Ich vegetierte auf der Stelle. Meine Beine liefen und liefen, aber seltsamerweise schienen sie nicht voranzukommen. Ich lehnte mit dem Kopf gegen Noahs Zimmertür gelehnt und las ein Buch. Er hatte einen seiner überaus schlechten Tage. Er redete nicht mit mir, er ließ mich nicht wissen, dass er okay war. Ich wusste mal wieder rein gar nichts. Ich saß nur vor seiner Tür und klopfte stündlich einmal dagegen. Vor mir stand ein Teller mit einer kleinen Brotzeit. Vielleicht würde ich sie heute einmal wieder essen, weil er es nie tat.
Ich hatte ihm ein Zettel unter der Tür durchgeschoben und gehofft, er würde ihn vielleicht lesen, aber ich sah noch immer das Ende des Blattes unter der Tür liegen. Ich sah auf die Uhr. Es wurde langsam spät und ich hatte morgen wieder Schule. Es waren die letzten Wochen meiner Abschlussklasse und ich hatte das Gefühl einen Abgrund anzusteuern. Ich hatte mir noch keine wirklichen Gedanken gemacht, was ich nun wirklich machen wollte nach meinem Abschluss. Ich konnte einfach nicht. Ich hörte, wie jemand die Treppe herauskam und setzte mich aufrecht hin. Lilian bog um die Ecke und sah mich traurig liebevoll von oben an.
Sie ließ sich neben mich auf den Boden gleiten und ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter. Sie sagte sanft: „Ich sage es ungern, aber ich muss dich langsam nach Hause schicken, Liebes." Ich nickte nur leicht. Wir blieben eine Weile so sitzen, Lilians Schultern hoben und senkten sich leicht bei jedem Atemzug. Ich genoss ihre menschliche Nähe. „Zeit ist ein richtiges Arschloch, oder?" Ich sah sie überrascht an. Und dann nickte ich wieder: „Das größte Arschloch überhaupt." Lilian lachte leicht, dann strich sie sanft über mein Knie: „Wenn sich jemand in Geduld bewiesen hat, dann bist das du, Claire." Ich seufzte leicht: „Ich wünschte, ich könnte das in meinen Lebenslauf packen." Lilian lachte wieder.
Es tat gut die Situation ein wenig aufzulockern obwohl es wahrscheinlich unangebracht war. Ich konnte mich jedoch nicht an das letzte Mal erinnern wo ich richtig gelacht hatte. Ich stand schwermütig auf und reichte ihr die Hand. Sie zog mich unerwartet in eine Umarmung und drückte mich fest an sich. „Danke, dass du mein Baby so behütest." Ich lächelte über ihre Schulter und sah dabei seine Zimmertür. Ich würde ihn behüten bis er sich selbst behüten konnte.
„Claire, wir sind hier drüben!" Ich sah mich etwas verloren in dem Café um, bis ich Harper erblickte. Sie saß zusammen mit Liv, Ethan und Florence an einem Tisch. Ich spürte ihre mitleidigen Blicke auf mir und unterdrückte meine Wut. Ich setzte mich und lächelte sie an: „Habt ihr schon bestellt?" Alle vier sahen mich an und dann schluckte ich und versuchte gelassen zu klingen: „Er hat keinen so guten Tag. Er kommt nicht." Florence sah sichtlich unwohl auf den Tisch und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse.
Ethan stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Das letzte Mal als er Noah gesehen hatte, war vor zwei Monaten gewesen. Ich zog meine Jeansjacke aus und sagte erschöpft: „Nehmt es ihm nicht übel." Ethan schnaubte: „Denkt er eigentlich auch mal an uns?" Ich sah ihn kurz böse an und seufzte dann: „Wahrscheinlich beinahe jede Minute. Er weiß, dass er es uns nicht gerade leicht macht und das ist genau das, was ihn unteranderem so fertig macht." Ethan kaute auf seiner Lippe herum. Harper legte einen Arm auf meine Schulter: „Vielleicht nächstes Mal." Ich zwang mir ein Lächeln auf und nickte.
Ich konnte ihren Gesprächen nur verlangsamt folgen. Ethan redete über Football und sein Dad, der ihn die ganze Zeit mit Bewerbungen nervte. Liv und Harper waren eher mit sich selbst beschäftigt, da Harpers Ausreise bald bevorstand. Und Florence betrachtete mich den ganzen Mittag über eindringlich. Mein Blick schwebte benebelt durch das Café. Ich hörte Gelächter und hier und da eine genervte Stimme. Ich fühlte mich falsch in dieser bewegten Welt. Alles was so laut und bunt. Ich konnte seltsamerweise nicht mehr nachvollziehen wie ich das vor ein paar Wochen noch so genießen konnte.
Ich stützte mich auf meine Hand und stellte mir vor, wie ich vor seinem Zimmer saß. Harper riss mich von meinem sicheren Platz indem sie mich an der Schulter berührte: „Alles in Ordnung bei dir?" Ich lächelte sie an: „Klar." Sie sah mir skeptisch ins Gesicht und ich zuckte mit den Schultern: „Ist schön hier zu sein." Das war wahrscheinlich die größte Lüge, die ich ihr je aufgetischt hatte, aber ich konnte es nicht ertragen ihnen das Lächeln aus dem Gesicht zu reißen. Harper stupste mich mit einem Finger unter das Kinn und sagte: „Schön dich mal wieder hier zu haben." Jetzt lächelte ich sie aufrichtig an und lehnte mich kurz an sie.
Ich hatte vergessen wie gut es tat einmal etwas Normales mit meinen Freunden zu unternehmen. Obwohl meine Beziehung doch eigentlich das Normalste auf der Welt sein sollte. Ich seufzte und sah meinen Freunden in ihre lachenden Gesichter. Es war als würde ich überhaupt nicht mehr im Hier und Jetzt leben sondern nur noch in meinen Sorgen und Ängste. Ich holte impulsiv mein Handy aus der Tasche und schrieb Noah eine Nachricht. Heute Nacht möchte ich mich lebendig fühlen.
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"Mach's besser."
RomantikClaire und Noah lernen sich auf simple Art und Weise kennen und verlieben sich ineinander. Die beiden führen ein schönes Leben, Claire als kluge Schülerin und Noah als sportlicher Footballer. Einige Zeit scheint den beiden nichts im Weg zu stehen. D...