Ein Traum. Ein ziemlich kitschiger, aber ziemlich magischer Traum. Anders konnte ich die nächsten Wochen einfach nicht beschreiben. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, aber Noah war perfekt für mich. Er war super lieb, manchmal super frech und nicht sauer, wenn ich einmal ein wenig Zeit für mich brauchte. Die Bank auf dem Berg mit der schönen Aussicht wurde zu unserem Stammplatz.
Wir fuhren dort fast jede Mittagspause hin und jeden Freitag kuschelten wir uns zusammen auf das Gras und schauten einen Film. Wir gingen Schlittschuhfahren, ins Autokino und ins Schwimmbad, schnitzten mit Harper gemeinsam Kürbisse an Halloween und trafen uns mit Harper und Olive zum Viererdate. Es war so verdammt einfach. Ich hatte immer gedacht in einer Beziehung musste man gewisse Seiten oder Teile von sich aufgeben. Aber man musste das nicht. Ich war einfach ich. Und Noah eine lebensgroße Bereicherung, die ich wahrscheinlich nie im Leben begreifen würde. Die Samstagabende mit meinem Dad wurden eine Art Routine und unsere Kochkünste schienen sich deutlich zu verbessern.
Es war Ende November als er mich etwas fragte, was mich ein wenig aus dem Konzept brachte. Wir waren jetzt schon fast zwei Monat zusammen. Ich lag gerade auf meinem Bett und las, während er an meinem Bettende saß. Er hatte meine Beine auf seinem Schoß und seinen Laptop darauf platziert und arbeitete an einer Hausarbeit. Ich war völlig vertieft in mein Buch und sah erst auf als er in meinen Oberschenkel zwickte. Ich sah ihn gespielt böse über mein Buch hinweg an. Er lächelte leicht, dann klappte er seinen Laptop zu, hob meine Beine von seinem Schoß und legte sich auf den Bauch neben mich.
Er stützte seinen Kopf auf einen Arm und sah mich an. „Möchtest du meine Eltern kennenlernen?" Ich versuchte möglichst lässig zu bleiben. Ich wusste nicht, warum mich der Gedanke daran so nervös machte, denn immerhin kannte er meinen Dad ziemlich gut. Ich fragte leise: „Möchtest du, dass ich sie kennenlerne?" Noah stieß ein prustendes Lachen hervor und ich sah ihn verwirrt an. Er strich mir die Haare von der Schulter: „Dass du dich das überhaupt noch fragen musst. Natürlich will ich, dass du sie kennenlernst."
Ich lächelte ihn an und er fuhr fort: „Aber ehrlich gesagt, frage ich dich gerade, weil sie dich am Samstag zum Essen einladen wollen..." Mein Herz machte einen kleinen Satz bei dem Gedanken, dass Noah mit seinen Eltern über mich sprach. Ich lächelte sanft: „Ich würde die Einladung gerne annehmen." Noah beugte sich zu mir und küsste mich sanft auf die Lippen. Ich würde mich nie an dieses Gefühl gewöhnen. Der sanfte Schauer und das Wohlgefühl, das durch meine Adern strömte.
Er fuhr sanft mit den Fingern über meine Gesichtszüge und ich schloss die Augen bei seiner Berührung. Sein kleines Lachen jagte mir noch einen Schauer die Wirbelsäule entlang. Seine Stimme war ganz leise, ich spürte seinen Atem an meiner Wange. „Das hier fühlt sich so verdammt natürlich an." Ich lächelte, Noahs Finger auf meinen Lippen. Dann öffnete ich meine Augen und sah in seine. „Ich hatte immer gedacht, Beziehungen seien ein Haufen Arbeit... Ich habe immer gedacht, ich müsste einer Art Anleitung folgen..." Er nickte, spielte ein wenig mit meinen Haaren: „Ich glaube, ich weiß was du meinst."
Ich lächelte ihn an und er lächelte zurück. Ich legte mich nun auch auf die Seite und stützte meinen Kopf auf einen Arm. „Erzähl mir wovor du Angst hast." Noah überlegte eine Weile, dann sagte er ein wenig verloren: „Vor der Zukunft." Ich sah ihn fragend an. Er seufzte und biss sich auf die Lippe. „Ich weiß, das sagen wahrscheinlich viele Leute, aber jedes Mal wenn ich daran denke, was ich später mal machen sollte, wird alles leer da oben. Ich hab das Gefühl, ich passe nicht wirklich irgendwo hin..." Ich strich ihm beim Reden sanft über den Arm und sah aufmerksam seinen Gesichtszügen zu. Ich sagte leise: „Mir geht es manchmal genauso. Aber man sagte mir mal, dass ich meine Zukunft eingrenzen könnte..."
Ich dankte Harper in Gedanken für ihre weisen Worte. Noah sah mich aufmerksam an und ich fuhr fort: „Na ja, denk einfach daran, wo du nächste Woche sein möchtest. Und wenn das selbst noch zu lang ist, dann denk darüber nach was du morgen machen möchtest... Tag für Tag." Er sah mich an und ich meinte seine Zuneigung in seinen Augen ablesen zu können. „Dann möchte ich nächste Woche bei dir sein." Ich boxte ihn ein wenig verlegen, aber ich hoffte insgeheim, dass er realisierte, wie viel mir seine Worte bedeuteten. Ich legte meine Lippen sanft auf seine. „Das ist ein schöner Wunsch."
