DREIUNDZWANZIG

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Abigail leitete den Teil des Krimidinners ein, in dem ermittelt wurde.
Wir warfen einander prüfende Blicke zu, was allerdings nur wenig nutzte, denn jeder hatte sein Pokerface aufgesetzt oder war, wie Dennis, gänzlich mit seiner Rolle verschmolzen.

Nick hielt die Stille nicht mehr aus und so ergriff er das Wort. »Was wissen wir über den Täter?«, fragte er indirekt in die Runde.
»Er musste eine Weile laufen, um sein Opfer zu erreichen«, stellte ich fest.
»Und er hatte ein Messer«, fuhr die Gastgeberin fort.
»Entweder war es geplant und er trug das Messer die ganze Zeit über bei sich...«
»Oder der Mord war ungeplant und er hat es aus der Küche genommen«, beendete ich Marcos Gedanken.

»In diesem Fall wäre die Zahl der Verdächtigen deutlich geschrumpft, denn es waren nur zwei Personen in der Küche«, fügte Patrick hinzu und warf Cathrine und Marco anklagende Blicke zu.
»Meinst du nicht, das wäre etwas zu einfach?«, fragte Marco zweifelnd.
»Genau so gut hättest du Dave umgebracht haben können, um Lucy endlich aus seinen Fängen zu befreien oder vielleicht hat sie es ja selbst versucht?«, setzte er seinen Gedanken fort, worauf ich merkte wie Nick mich noch näher an sich zog und Marco verärgert ansah. Mein Herz klopfte so stark, dass ich befürchte Nick konnte es hören. Es war schwierig für mich, meine Konzentration auf das Eigentliche zu lenken.

Nun klinkte sich Cathrine wieder ein. »Okay, gehen wir mal davon aus, es war ungeplant. Ich bin mir ziemlich sicher, dass keiner dieses Messer bei sich trug«, sagte sie. Emily musste alle Mitspieler genau im Auge behalten haben.
»Lucy hat sich, während das Licht aus war, nicht einen Schritt von der Stelle bewegt. Das kann ich bezeugen, ich saß auf dem Stuhl, neben dem sie stand. Auch Patrick kann es nicht gewesen sein. Er wäre an mir vorbei gegangen, wenn er sich wieder auf seinen Platz gesetzt hätte«, erklärte Cathrine und ich war mir sicher, dass auch sie sich nicht bewegt hatte, als es dunkel war.

»Vielleicht hat er absichtlich einen Bogen um dich gemacht?«, wandte Marco ein. Ich zog die Augenbrauen hoch. Was für eine merkwürdige Frage.
»Also, ich vermute, dass die Sicherung nicht von allein rausgeflogen ist, sondern dass der Mörder den Strom selbst abgeschaltet hat und ich kenne nur eine Person, die sich in der Nähe des Sicherungskastens befand, als das Licht aus ging«, sagte Patrick. Ich nickte zustimmend. Der Sicherungskasten lag nur ein paar Meter von der Küche entfernt.
Nick hielt mich noch immer an sich gedrückt, was mir Schwierigkeiten bereitete, bei der Sache zu bleiben. Ich fragte mich, ob er das von sich aus tat oder ob es seine Rolle war, die er spielte.

»Ich wollte gerade noch Kartoffeln aufsetzen, als mir der Strom einen Strich durch die Rechnung gemacht hat«, verteidigte sich Marco.
»Da hat Patrick aber recht, du bist der Einzige, der sich in der Nähe befand«, stellte Cathrine fest. Marco runzelte die Stirn.
»Und du hast auch ein Motiv. Du hast es kaum ausgehalten, dass Dave seinen Wutausbruch an Cathrine auslässt und nun wolltest du dich endgültig rächen«, offenbarte ich meine Vermutung. Sofort hatte ich wieder das Bild im Kopf, wie Marco seine Hände zu Fäuste ballte.
»Marco, hast du Dave ermordet?«, fragte Cathrine mit durchdringenden Blick.

Marco erhob beide Hände und gab sich geschlagen. Emily grinste triumphierend, der scheinbar tote Dave erhob sich und Nick drückte mich an sich. Euphorie lag in der Luft.
Ich drehte mich zu Nick und lächelte. Noch immer hatte er mich nicht losgelassen. Plötzlich schien um uns alles ruhig zu sein, als gäbe es nur noch uns zwei. Durch die Nähe unserer Gesichter, war die Luft zwischen uns wie elektrisiert. Ich schaute in seine blauen Augen. Er kam näher bis seine Lippen meine berührten. Alles was ich spürte waren die Kunsthaare das Klebeschnurrbartes, ich zog meinen Kopf weg. Nick sah mich verunsichert an.

Der Arme tat mir leid, denn ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. Dieser lächerliche Bart, jetzt würde ich ihn davon befreien. Ich zog den Bart, noch immer amüsiert, von seiner Oberlippe ab. Nun musste auch er grinsen, dann küsste er mich erneut. Das Kribbeln war so stark, wie ich es noch nie gespürt hatte. Das Blut schoss durch meine Adern.
Als wir uns voneinander lösten brach um uns Applaus und Jubel aus. Abigail jauchzte im Hintergrund. Nicks Augen funkelten und sein Gesicht hatte eine rötliche Farbe angenommen. Vermutlich war ich ebenfalls rot geworden, denn eine unglaubliche Wärme floss durch meinen Körper.
Abigail lächelte mich an und ich fragte mich, was von dem ganzen sie wirklich geplant hatte. Ihr traute ich so einiges zu.

»Herzlichen Glückwunsch! Ihr habt den Mörder enttarnt und alle wichtigen Fakten offen gelegt. Lasst uns darauf anstoßen!« Abigail holte ein Tablett mit Sektgläsern und verteilte sie. Dann hob sie ihr Glas. »Auf die geglückte Ermittlung und auf das schönste Ende eines Krimidinners, das es je gab!« Sie zwinkerte mir zu. »... Und auf euch!«
»Auf Abigail!«, entgegneten Nick und ich wie aus einem Mund.

~

Als wir in meinen Garten kamen, waren drinnen bereits alle Lichter erloschen.
»Schön, das du heute mitgekommen bist«, sagte ich lächelnd.
»Danke, dass ich mitkommen durfte«, entgegnete er.
»Kam es dir eigentlich auch so vor, als hätte Abigail das, was passiert ist, alles geplant?«, fragte er einige Schritte später.
Ich nickte. »Da bin ich mir fast schon sicher. Auf jeden Fall bin ich ihr dankbar für diesen Abend und... dir.«
Ich umarmte Nick und er drückte mich an sich. Eine Weile standen wir so da.
»Bis bald«, flüsterte ich.
»Bis bald.« Eigentlich wollte ich ihn gar nicht loslassen, doch Nick musste ja auch nach Hause, also löste ich mich von ihm.

»Mira?« Ich hatte bereits die Haustür geöffnet und drehte mich zu ihm. Als ich Nick sah, musste ich lachen. Die Tür ließ ich wieder ins Schloss fallen und ging zu ihm.
»Du hast den Bart mitgenommen?«
»Ich habe vorher gefragt«, verteidigte sich Nick.

Grinsend zog ich den Bart wieder ab. Nick nutzte die Gelegenheit, in der ich so nah bei ihm stand und legte beide Arme um mich. Mir wurde ganz schwindelig. Ich schob eine seiner blonden Locken, die ihm vor den Augen hing nach hinten, dann küsste ich ihn. Sofort entfachte sich in mir das Kribbeln und machte mir ganz weiche Knie.

»Solltest du jemals auf die Idee kommen, dir einen Schurrbart wachsen zu lassen, werde ich ihn dir persönlich abrasieren«, drohte ich im Scherz.
»Ich schwöre, ich werde es nicht tun.« Und da war es wieder dieses Grinsen. Nun wusste ich, Nicks Grinsen war nicht wie das seines Bruders. Es war unvergleichbar.
»Dann bin ich ja beruhigt.« Ich schmiegte mich noch einmal an ihn.
»Bis morgen?«, fragte er.
Ich ließ ihn los und lächelte entschuldigend. »Tut mir leid. Du weißt ja, es sind bald Prüfungen, da will ich gut vorbereitet sein. Aber vielleicht kannst du abends vorbei kommen?«
»Klar, wann soll ich da sein?« Ich kramte das Handy aus meiner Tasche.
»Warte...«

Er beobachtete mich verwirrt. »Was machst du da?«
Ich lächelte. »Was wohl? Ich gebe dir meine Nummer.«
»Achso.« Er grinste über beide Ohren.

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