EINUNDZWANZIG

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Nein, nein, nein... Schon eine Ewigkeit stand ich vor dem Kleiderschrank, was für mich etwas sehr Untypisches war. Ich arbeite mich weiter durch den Schrank und seufzte. Nein, es ist zu warm für Jeans. So griff ich nach der letzten Option, ein schwarz-weiß karierter Rock. Zweifelnd warf ich einen letzten Blick in den Kleiderschrank. Eigentlich trug ich nie Röcke, aber es blieb mir nichts anderes übrig.

Prüfend sah ich mich im Spiegel an. Ok, das war akzeptabel. Ich schaute zur Uhr an meiner Wand. Ich hatte für dieses Outfit tatsächlich eine halbe Stunde gebraucht. Warum war es mir so wichtig, wie ich aussehe? Vielleicht weil es deine erste Verabredung mit Nick ist? Sofort versuchte ich diesen Gedanken in eine andere Ecke meines Kopfes zu drängen, was eher weniger klappte.
So ein Quatsch, redete ich mir ein, ich hatte mich schon öfter mit Nick getroffen. Dieses Mal ist das Treffen nur nicht hier zuhause. Außerdem ist es gar keine Verabredung in diesem Sinne, ich habe ihn nur zu einem Krimidinner mit ein paar Freunden eingeladen.
Nachdem ich diese innerliche Diskussion hinter mich gebracht hatte, ging ich in Richtung Empfangsbereich, denn Nick würde bald hier sein.

Im Flur wurde ich von Jannik aufgehalten. Er musterte mich von oben bis unten. »Wo geht's denn hin?«
»Zu Abbys Krimidinner«, antwortete ich.
»Das ist schon heute? Soll ich dich fahren?«, fragte mein Bruder weiter.
»Nein, brauchst du nicht. Ich warte noch auf Nick und dann machen wir uns gemeinsam auf den Weg«, erklärte ich.
»Achso.« An Janniks Stimmlage erkannte ich, wie er dazu stand. Es klang wie ein Vorwurf, aber ich versuchte es zu ignorieren.
»Aber sei vorsichtig, man kann ja nie wissen...«, fügte er noch hinzu.
»Jannik! Ich bin alt genug und auch nicht allein. Ich werde den Weg dorthin schon überleben!« Ich rollte mit den Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. Mein Bruder hob die Augenbrauen hoch, als wäre ich diejenige, die gerade alles ins Lächerliche zog.
»Nick ist jeden Moment hier«, sagte ich und ging einfach an Jannik vorbei.

Ich ließ mich auf das Sofa im Eingangsbereich fallen und warf einen Blick auf mein Handy. Noch zehn Minuten.
Schnell schrieb ich Abigail, dass wir uns bald auf den Weg machen würden, als ich ein Klopfen hörte. Ich blickte auf. Nick schaute durch die Scheibe in der Haustür und grinste. Sofort fingen meine Wangen an zu glühen. Ich stand auf, strich noch einmal über meinen Rock und öffnete die Tür.

»Hey.« Ich umarmte ihn. Ein Kribbeln schoss durch mich und hinterließ eine angenehme Wärme.
»Hallo«, begrüßte mich Nick. Es wurde für einen Augenblick still und er sah mich fragend an.
Nun schaute er an sich hinab. »Hätte ich mich anders anziehen müssen? Weil... ich weiß nicht, ob ich mich so neben dir sehen lassen kann. Ich meine, wenn da alle so...«
Ich fiel ihm ins Wort. Jetzt wusste ich, worauf er hinaus wollte. Vielleicht hätte ich doch keine weiße Bluse zum Rock anziehen sollen. Ich stellte fest, ich war overdressed im Gegensatz zu Nick in seiner Alltagskleidung.

»Wenn dann bin ich diejenige, die falsch gekleidet ist. Aber jetzt ist es zu spät. Jetzt musst du dich so mit mir sehen lassen.«
»Du bist mir nicht peinlich. Du...« Er unterbrach sich, sprach dann aber doch weiter. »Du... siehst toll aus. Dein Rock gefällt mir.«
Schlagartig wurde mir warm und ich spürte wie das Blut in meine Wangen schoss. »Danke. Den Rock kann ich dir leihen, wenn du magst.« Ich grinste ihn an. Er brach in Lachen aus.
»Ich glaube dir steht er besser als mir. Du kannst ihn gerne behalten«, entgegnete Nick, als er sich wieder etwas beruhigt hatte.
»Lass uns gehen. Abigail wartet sicher schon auf uns.« Ich schloss die Haustür ab und als wir uns zum Gehen wandten, striffen unsere Arme einander. Sofort entstand durch diese kurze Berührung ein Prickeln auf meiner Haut. Ich sah ihn an und er schenkte mir ein Lächeln. Innerlich schmolz ich dahin.

