DREIZEHN

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Heute morgen war mein Vater von der Geschäftsreise zurückgekehrt. Nun saßen wir zu dritt am Tisch beim Frühstück. Es entstand dieses unangenehme Schweigen. Keinem fiel ein passendes Gesprächsthema ein. Obwohl ich genau wusste, es gab da etwas worüber Jannik mit mir reden wollte, doch die Anwesenheit unseres Vaters hielt ihn davon ab. So waren die einzigen Geräusche, die durch den Raum schwirrten, das gelegentliche Klappern von Besteck auf Porzellan.

Mein Vater war kein Mensch großer Reden, dennoch erkannte er es als seine Verpflichtung, ein Gespräch zu beginnen. »Mira, wie läuft es in der Schule?«, fragte er in die Stille.
»Ganz gut, nur die Prüfungen machen mich ganz schön nervös«, gab ich zu.
»Sie packt das schon. Jeden Tag lernt sie bis abends und hat trotzdem noch Zeit für...« Mein Blick verriet Jannik eindeutig, dass er sich diese Andeutung sparen sollte. »...Freunde gefunden.« Er hatte gerade noch die Kurve gekriegt.
»Gut, ich bin im Arbeitszimmer«, sagte mein Vater, stand vom Tisch auf und ging. So lief es meistens ab. Entweder war er wochenlang auf Reisen und meldete sich nur selten oder er war zwar zu Hause, aber verschanzte sich die meiste Zeit in seinem Büro.

Auch ich sprang auf, denn ich wollte es vermeiden, mit meinem Bruder alleine zu sein. Ich spürte sein Verlangen, genaueres über gestern herauszufinden. Das wollte ich umgehen, aber leider war ich nicht schnell genug.
»Sag mal, seit wann steht eigentlich fest, dass er deine Abiballbegleitung ist?« Jannik hätte es wohl gerne verhindert, das hörte ich an seiner Tonlage.
»Er hat auch einen Namen.« Der Blick meines Bruders sprach Bände.
»Seit gestern«, antwortete ich kurz angebunden.
»Hat Nick dich in der Schule gefragt?«, fragte er weiter. Ich rollte mit den Augen. Warum ist mein Bruder so?
»Ich habe ihn gefragt, ob er mit mir zum Abiball gehen will«, log ich. Es war ja nicht ganz falsch, denn die Situation gestern war auf meinem Mist gewachsen, also hatte ich ihn mehr oder weniger gefragt. Außerdem sollte er endlich begreifen, dass ich mein Leben selbst in der Hand nehmen konnte.

Mein Bruder starrte mich an. Er schien auf einen Gedanken gekommen zu sein, der ihm gar nicht gefiel. »Aber ihr seit nicht zus..«
»Jannik!«, schrie ich, »Es reicht! Das ist mein Leben, indem ich meine eigenen Entscheidungen treffe! Du kannst nicht ewig alles in Frage stellen, was ich tue!«
Er traute sich nicht etwas zu sagen. Diese Reaktion wollte er nicht hervorrufen, das wusste ich. Ich hatte es einfach nicht mehr ausgehalten und war ausgetickt. Nun tat es mir leid. So war ich eigentlich nie.
»Wir sind nicht zusammen«, antwortete ich, als ich mich wieder beruhigt hatte.

Jannik schwieg noch immer. Ich hatte nicht vor ihn zu verletzen, denn er war immer für mich da. Ich mochte ihn, er war viel mehr als nur mein Bruder. Jannik war alles was Familie beschrieb.
»Entschuldigung«, flüsterte ich und umarmte ihn.
Er ließ mich los. »Du hast ja recht. Ich habe es wohl in letzter Zeit etwas übertrieben. Ich wollte nie einsehen, dass du jetzt eigentlich erwachsen bist«, gestand er.
»Eigentlich erwachsen?« Ich schubste ihn zur Seite und drängte mich an ihm vorbei. Jannik grinste mich an. In seinen Augen war ich es nicht.

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