10. Wölfe im Keller

1.4K 48 2
                                    

Müde lag ich noch wach auf dem kalten Boden und starrte auf die Ritze. Meine Augen wurden schwer, doch wollte ich noch nicht einschlafen, denn der Mond schien. Ich sah sein helles, weißes, fast bläuliches Licht, das auf uns fiel. Ein kleines Geräusch neben mir, ließ mich jedoch aufschrecken. Ich sah mich um und schrie auf. Ein kleiner Wolf lag neben mir, von Nicky war nichts mehr zu sehen. Der kleine Wolf schreckte aus dem Schlaf und sah mich an. Er hob seinen Kopf. „Du hast mich geweckt, was ist los?", hörte ich Nicky fragen.

Ich rückte, soweit ich konnte, von dem Wolf weg. War das Markus gewesen? Nein, die Tür war ja verschlossen und geschlafen hatte ich auch noch nicht. Aber wieso war dann ein Wolf mit mir hier? Und wo war Nicky?

„Ein Wolf...", war das einzige was ich herausbekam. Ich begann zu zittern. Soweit ich wusste waren das wilde, gefährliche Tiere. Wie besänftigte man einen Wolf, einen nicht zu fressen? Als hätte ich nicht schon so genug Probleme, jetzt auch noch ein Wolf! Ich begann viel zu schnell zu atmen und wenig später verlor ich das Bewusstsein. Sollte der mich doch fressen, aber nur wenn ich nichts davon mitbekam. Als ich wieder wach wurde saß der Wolf neben mir und starrte mich mit schrägem Kopf an. „Doch kein Traum", flüsterte ich. „Geht's dir gut? Du bist einfach umgekippt?", ich starrte den Wolf an.

„Hast du gerade mit mir geredet? Oh Gott, ich werde verrückt. Ich bilde mir ein, ich kann mit Tieren reden. Was passiert mit mir?", ich hörte Nicky lachen. „Du tust ja so als hättest du noch nie einen Wolf gesehen.", ich starrte den Wolf immer noch an. „Was hast du mit Nicky gemacht?"

„Wovon redest du? Ich sitze doch direkt vor dir! Nachdem du mich so unangenehm geweckt hast..." Meine Augen wurden größer. „Sag mal, warum bist du eigentlich kein Wolf? Du bist merkwürdig", hörte ich erneut Nickys Stimme. Ich sah hilfesuchend vor die Zelle, aber dort saß ebenfalls ein Wolf! Ich schrie auf. „Bitte fresst mich nicht. Ehrlich ich schmecke gar nicht", stotterte ich. „Bäh, igitt, dich essen? Bist du verrückt? Wieso sollte ich dich essen? Du hast echt komische Ideen.", ich schluckte. „Okay, ich träume das alles garantiert. Ich sehe die beiden warum auch immer als Wolf vor mir. Ich habe ganz eindeutig den Verstand verloren. Verständlich nach so vielen Kellern. Wer weiß, vielleicht war auch irgendwas in dem Essen drin. Irgendeine Droge... Ja genau, eine die Halluzinationen auslöst. LSD oder Ecstasy oder Ähnliches."

„Oma, was ist los mit der?" „Sie hat sich sicherlich nur ein wenig erschreckt. Nicht wahr?" Der Wolf vor dem Verlies, schien mich eindringlich anzusehen.

Verwirrt sah ich den Wolf an, die Stimme hörte sich an wie Nickys Großmutter.

„Natürlich hat sie schon Wölfe gesehen. Wer hat das nicht? Hab ich nicht recht?", der Wolf musterte mich jetzt mit großen Augen. Ich lachte gezwungen. „Ja klar... total! Ich meine- Natürlich...", ich hatte keine Ahnung was hier gerade ablief, aber da ich mich gerade damit abgefunden hatte, dass ich meinen Verstand verloren hatte, oder unter Drogeneinfluss war, hielt ich es für eine gute Idee, das Spiel mitzuspielen. Oder vielleicht war es ja doch ein Traum. Das hoffte ich inständig. Unter Drogeneinfluss zu stehen, hatte mir noch gefehlt.

Ich schüttelte den Kopf. „Wölfe, die reden. Klar, voll normal, ich meine- Naja, du weißt, was ich meine. Ha ha... ein Wolf gesehen immer, überall...", sagte ich. „Ich glaube, ich kippe noch mal um." Eine Sekunde später fiel ich wieder ins mir sehr willkommene Dunkel.

Das nächste Mal, als ich wach wurde, lag ich auf etwas weichem, kuscheligen. „Nicht schreien. Er schläft", flüsterte die Stimme von Nickys Großmutter. Langsam und vorsichtig erhob ich mich. Mein gemütliches Kissen, war der kleine Wolf gewesen. „Passiert das hier gerade wirklich?", fragte ich den Wolf, vor meinem Verlies. „Ja, Liebes..." Sie schwieg kurz und sah dann auf Nicky. „Ich habe ihm nicht erzählt, dass es nicht sehr viele von uns gibt in den Städten." „Von euch?"

