Ich lag in meinem Bett und spürte die Müdigkeit, die sich in den letzten Tagen angestaut hatte.
Nachdem ich vor Nick zusammengebrochen war, hatte ich ihm von meinem Prüfungsstress, den nahezu schlaflosen Nächten und dem wenig Essen erzählt. Er bestand darauf, dass ich sofort zu Bett ging und verließ erst das Haus, als ich ihm versichert hatte, dies zu tun. Er wollte morgen Abend noch einmal vorbei kommen, um zu sehen, ob es mir besser ging.Meine Übermüdung zog mich in einen tiefen Schlaf.
Ich wachte erst durch das Klingeln meines Weckers auf, was eine Seltenheit geworden war. Motiviert den neuen Tag anders zu starten, streckte ich mich und kroch aus meinem Bett. Schon beim Anblick meines Schulrucksackes, wurde mir mulmig zumute. Trotzdem zwang ich mich, nicht wieder in alte Muster zu verfallen.Das Frühstück kostete mich viel Mühe. Ich hatte niemanden, der mich irgendwie antrieb oder mir zumindest Gesellschaft leistete, denn mein Vater schlief und Jannik war bereits auf Arbeit. Das machte es nicht unbedingt leichter, doch es war keine Option weiterzumachen wie bisher. So schluckte ich den letzten Löffel voller Müsli hinter.
Durch meine Appetitlosigkeit hatte das Frühstück länger gedauert als sonst. Nun musste ich mich beeilen und hastete ins Bad. Es war nur noch Zeit für das Kurzprogramm.
Einige Minuten später schnappte ich meinen Rucksack und sprang aufs Fahrrad.~
Ich hatte es, dank meines Kurzprogramms, pünktlich zur Schule geschafft und bog sogar noch vor Abigail auf das Schulgelände ein. Ich stieg von meinem Rad und stellte es unter das rostende Blechdach des Fahrradstellplatzes.
Da kam auch schon Abby angeradelt. Sie sprang von ihrem Rad und umarmte mich stürmisch. »Guten Morgen! Ich muss dir etwas erzählen!« Zumindest schien es diesmal nicht so eine peinliche Geschichte über meinen Bruder zu sein, denn sie strahlte mich an.
»Was ist denn los?«
»Der Abiball ist in drei Wochen!« Abby grinste übers ganze Gesicht.Sofort musste ich an Nicks perplexen Blick denken, als ich verkündete, dass er mit mir zum Ball ginge. Aber ich war zufrieden mit meiner Wahl.
»Ja, dieser Abend wird unvergesslich! Wir werden feiern und tanzen bis in die Morgenstunden!«, sprudelte es aus mir heraus. Abigail hatte in mir eine Begeisterung geweckt, die ich nicht mehr halten konnte.»Sag mal, seit wann begegnest du dem Abiball mit so viel Vorfreude? Du hast doch noch nicht einmal einen Tanzpartner«, stellte sie fest. Beim Wort Tanzpartner geriet meine Begeisterung ins wanken. Skeptisch zog sie die Augenbrauen hoch. Ich zuckte mit den Schultern.
»Ich, ähm, freue mich doch nur, dass wir unseren Abschluss gemeinsam noch besonderer machen können«, versuchte ich mich zu retten. Mir wurde bewusst, dass ich wohl etwas zu tief hatte blicken lassen.Abby schaute mich nachdenklich an. »Moment. Ich glaube das ist nicht der Grund dafür.« Ich schluckte. Ich wusste, sie würde mir bald auf die Schliche kommen, dafür kannte ich sie, nein sie mich, zu gut.
Ihre Augen weiteten sich. »Oh mein Gott, du hast einen Tanzpartner!«, entfuhr es ihr. Okay, so schnell hatte ich es nicht vermutet. Sofort spürte ich, dass meine Wangen begannen zu glühen. Ich hoffte, das ich nicht zu rot wurde.
»Wo soll ich den denn jetzt plötzlich her haben?«, versuchte ich zu leugnen. Meine Stimmlage war viel höher als gewohnt, was meine vermeintliche Tarnung auffliegen ließ.
Abigail grinste wieder. »Das müsstest du doch eigentlich wissen.«
»Ich weiß überhaupt nicht wovon du sprichst«, sagte ich zum Scherz. Mir war bewusst, dass sie mich schon längst durchschaut hatte, dennoch wollte ich ihr nicht zu viel verraten.
»Komm schon, wer ist es?«
Ich schüttelte wortlos den Kopf und warf ihr einen geheimnisvollen Blick zu. Das würdest du mir nicht glauben.
»Das ist unfair! Du kannst mir doch alles erzählen.«
»Ich sag' dir jetzt eins, wenn wir uns jetzt nicht beeilen, kommen wir zu spät zum Unterricht.« Beleidigt schwieg Abby und folgte mir ins Schulgebäude.~
Wir hatten die ersten Stunden hinter uns gebracht. Abigail winkte mich zu sich. Ich grinste sie an und kam zu ihr. Ich erwartete bereits die Frage, die sie mir immer wieder stellte, seit ich mich verplappert hatte.
Sie kam gleich zum Thema. »Du hast einen Tanzpartner, ich bin mir sicher. Nun sag mir doch endlich wer es ist!«, forderte Abby zum x-ten Mal heute.
»Lass dich überraschen.«
»Du bist gemein«, jammerte sie. »Aber du hast schon ein Kleid, oder?«
Ich hielt inne. Daran hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht. »Wie gesagt, lass dich überraschen«, antwortete ich viel zu spät.
Abigail durchschaute mich erneut. Das war vermutlich auch nicht schwer, denn mir wich jede Farbe aus dem Gesicht. »Du hast immernoch kein Kleid?! Dann weiß ich ja, was du heute noch vor hast.«Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Biologieraum.
Der Unterricht zog sich wie Kaugummi. Dennoch konnte ich mich besser konzentrieren als gestern.
In der Pause drückte ich Leon die Brotdose in die Hand und machte mich mit Abigail zusammen auf den Weg zur Cafeteria, die am Ende des Schulgebäudes lag. Mein Appetit war wiedergekehrt. Ich fühlte mich viel besser als heute früh.
Irgendwann neigte sich auch dieser Schultag dem Ende zu und ich radelte zurück nach Hause.~
In meinem Zimmer startete ich sofort meinen PC. Bei dem Druck, den ich mir wegen der Prüfungen machte, hatte ich nicht nur mein Abiballkleid, sondern auch mich selbst vergessen. Das wollte ich ändern, also nutzte ich die Zeit, solange Nick noch nicht da war, für die Suche nach einem Kleid im Internet.
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Fear Trust Love
RomanceMira steckt tief im Stress. In wenigen Wochen finden schon die Abiturprüfungen statt, also stürzt sie sich in stundenlanges Lernen. Kaum jemand bekommt sie außerhalb der Schule zu Gesicht. Doch ihr Leben ändert sich, als sie eines Nachts unerwartete...