Als ich am nächsten Morgen aus seinem Wagen stieg, wirkte Noah nervös. Er hatte ein Gespräch mit seinem Coach und ich wusste, dass er nach seinen Stipendien gefragt werden würde. Ich nahm sein Gesicht in meine Hände: „Einfach genauso machen, wie wir es gestern besprochen haben, okay?" Wir hatten zusammen nach einer möglichst freundlichen Formulierung gesucht, die er seinem Coach überliefern konnte, ohne ihn gleich persönlich anzugreifen. Noah war sich einfach noch nicht sicher und bevor er etwas annehmen sollte, sollte er sich lieber sicher sein. Er nickte und wirkte kein bisschen entspannter.
Ich seufzte und zog ihn an mich. Seine Lippen schmeckten nach Kaffee und ich gab mich dem Kuss hin. Er löste sich nach einer Weile und endlich erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. Er wuschelte mir durch die Haare: „Danke. Wir sehen uns in der Mittagspause." Er küsste mich noch einmal: „Mach's gut, McCoy." Ich boxte ihn: „Mach's besser, Rhodes." Er lachte und ich sah ihm kurz hinterher. Dann drehte ich mich auf der Stelle um und sah Harper an der Bushaltestelle warten. Sie sah zu mir hinüber aber anstelle ihres freundlichen Lächelns, sagte mir ihr Gesichtsausdruck rein gar nichts.
Ich lief schnell zu ihr rüber. Sie trug einen Fahrradhose und ein langes weißes Shirt mit irgendeiner Achtzigerband darauf. Ihre Haare hatten zusätzlich zu dem Lila in den Spitzen auch noch grüne Strähnchen dazugewonnen. Ich lächelte sie an: „Du siehst abgefahren aus." Sie spitzte die Lippen: „Versuchst du dir grade wieder einen Weg in mein Herz zu schleimen?"
Ich zog unschuldig die Schultern hoch und sah sie halb flehend an: „Vielleicht?" Harper seufzte und dann lächelte sie leicht. Mein Gesicht erhellte sich und sie hakte sich bei mir ein. Als wir gemeinsam das Schulgebäude betraten, sah ich sie ernst an: „Okay, jetzt mal wirklich: Es tut mir leid. Ich bin gerade ein wenig zu sehr auf Noah fokussiert." Harper verdrehte ihre Augen: „Ihr seid frisch zusammen, da hingen Olive und ich auch nur aufeinander herum. Ich versteh das schon." Ich wusste, sie sagte das, damit ich mich nicht schlecht fühlte. Und da ich diese Information hatte, fühlte ich mich umso schlechter.
Ich stupste sie an: „Möchtest du heute Abend ein paar Make-Up-Looks an mir ausprobieren?" Harper sah mich ungewohnt überrascht an: „Wolltest du nicht mit Noah zu dieser langweiligen Kunstaustellung?" Ich lächelte leicht: „Du sagst es doch selber. Langweilig. Ich glaube, wir werden es beide verkraften eine Ausstellung zu verpassen die „Das tote Ei" heißt..." Harper lachte und konnte förmlich sehen wie sich ein Teil ihrer Anspannung löste. „Das tote Ei? Das ist ja mal originell. Vielleicht solltet ihr doch hingehen." Ich lachte und boxte sie: „Hör auf meine Freundlichkeit wegzuwerfen." Harper kräuselte die Nase: „Du bist in den letzten Wochen echt scheiße freundlich."
Ich legte meine Hände beide unter mein Kinn und klimperte mit meinen Wimpern: „Die Liebe, meine Liebe." Harper lachte, aber sobald ich es ausgesprochen hatte, klang mein Lächeln aus. Liebe. Das war so ein großes Wort. Wie beschrieb man den Zustand bevor der Liebe. Wo man sich noch nicht sicher war, ob es Liebe ist. Das Verliebtsein, dass man irgendwie nur durch Zuneigung ausdrücken konnte und nicht wirklich mit Worten. Vielleicht ist das schon Liebe. Konnte man Liebe überhaupt kategorisieren?
Ich bemerkte Harpers Blick auf meinem Gesicht und versuchte mich ihr zu widmen. Sie sah mich wissend an: „An welche absurde Theorie hast du gerade wieder gedacht?" Ich fühlte mich irgendwie seltsam nackt und überlegte, ob ich ihr es überhaupt sagen wollte. Dann gab ich mir einen Ruck, Harper war immerhin meine beste Freundin. „Kann man Liebe kategorisieren? Ich meine, ich kann Noah nicht sagen, was er mir bedeutet, ohne es gleich so... gehoben auszudrücken..." Harper sah mich erstaunlicherweise nicht komisch an, eher nachdenklich: „Du meinst: Ich liebe dich?"
Ich nickte leicht verlegen und warf etwas frustriert die Arme hoch: „Ich meine, wenn ich ihm sagen würde, dass ich ihn lieb habe, dann habe ich das Gefühl ich rede mit meinem Dad und ich liebe dich ist irgendwie eine Nummer zu groß für mich." Harper sah mich lange an bevor sie antwortete: „Du denkst zu viel. Wie immer. Und deine Fragen sind alle in den Top 10 Fragen, die wahrscheinlich nie jemand im Leben beantworten kann. Aber hey, ihr seid verliebt. Macht doch einfach alles was ihr wollt. Du merkst seine Zuneigung aus den kleinen Dingen. Genauso wie er deine aus den Details ziehen kann... Und alles andere kommt dann ganz natürlich. Vertrau mir." Ich nickte und lehnte mich kurz an sie. Harper war schon immer hier gewesen und ich hoffte, dass sie das auch immer bleiben würde.
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"Mach's besser."
RomanceClaire und Noah lernen sich auf simple Art und Weise kennen und verlieben sich ineinander. Die beiden führen ein schönes Leben, Claire als kluge Schülerin und Noah als sportlicher Footballer. Einige Zeit scheint den beiden nichts im Weg zu stehen. D...