30. Jägerin oder Gejagte

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Aiden hatte nicht übertrieben. Er ließ mich gnadenlos mit unlesbaren Gesichtszügen immer wieder Pfeile schießen. Immer wieder ertappte ich mich dabei, meinen Bogen einfach beim nächsten Kommentar auf ihn zu halten, wenn er wieder den Kopf schüttelte und mich aufforderte, erneut einen Pfeil anzulegen. Ich hatte mich aber jedes mal zurückhalten können und stattdessen noch mehr Pfeile ins Ziel versenkt.

Den Streuner hatte Aiden kopfschüttelnd entlassen und ihn verwarnt sich nicht noch einmal blicken zu lassen. Seitdem war es ruhig. Diese Ruhe fühlte sich allerdings eher unangenehm an. Aiden hatte dem Streuner gesagt, dass er genau das erzählen sollte, was er gesehen hat. Trotz allem war bisher noch nichts passiert. Jeden Tag trainierten deswegen alle hart. Mittlerweile schien Aiden recht zufrieden mit meinen Bogenschießfähigkeiten.

Er verdonnerte ein paar Tage später einen guten Freund von ihm dazu, meine lebende Zielscheibe zu werden. Dieser hatte sich, nachdem er mich von oben bis unten gemustert hatte, kurz vorgestellt als Jack. Als Aiden ihm sagte, was er tun sollte, hatte er nur gelacht und mich dann mit blitzenden Augen angesehen.

„Die erwischt mich niemals", hatte er grinsend gesagt.

Ich lächelte ebenfalls mit einem kleinen Grinsen. „Da wäre ich mir nicht so sicher", sagte ich kühl. „Deine vorlaute Klappe spornt mich nur noch mehr an." Ich lächelte und spannte meinen Bogen.

„Sei vorsichtig, Jack. Sie ist eine gute Schülerin", sagte Aiden nun ebenfalls grinsend.

Mit erhobenen Kopf stolzierte Jack auf mich zu. „Ich bin ziemlich schnell. Kleine Wette gefällig?" Er lächelte. „Dass ich dich erschieße?"

Er sah mich erschrocken an. „Nein, mein Leben ist mir einiges Wert! Aiden was hast du ihr gesagt?" „Na ja", antwortete ich absichtlich naiv klingend, „ich soll doch auf dich schießen. Sollte ich dich erwischen, endet das doch damit, dass wir dir ein Grab schaufeln oder nicht?"

Er begann zu lachen und musterte mich. „Du gefällst mir. Ich geb dir was aus, wenn ich einen Kratzer davon trage."

„Ich verbinde dich aber nicht", sagte ich dann kühl und schlug ein. Ich blickte auf Aiden als sich Jack entfernte, um sich zu entkleiden.

„Keine Sorge, er ist wirklich schnell." Er zwinkerte mir zu.

Ich sah ihn jetzt unsicher an. „Willst du wirklich, dass ich auf deinen Freund schieße?"

„Na ja, wenn wir kämpfen sind es Wölfe. Du musst dich also daran gewöhnen wie es ist, auf die Bewegungen von Wölfen zu achten und im Auge zu behalten."

Ich sah ihn an und runzelte die Stirn.

Er wuschelte mir über den Kopf. „Viel Spaß! Hol' ihn dir, kleine Löwin." Er grinste.

Ich lächelte wieder und nickte.

Als ich von Aiden wegsah, stand ein großer brauner Wolf vor mir. „Los, wir laufen ein bisschen durch den angrenzenden Wald", sagte er.

Ich nickte und folgte ihm. Ich spannte meinen Bogen.

„Na dann mal viel Glück beim Versuch, mich zu erwischen." Seine Stimme klang belustigt.

Ich wurde langsam genervt von seinem zuversichtlichem Verhalten und wollte ihm vom Gegenteil überzeugen, deswegen schoss ich einfach einen Pfeil, der ihn tatsächlich fast traf.

Er sah mich an und drehte sich dann zu dem Baum in dem jetzt mein Pfeil steckte.

„Ich habe doch gesagt, ich kann auf dich schießen", sagte ich jetzt.

„Du hast allerdings daneben geschossen, aber mal im Ernst, du kannst echt nicht zielen oder? Unfassbar eine Jägerin, die nicht gut schießt..." Er rannte lachend los und ich ihm hinterher.

Kalte KellerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt