3.Abschnitt (9.11.0,5)

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Auch nach dem Beginn der schwarzen Ära und auch nachdem Benique einen Mann aus der Stadt, Nathan Samuel Clockman, geheiratet hatte, war ihre ehemalige Nanny Miss Elisabeth Gutter immer noch ihre beste Freundin. Die beiden trafen sich häufig zum Kaffee in einem der Restaurants südlich von der weissen Villa oder in ihren Häusern wo sie auch über persönlichere Themen miteinander reden konnten. An diesem Vormittag schlürften die beiden einen Tee in Beniques Haus. Samuel arbeitete in seiner Werkstadt und Beniques Tochter Rebecca war noch in der Schule, so dass sie das Haus ganz für sich alleine hatten.

"Na dein kleiner Spatz wird ja nicht mehr lange auf sich warten lassen.", sagte Miss Gutter wobei sie auf Beniques kugelrunden Bauch sah.

"Habt ihr euch denn nun endlich auf einen Namen einigen können?"

"Nicholas"

Beniques Bruder war kurz vor Beginn der schwarzen Ära einer der wenigen gewesen die es für nötig gehalten hatten und die es auch geschafft hatten zu fliehen. Seitdem hatte niemand mehr etwas von ihm gehört.

"Ooh. Du hast dich gegen ihn durchgesetzt. Nun es ist ein schöner Name. Und wenn es ein Mädchen wird?"

"Kathrin. Aber es wird ein Junge. Ich kann ihn fühlen. Wir werden ihn immer Nico nennen."

Ihminen, der die Führung der Stadt übernommen hatte, mochte es nicht wenn die Verbliebenen die Flüchtlinge auf irgendeine Art ehrten. Nach Beginn seiner Herrschaft hatte er verboten ihre Namen zu nennen, ein Verbot das unmöglich durchsetzbar war.

Trotzdem hatte er der Stadt ihren Namen genommen um zu beweisen, dass er sie nun voll unter Kontrolle hatte, dass sie ihm gehörte.

Da Beniques Mann im Stadtrat saß und mindestens neun mal in jedem Sandkorn dort hin berufen wurde, immer kurz vor Vollmond, um mit Ihminen und den anderen Mitgliedern zu beraten wer geopfert wurde, hätte er es lieber gehabt wenn sein Sohn nicht nach einem Flüchtling benannt worden wäre.

Aber Benique hatte so stur auf seinen Namen beharrt, dass er sie lediglich dazu überreden konnte seinen Sohn nur mit der Kurzform Nico anzureden.

Seit Ihminen, kurz nach Beginn der schwarzen Ära Beniques Mutter hatte opfern lassen und ihren Vater getötet hatte, nur um die weisse Villa zu seinen Wohnsitz zu machen, hatte Benique sich in den Kopf gesetzt seine Terrorherrschaft irgendwie zu beenden. Ein Entschluss den sie nur ein paar mal und nur in geschlossenen Häusern, umgeben von engsten Freunden geäußert hatte. Ihren Mann hatte sie jedoch noch nicht von ihrer Idee überzeugen können.

"Aber genug von mir. Wie geht es dir im Moment? Ist Greg immer noch so...?"

Elly seufzte. "Ich weiß nicht was ich tuen soll. Ich meine ich versuche doch immer ihm alles zu geben was er will.."

"Es ist nicht deine Schuld dass du keine Kinder haben kannst."

"Ja. Ich habe es ihm jetzt gesagt. Als ich es ihm gesagt habe war er erleichtert. Er hat überhaupt nicht verstanden wie.. wie traurig ich deswegen bin."

"Ach komm her.", Elly umarmte Benique kurz und setzte sich dann zurück. Neidisch streichelte Elisabeth über Beniques hochschwangeren Bauch.

"Was hat er denn gesagt?"

"Wenigstens wirst du nicht auch noch dick."

"WAS?"

Elly nickte stumm und blickte betrübt auf den Boden.

"Also das ist sogar für ihn... Also dass er sowas sagen würde... "

"Er regt sich immer mehr über unseren Altersunterschied auf."

"Aber du bist doch gar nicht so viel älter als er. Und das wusste er doch als ihr geheiratet habt."

Elly schluchzte.

"Ach komm her." Benique nahm Ellys Hand, doch diesmal blieb sie sitzen.

"Du siehst überhaupt nicht alt aus.", sagte Benique und streichelte sie tröstend.

"Ich weiß."

Ein paar Momente flossen unbemerkt dahin, bevor Elly sagte: "Ich glaube er hat mich nie geliebt. Nicht mal als wir geheiratet haben. Nicht mal damals. Alles was ihn jetzt noch interessiert sind seine langweiligen Bücher und die Schmetterlinge. Weißt du dass er sie jetzt nicht mehr bloß einfängt? Nein er quetscht sie zwischen zwei kleinen Glasplatten ein. Er hat in unserem Keller schon eine kleine Sammlung angelegt. Dort verbringt er dann den ganzen Winter und liest."

"Warum tut er das?"

"Er findet sie schön."

Von Scheidungen hatten die Stadtbewohner bis jetzt nur durch Touristen und reisende Händler gehört. In der Stadt waren sie nicht üblich. Trotzdem war dass der erste Gedanke, der Benique in den Kopf kam.

"Habt ihr nicht auch bessere Tage? Was ist im Sommer? Wenigstens verdient er ab und zu etwas Geld."

"Ja. Im Sommer hilft er immer noch auf den Feld seinem Bruder. Wenn er nicht gerade Schmetterlinge fängt. Ich hab ihn ein paar Mal beobachtet. Er geht häufig viel zu nah an den Zeitensumpf heran!"

„Das ist gefährlich.", sagte Benique besorgt.

„Ja!"

"Gibt es wirklich keinen Grund warum er so mürrisch geworden ist? Vielleicht macht der Winter ihm zu schaffen? Oder die neue Ära?"

"Ja. Er sagt im Winter vermisst er die Schmetterlinge. Außerdem hasst er die neue Ära, wie wir alle. Er sagt er hat nun keine Freiheit mehr. Manchmal bin ich mir nicht sicher ob er damit Ihminens Herrschaft oder unsere Ehe meint."

"Er meint sicher die schwarze Ära.", sagte Benique mitfühlend und nachdrücklich.

"Er sagt das bewundert er so an Schmetterlingen: dass sie frei sind."

"Er meint es nicht so."

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