Es war ein ganz normaler Tag. Keine Sonneneruption, kein Komet der einschlug, kein König der ermordet wurde. All das hatte ich auch schon miterlebt und/oder herbeigeführt. Ich, Gott.
An diesem stinknormalen Tag entdeckte ich etwas was ich noch nie gesehen hatte. Natürlich hatte ich Bilder gesehen und Berichte gelesen. Berichte von verrückt gewordenen Mönchen, gemalte Bilder in Kirchen und Bibeln. Natürlich hätte ich einen Engel erschaffen können, wenn ich gewollt hätte.
Aber das die Natur mir eines Tages mal aus freiem Willen einen Engel schenken würde, hätte ich nicht gedacht. Als ich sie das erste Mal sah sass sie auf dem Dach des Kirchturms. Mir fiel direkt auf dass sie kein Mensch war. Nicht so wie ihr Begleiter. Das wäre an sich allerdings auch nichts aussergewöhnliches gewesen. Die meisten Mitglieder von Samjiva waren keine Menschen. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen den Mitgliedern von Samjiva war diese Dunkelheit, die sie alle in sich trugen. Sie waren dunkle Wesen. Von Grund auf böse.
Dieses Mädchen war kein dunkles Wesen. Sie war ein Engel. Ich konnte ihre Fluegel hinter den schwarzen Tüchern sehen. Mehr noch, ich konnte sie sehen, ihr ganzes Wesen. Und sie faszinierte mich. Zunächst beobachtete ich sie nur. „Was guckst du so blöd?" Ach ja. Der Kobold schon wieder. „Siehst du das Mädchen da?" Die dumme, achtlose Kreatur spuckte auf den Boden: „Willst du sie ficken oder was?" In einem Augenblick der Wut schleuderte ich ihn auf den Steinboden, in seine eigene Rotze.
„Sie gehört zu mir." Der Kobold blutete jetzt am Kopf. Er flog wieder hoch. Jammernd hielt er seine skelettartigen Fingerknochen gegen die Wunde. „Ist sie nicht ein bisschen jung für dich?" Mit einem Fingerschnipsen wechselte ich meine Erscheinungsform zu der eines 12-jährigen Jungens. „Ich bin über 2 Milliarden Jahre alt." sagte der 12-jährige mit seiner hohen, kindlichen Stimme. Mein Begleiter flog ein bisschen weiter runter um wieder mit mir auf Augenhöhe zu sein. „Ausserdem" fügte ich hinzu: „gehört sie zu mir." Aus Angst sparte sich der Kobold weitere Kommentare.
Das Mädchen war mit ihrem Freund zusammen vom Kirchturm heruntergeklettert.
„Ist sie nicht wunderschön?" „Ich kann sie kaum sehen" murrte mein nervtötender Begleiter. Er hatte nicht besonders gute Augen. Er konnte nicht mal ihre Flügel hinter ihrer Kleidung sehen. Nicht mal ihr hübsches Gesicht. Ihre kalten himmelblauen Augen und ihre spitze Nase. Dabei war sie nur wenige hundert Meter entfernt. Diese goldfarbenen Haare. Dieses Licht in ihr. So anders als alle anderen Wesen.
Jetzt gingen sie zusammen in die Kirche. Dort redeten sie mit dem Pater. Kurze Zeit später kehrten sie wieder in den Wald zurück. Ich fühlte ihre Präsenz auch dann noch, als sie schon lange weg war. „In ein paar Jahren wird sie mich kennen lernen." verkündete ich.
Danach richtete ich meine Gedanken auf etwas anderes. Ihr Auftreten in der Kirche hatte mich daran erinnert, dass ich selbst schon lange mal in diese Kirche hatte gehen wollen. Immerhin war dies der Ort an dem alle Menschen nach mir suchten und mich verehrten. Sogar auf mehreren Sprachen. Sie alle kamen in die Kirche um mir für ihr wertloses kleines Leben zu danken. Für sie war es verständlicherweise nicht so wertlos weil sie nicht wussten wie wenig sie hatten. Wie wenig sie wussten. Nur ich als ihr Gott konnte sehen wie klein ihre Probleme und Bitten wirklich waren.
Ich ging also in die Kirche. Zu dieser Zeit war dort nur einer meiner Verehrer: Der Pater. Banalerweise erkannte er mich nicht einmal. Er sah nur die Gestalt des 12-jährigen die ich angenommen hatte. Freundlich lächelnd kam er auf mich zu: „Suchst du etwas?" Der 12-jährige warf ihm ein aufgewecktes, verschmitztes Lächeln zurück: „Nein. Aber du suchst etwas."
Während der Pater noch verblüfft guckte und nichts verstand nahm ich die Form eines Lichtes an. Es war so hell dass der Pater erst geblendet wurde und blind in verschiedene Richtungen taumelte. Er hielt schliesslich seinen Arm vor seine Augen um sie zu schützen.
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Namenlos
HorrorIn mitten des Zeitensumpfes kämpfen Stadtbewohner um ihr Überleben und ihre Würde. Die Geschichte spielt in Novalis, eine Stadt die tief im Zeitensumpf verborgen ist. Als die Dunkelheit die Stadt an sich reißt, beginnt ein neues Zeitalter. Die Stad...