„Hast du dir schon einmal überlegt mit Noah Schluss zu machen?"

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Ich hastete in die Mensa und suchte mit den Augen den Raum nach Harper ab. Ich sah sie an unserem üblichen Platz ganz hinten in der Ecke sitzen. Sie war auf ihren Laptop fokussiert an dem sie wahrscheinlich Fotos aussortierte. Meine schwere Tasche schnürte in meine Schulter und ich ging schnell zu ihr. Als ich meine Tasche auf einen freien Stuhl hievte, sah sie auf und nahm ihre Kopfhörer ab: „Du siehst scheiße aus. Und du bist zu spät."

Ich lächelte gestresst: „Schön auch dich zu sehen. Ich musste noch Noahs Bücher abholen." Und da war er wieder. Ihr analysierender Blick, skeptisch und vorurteilhaft. Den hatte sie immer drauf, wenn ich über Noah redete und manchmal machte sie mich damit ganz verrückt. „Hey, hast du schon mal drüber nachgedacht, mal einen Tag nicht nach Noah auszurichten?" Ich verdrehte die Augen und zog ihren Joghurt zu mir heran: „Ich richte meinen Tag nicht nach ihm, manchmal widme ich ihm einfach ein bisschen mehr Zeit." Sie zog eine Augenbraue hoch: „Ein bisschen mehr Zeit?" Mein Lächeln zitterte, aber ich wollte ihr beweisen, dass ich mit der Situation zurechtkam.

Immerhin hatte ich ihn seit einer Woche nicht mehr besucht und auch nicht andauernd versucht ihn anzurufen. Sie seufzte, dann schob sie mir auch noch einen Müsliriegel entgegen. Ich verdrehte nochmal die Augen, lächelte sie dabei aber an. Sie zog ihre Kopfhörer wieder auf und widmete sich wieder ihrem Laptop. Ich holte meine Biologiearbeitsblätter heraus und begann alles eins zu eins abzutragen in das leere Arbeitsblatt das ich für Noah mitgenommen hatte. Nach ungefähr zwei Minuten riss mir jemand das Blatt weg.

Harper klatschte es einen Tisch weiter hin und sah mich leicht wütend an. Ich war verwirrt. Sie atmete sichtbar genervt ein und wieder aus: „Okay Claire, hör mir mal kurz zu. Du brauchst ab und zu auch mal Zeit für dich, okay? Noah ist wichtig für dich, völlig verständlich, aber du bist genauso wichtig okay? Und ich mach mir Sorgen um dich. Du rennst den ganzen Tag herum, vergisst zu essen, vergisst deine Hausarbeiten, weil du die von Noah zuerst gemacht hast und du verbringst einen Haufen von Zeit vor seiner Tür. Mach mal eine Pause, okay? Das wird niemanden umbringen." Kaum hatte sie die letzten Worte ausgesprochen, traten Tränen in meine Augen.

Ich legte den Stift in mein Mäppchen und dann stützte ich meinen Kopf in beide Hände: „Das sagt mir jeder, Harp, aber weißt du was? Noah hat keine Pause, er kämpft jeden verdammten Tag gegen sich selbst und er kann sich einfach keine Pause gönnen. Und ich kann das auch nicht, verstehst du? Weil ich keine Ahnung habe, was passiert wenn ich mir eine gönnen würde. Und das macht mir einfach Angst, ich muss jetzt einfach stark sein." Harpers Augen wurden sanfter: „Du musst aber nicht für jeden immer stark sein." Ich sah sie an, meine Schultern fühlten sich schwer an: „Ich muss aber für ihn stark sein." Harper sah mich eine Weile an, dann sah sie traurig auf den Tisch. Ich angelte mir das Arbeitsblatt wieder, atmete einmal kräftig durch und begann wieder zu schreiben. Dabei versuchte ich nicht in Tränen auszubrechen.

Ich meinte es ernst, ich musste nun stark für Noah sein. Aber ich hatte niemals erwartet, dass mich das so auslaugen würde. Meine Brust schmerzte bei jedem Atemzug und ich spürte diese Schwere auf meinen Schultern. Gleichzeitig floss pure Angst durch meine Adern, die keine Minute zu verschwinden drohte, sondern meinen ganzen Körper ausfüllte. Als ich bemerkte, dass meine Hand zitterte, legte ich schnell den Stift beiseite und stöpselte meine Kopfhörer ein, bevor Harper etwas mitbekam.

Irgendjemand musste stark für Noah sein. Denn er selbst kam momentan nicht in Frage. Ich spähte auf mein Handy und hoffte eine Nachricht von ihm zu sehen. Ich biss mir genervt auf die Lippe als ich keine entdecken konnte, stattdessen schien mir mein Hintergrundbild entgegen. Es war eines meiner Lieblingsbilder von uns beiden und gleichzeitig hatte es Harper geschossen, sodass es noch mehr an Bedeutungswert erlang. Es war das erste Footballspiel gewesen wo wir uns kannten. Ich konnte mich noch genau an den Moment erinnern als er nach dem gewonnenen Spiel zu mir lief und mich kräftig in die Arme nahm.

"Mach's besser."Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt