Was nun? „Komm schon. Denk nach!"Mir fiel nur eine Möglichkeit ein, so viel Zeit wie möglich zu sparen. Ich sammelte meine Gedanken und versuchte mich zu konzentrieren. Mein Ziel war es, in mich hinein zu horchen und meine innere Bestie zu rufen. Trotz dem Wissen, dass ich zu spät kommen würde, atmete ich gleichmäßig und blieb ruhig. Vollkommen auf meine Atmung bedacht, um das altbekannte Gefühl zu ergreifen. Es dauerte zwar kurz, aber zum Glück gelang es mir. Da war sie. Langsam kam sie hervor und ich ergriff sie. Übernahm die Kontrolle. Ich konnte fühlen, wie sich mein Körper innerhalb von Sekunden veränderte. Durchströmt von diesem Gefühl. Früher hatte ich mich oft davor gefürchtet, doch nun nicht mehr. Ich ging auf alle Viere. Aus meiner Haut trat dichtes Fell hervor und ich bekam eine längliche Schnauze. Meine Zähnen wurden länger und gebogen. Statt meiner Hände und Füße besaß ich nun große Pfoten, die mir sicheren Halt gaben. Als ich meine vollständige Wolfsform erreicht hatte sprintete ich ohne zu zögern aus dem Stand los. Mein Wolf würde mich leiten. Er nahm viel mehr von dieser Welt wahr, als ich. Er weiß wohin. In einem schnellen Galopp suchte ich mir den Weg durch den Wald. Überraschend leicht wich ich Büschen und Bäumen aus, die meinen Pfad kreuzten. Sie rasten an mir vorbei, streiften mein Fell und blieben weit hinter mir zurück.
Es dauerte nicht lange, da war über den Baumspitzen schon das Dach eines der Wohnhäuser zusehen. Umso erleichterter war ich, als ich es als das meine erkannte. Gleich geschafft. Kurz vor der Hauswand verlangsamte ich meine Schritte und kam schließlich zum Stehen. Obwohl ich so schnell gelaufen war, spürte ich kaum Erschöpfung. Einer der Vorteil meiner Wolfsseite. Trotzdem musste sie nun wieder meiner menschlichen Seite weichen. Die Rückverwandlung war für mich noch nie ein Problem gewesen. Vielmehr bestand die Schwierigkeit darin, das ich nicht ausreichend Kraft besaß, meine Wolfsseite zu rufen und festzuhalten. Zum Glück hatte ich es bis hier her ohne Probleme geschafft.
Im Eiltempo kletterte ich nun die Ranken empor. Oben angekommen schwang ich mich über die Balkonbrüstung. Die Glastür war einen Spalt weit geöffnet. Ich hatte sie bei meinem plötzlichen Aufbruch nicht geschlossen. Gestern war es mir egal gewesen. Wer hätte auch noch einbrechen sollen?
Nach einem schnellen Blick auf die Uhr war mir bewusst, dass ich es nicht mehr zur ersten Stunde schaffen würde. Auch die Zweite hatte bereits begonnen. Trotzdem musste ich es wenigstens noch vor ihrem Ende schaffen. Ich brauchte mir nicht einmal meine Kleidung ansehen, um zu wissen, dass ich mich umziehen musste. Der Geruch nach Schweiß und Tier haftete stark an meinen Klamotten. So konnte ich auf keinen Fall weiter. Deshalb zog ich sie hastig aus und warf sie in eine Ecke des Zimmers. >>Später ist auch noch Zeit, um sie wegzuräumen<< dachte ich und schenkte ihnen keine weitere Beachtung. Während ich meine wichtigsten Sachen zusammensuchte und unordentlich in meinen kleinen Rucksack stopfte, griff ich noch schnell mein Deo und hüllte mich in eine große Wolke ein. Es folgte ein kurzer Hustenanfall, wobei ich das Gefühl hatte fast meine Lunge auszuhusten. Aber auch dafür hatte ich jetzt keine Zeit. Mit einem Knall verließ ich das Zimmer und lief zum Schulgebäude.
...
Als ich an das helle Holz klopfte, war die zweite Stunde bestimmt schon zur Hälfte um. Mein Lehrer öffnete die Tür. Mit gerunzelten Augenbrauen sah er mich durch seine großen Brillengläser an. „Ach auch schon da? Haben Sie denn wenigstens gut geschlafen?" Es war besser, darauf nicht zu antworten. Mit gerümpfter Nase setzte er noch hinzu: „Was sagt man?" Das war die Aufforderung. „Es tut mir leid, dass ich zu spät bin. Ich habe verschlafen. Es wird nicht noch mal vorkommen." antwortete ich, mit einer leichten Verbeugung. „Das hoffe ich auch. Vielleicht sollten Sie darauf achten, nicht so lange wach zu bleiben oder lernen, wie man sich einen Wecker stellt." sagte mein Lehrer scharf. „Nun setzen sie sich hin". Mit gesenktem Kopf huschte ich an dem etwas dickeren Mann vorbei zu meinem Platz. Die Anderen beachteten mich fast gar nicht. Nur ein paar wenige grinsten über die Bemerkung des Lehrers.Meine Rucksack platzierte ich neben dem metallenen Tischbein und suchte meinen Hefter heraus. In dem Durcheinander gar nicht so leicht. Bei dem Geraschel warf mir der mittelgroße Mann vorne an der Tafel einen mahnenden Blick zu. „Sind Sie bald fertig?" fragte er genervt. Genau in dem Moment ergriff ich den gesuchten Gegenstand. „Ja, Verzeihung." Ein stumpfes Grunzen war die Antwort, bevor sich der Lehrer wieder seiner Tafel zuwendete. So leise wie möglich holte ich unter dem Tisch, wo meine schwereren Bücher lagerten, das blaue Mathebuch hervor. Es fand seinen Platz auf meinem ebenfalls blauen Hefter. Danach versuchte ich den Erklärungen, mit denen mein Lehrer gerade wieder begonnen hatte, zu lauschen. Und das war keine leichte Aufgabe. Die Zeit kroch langsamer voran als eine Schnecke und die monotone Stimme meines Mathelehrers, machte es einem nicht wirklich leicht, die Augen offen zu halten. Mehrfach ertappte ich mich dabei, wie ich einen kleinen Teil des Unterrichts verpasst hatte. So als hätten das Gerede mehrfach kurz ausgesetzt und an einem anderen Punkt weiter gemacht.
Endlich erklang der Gong zur Mittagspause. Alle Schüler stürmten aus dem Raum in Richtung Cafeteria. Ihre Sachen blieben verlassen auf den leeren Plätzen zurück. >>Zeit für die Raubtierfütterung<< ging es mir durch den Kopf. Naja jedenfalls stürzten sich manche wirklich auf das Essen, als wären sie wilde Tiere. Und ich übertreibe nicht.
Genauso wie sonst zog ich es vor, der Letzte zu sein. Ich wartete immer, bis alle ihr Essen hatten und aß dann oftmals draußen auf den Stufen der Hintertür. Das war einfach entspannter für mich. Dort hielt sich nie jemand auf, ich musste mich nicht mit anderen um einen Platz streiten und ruhiger war es auch. Außerdem ließen sich andere Schüler dadurch gut umgehen.
Nachdem ich mir mein Mittag geholt hatte, es gab Wild mit Kartoffeln und Mischgemüse, machte ich mich auf, noch etwas zu Trinken zu holen. Der Automat dazu befand sich auf der anderen Seite der Mensa. Auf einem Tisch daneben standen verschiedene Größen von Gläsern. Ich nahm ein Mittleres und füllte es mit stillem Wasser. Etwas verträumt beobachtete ich die durchsichtige Flüssigkeit in mein Glas strömen. Fast hätte ich sie überlaufen lassen. Ganz vorsichtig stellte ich den vollen Becher auf mein Tablet. Als ich mich gerade auf dem Weg nach draußen befand, tippte mir jemand auf die Schulter. Aufgeschreckt wirbelte ich herum. Dabei schwappte das Wasser über den Glasrand. Zu meiner großen Erleichterung entpuppte sich mein Gegenüber als Niko. Wir waren zwar keine Freunde, aber letzte Nacht war er derjenige, der mich gerettet hat. Dafür war ich ihm sehr dankbar, auch wenn ich mir nicht so recht erklären konnte, warum er es getan hat. Besser ich bedankte mich jetzt bei ihm. Doch da kam er mir zuvor „Bist du wieder auf dem Weg nach draußen?" fragte er freundlich. Ich nickte nur. >>Warum diese Frage?<< Mit einem großen Grinsen im Gesicht sah er mich an. „Auch wenn es draußen bestimmt schön ist, möchtest du heute nicht mal bei uns essen? Wir hätten noch einen Platz frei" Und wieder war ich überrascht. Ich konnte ihn nur verwirrt anstarren. Noch nie hatte mich jemand eingeladen, schon gar nicht jemand, der so beliebt war wie Niko. Ich hatte auch nie überlegt, selber einmal andere zu fragen. Mich hat es nie gestört, alleine zu sein. Doch wenn er mich so fragte, konnte ich doch unmöglich ‚nein' sagen. Also versuchte ich mich wieder zu fassen und zu lächeln „Ja, gerne". „Sehr gut."

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Afraid of the Alpha
Hombres Lobo, „Bitte nicht. Bitte" bettelte ich. Dabei kam ich mir so erbärmlich vor, aber gerade war ich es auch. Kay blieb ungerührt. „Ths Ths Ths. Erst gibst du mir ein Versprechen , damit ich dich verschone und nun willst du es einfach nicht halten. Was sol...