„Komm schon, was glaubst du, warum es so viele Überlieferungen in Büchern gibt, über Menschen, die sich in Wölfe verwandeln können. Übrigens schon lange bevor Christus- Unwichtig... Das ist jedenfalls nicht alles nur Fantasie." „Okay, nehmen wir mal an, ich träume gerade wirklich nicht. Warum seid ihr Wölfe? Ich meine-", ich schluckte und hatte plötzlich eine Idee. „Wenn es da draußen noch mehr gibt, können dann nicht andere Wölfe uns helfen kommen?" „Das ist nicht so einfach", murmelte sie. „Ich wollte nicht, dass Nicky denkt, er wäre der einzige Wolf und wenn er mal von hier wegkäme, er ganz alleine wäre. Ein Außenseiter...", sie seufzte und sah mich an. „Ich kann nur dann mit anderen Wölfen Kontakt aufnehmen, wenn sie in direkter Nähe sind und man zu ihnen gehört. Ich bin mir nicht mal sicher, ob von unserem Clan noch jemand lebt. Mein anderer Enkel Aiden... Ich hoffe, er lebt und ist weit weg von uns. So muss ich mich wenigstens nur um einen von beiden Sorgen.", ich seufzte. „Warum hast du Markus nie angegriffen? Du bist doch ein Wolf."

„In der Nacht, in der Dominik, Nickys Vater, starb, kämpfte er in seiner Wolfsform gegen Markus..." Tränen bildeten sich in ihren Augen. „Seine letzten Blicke galten meiner Tochter und Nicky. Er sah sie an, bis seine letzte Kraft ihn verließ. Er lächelte. Seine Liebe zu ihnen spiegelte sich in seinen Augen. Meine Tochter hatte, nachdem Markus sie gezwungen hatte zuzusehen, wie er meinen Schwiegersohn umbrachte, zu große Angst sich zu wehren. Sie verwandelte sich nur noch für Nicky zum Wolf, ließ ihn an ihre Brust, damit er immer genug Essen bekam, auch wenn es nur ihre Milch war und ließ ihn eingekuschelt an ihrem Fell schlafen. Markus drohte mir immer wieder, dass er Isabella umbringen würde... Ich war zu feige, ich verwandelte mich auch nicht mehr. Nur dann, wenn der Vollmond auf uns scheint, zeigt sich von allein unsere wahre Gestalt.

Ich war zu schwach und hatte Angst um den kleinen Nicky. Ich wollte nicht, dass er... sollte ich-... dann wäre er ganz alleine. Meine Tochter hatte mich versprechen lassen, dass ich auf meine beiden Enkel aufpasse... Ich weiß es. Aiden ist da draußen irgendwo, aber wenigstens nicht hier.", sie schniefte. „Die beiden sind meine letzten Familienmitglieder ich halte meine Versprechen. Nie sollte sich Nicky einsam fühlen. Nie als Einzelgänger. Sondern stolz, ein Wolf zu sein. Trotzdem lehrte ich ihn, seinen Wolf nie dazu zu nutzen anderen weh zu tun. Ich dachte, so könnte ich ihn schützen. Ich hatte nicht den Mut, mich gegen Markus zu wehren.", sie wischte sich die Tränen mit ihrer Pfote ab. Dabei sah sie fast wie eine ganz normale Hündin aus. „Das bereue ich jetzt sehr...", sie schwieg kurz, dann fuhr sie fort „Wir wurden schon als Wölfe geboren. Warum das so ist, kann ich dir nicht sagen. Ich könnte es umdrehen: Warum bist du ein Mensch? Eine Antwort darauf gibt es nicht. Außer vielleicht, weil es so ist,", wieder sah sie auf Nicky, „in all den Jahren, kamen keine anderen Wölfe her. Nur Menschen. Ich liebe meine Enkel. Ich werde Nicky nicht auch noch alleine lassen. Ich dachte schon, sein Schicksal wäre bereits entschieden, doch dann kamst du." „Aber ich bin kein Wolf. Ich bin nur ich. Ein Mensch.", sie lächelte. „Ja, aber du bist zumindest nicht schwach. Ich weiß du wirst es hier herausschaffen, mit Nicky zusammen. Du magst vielleicht kein Wolf sein, aber tief in dir drin, bist du wie eine Wölfin. Nur für den Fall, dass unser Plan scheitert...", ich wollte sie gerade unterbrechen, aber sie schüttelte den Kopf. „Versprich es mir! Du beschützt ihn und wirst alles dafür tun, Aiden zu finden.", ich sah sie an. „Aber-" „Bitte, versprich es mir!" „Okay, ich werde mein Bestes geben, ihn zu beschützen und ihn zu seinem Bruder bringen.", sie atmete erleichtert aus und legte sich dann auf ihren Bauch. Ihren Kopf legte sie auf ihre Pfoten. „Weißt du, was für Leute zu dem Fest kommen?"

„Nein. Allerdings hat er schon ein paar Mal solche Partys gegeben. Es wurde immer gespielt, viel getrunken... Er sagte immer, es diene ihm sein Ansehen beizubehalten. Was immer das auch bedeutet. Wir sollten vermutlich vorsichtig sein.", sie gähnte und ihre spitzen Zähne kamen zum Vorschein. „Leg dich hin, Liebes", sagte sie leise, bevor sie ihre Augen schloss.

Ich sah sie nochmal prüfend an und zwickte mich dann in die Wange. Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. „Kein Traum."

Trotz der Unterhaltung, robbte ich weg von dem Wolf Nicky und schlief, umhüllt von einer Wolldecke, auf dem Boden ein.

Kalte KellerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt