Er atmete tief ein, als wolle er zu einem Seufzen ansetzen. »Weißt du, es klingt unglaubwürdig und ich kann dir nicht viel erzählen, aber …« Ich zog die Augenbrauen hoch. Er soll bloß nicht denken, ich hätte Mitleid mit ihm.
»Ich … habe nicht viel Geld. Die Ausbildung bringt kaum mehr ein, als ich für meine Miete zahle. Es reicht nicht, um mich und meinen Bruder zu versorgen. Irgendwie musste ich mehr Geld verdienen, aber mein Chef ließ nicht mit sich verhandeln und dann bin ich in diese Sache reingerutscht.« Beschämt blickte er zu Boden. So wie er da kniete, ging von ihm keine Gefahr aus, also steckte ich mein Handy vorerst in die Hosentasche meines Pyjamas.»Ich rufe nicht die Polizei.« Er hob sichtlich erleichtert den Kopf. »Aber versprich mir, so etwas nie wieder zu tun. Es gibt so viele Nebenjobs, mit denen man sich etwas dazu verdienen kann. Ob Cafés oder Supermärkte, sogar Büchereien suchen hier dringend Aushilfen.« Das wusste ich so genau, da ich durch meine Arbeit in der Kantine viele Menschen kennengelernt habe, die hauptsächlich von solchen Jobs lebten.
»Versprochen«, gab er kaum hörbar von sich, »Ich werde nicht mehr einbrechen.«
»Ich hoffe, dass du es ernst meinst und das nicht nur so ein billiger Trick ist«, drohte ich und warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Natürlich, ich breche keine Versprechen und mir ist auch bewusst, dass ich mein Problem ganz falsch angegangen bin. Kannst du dir vorstellen, was für ein schlechtes Gewissen ich habe?«
»Hätte dich dein schlechtes Gewissen nicht von so etwas abhalten müssen?«, sprudelte es aus mir heraus. Erneut schaute er zu Boden. Ich atmete tief durch. »Steh auf. Du solltest besser verschwinden, bevor ich es mir anders überlege.« Was mache ich hier eigentlich gerade?, schoss es durch meinen Kopf.Ungläubig richtete er sich auf und ging zum Fenster. Aber als er hinaus kletterte, blieb er mit dem Pullover am Fensterrahmen hängen. »Brauchst du Hilfe?«, fragte ich belustigt und kam auf ihn zu.
»Nein, das geht schon«, antwortete er knapp und drehte sich auf der schmalen Fensterbank, um sich zu befreien. Mit einem Ruck zog er seinen Pullover aus dem Rahmen, hatte aber so viel Schwung, dass er nach hinten kippte. Schnell griff ich sein Handgelenk und zog ihn zurück. Er starrte mich an. »Danke« Ich schüttelte den Kopf.
Fast wäre er mit dem Kopf voran auf unser Vordach geknallt. »Vorsichtig«, formte ich mit meinen Lippen ohne es auszusprechen.
Er nickte kaum merklich, sprang auf das Vordach und verschwand in die Dunkelheit, aus der er kam.
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Fear Trust Love
RomanceMira steckt tief im Stress. In wenigen Wochen finden schon die Abiturprüfungen statt, also stürzt sie sich in stundenlanges Lernen. Kaum jemand bekommt sie außerhalb der Schule zu Gesicht. Doch ihr Leben ändert sich, als sie eines Nachts unerwartete...