~

Wir kamen in einen ziemlich überfüllten Flur. In der Mitte des so schon schmalen Flures stand eine Trennwand. Wenn man an ihr rechts und links vorbei schaute, konnte man nur bodenlange dunkelgrüne Vorhänge sehen, die ich bereits von dem letzten Krimidinner kannte. Damals dienten sie allerdings als Tischdecke.
Abigail schob sich an einem der Vorhänge vorbei. In der Hand hatte sie ihr Klemmbrett, wie jedes Jahr stand darauf ihr Skript. Als sie uns beide sah, stürmte sie lächelnd auf uns zu. Sie viel mir in den Arm.

»Endlich seid ihr da. Ihr seid die ersten. Ich hoffe die anderen kommen auch bald«, sagte sie, machte einige Haken auf ihrem Klemmbrett, dann schaute sie neugierig zu meiner Begleitung.
»Das ist Nick. Nick, das ist Abigail«, erklärte ich und zog ihn am Arm nach vorn, da er sich hinter mir versteckte.

Abby grinste erst mich und dann ihn an. »Hey«, sagte er und wollte ihr die Hand entgegen strecken, doch sie war schneller und umarmte ihn. »Hallo Nick«, entgegnete sie. Dieser wirkte etwas perplex.
Danach sah er mich an, als wollte er sich bei mir beschweren. Warum hast du mich nicht gewarnt?, fragte sein Blick. Aber das war Abbys Art von Begrüßung, daran würde er sich gewöhnen müssen. Also grinste ich nur belustigt.

Sofort war Abigail wieder im Planungsmodus. »Also, wenn ihr soweit seid, gehst du bitte links und Nick rechts entlang.« Sie deutete auf die engen, durch die Trennwand geteilten, Gänge. »Da geht es dann zu den Kostümen.«
»Moment, Kostüme?!« Nick fand an dem Gedanken nicht so großen Gefallen.
»Naja, es sind nicht komplette Kostüme, eher kleinere Accessoires, die die Figur ausmachen«, erklärte Abigail. Das war eine Premiere. Ich war gespannt, was sie da auf die Beine gestellt hatte.
»Achso.« Nick wirkte noch etwas skeptisch, schien es aber besser als eine vollständige Kostümierung zu finden.
»Okay, ich muss noch etwas vorbereiten. Wir sehen uns gleich.« Abigail verschwand hinter dem linken Vorhang.

Gerade wollte ich losgehen, als ich bemerkte, dass Nick unschlüssig stehen blieb. Ich hörte, wie er seufzte und stupste ihn aufmunternd mit dem Arm an. »Hey, das mit den Kostümen ist auch für mich neu. Aber das wird lustig, okay?«
»Hmm«, brummte er. Ich legte eine Hand auf seine Schulter. »Ach komm, so schlimm wird es schon nicht.«
»Versprochen?« Er grinste mich an.
»Versprochen.« Nun musste auch ich grinsen.

Dann gingen wir, jeder in seinen Gang. Als ich den Vorhang aufzog, wartete da auch schon Abigail auf mich. Sie hatte in ihrem Flur zwei separate Räume erschaffen, die als Ankleidezimmer dienten.
Abby grinste mich an und deutete auf einen der Barhocker. Ich nahm Platz.

»Er ist echt süß.« Sie lächelte mich an. Ich sagte nichts, sondern nickte nur. Sofort schoss mir die Röte ins Gesicht. Ich schaute zu Boden, als könnte ich es so vor ihr verstecken. »Aber ihr seid nicht zusammen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, sind wir nicht.«
Wir? Ein Paar? Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich wusste ja noch nicht einmal so genau, was das zwischen uns war. Auf jeden Fall konnte ich es nur schwer zuordnen.
»Schade eigentlich«, sagte sie. Ich lächelte unsicher. Bei ihr und Mark erschien mir das ganze so leicht und irgendwie auch logisch. Sie gehörten einfach zusammen. Aber was war das mit Nick?

Plötzlich bekam ich Angst, dass er etwas gehört hatte. Er saß zwar hinter der Trennwand, aber diese erschien mir nicht sonderlich dick.
Ich lauschte und vernahm eine Stimme, die nur von Mark sein konnte. Klar, er war bei ihm und erklärte Nick alles. Wahrscheinlich hatte er nichts mitbekommen, denn auch ich hörte sie zwar nebenan reden, wusste aber nicht worüber.
Abigail holte ein Haarband mit Blüten aus der Kostümkiste und gab es mir. Dann begann sie meinen linken Arm zu verbinden.

»Was machst du da?«, fragte ich etwas verwundert.
»Tja, wie sagst du so schön? Lass dich überraschen«, entgegnete sie mir grinsend. Ich schüttelte lächelnd den Kopf.
Sie gab mir meine Karte. Ich wusste, nun hatte ich Zeit mich mit meiner Rolle auseinander zu setzen, bis die anderen bereit waren. Neugierig warf ich einen Blick darauf.

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