Kapitel 1 Keine Ruhe inmitten des Sturms ~ Teil 1
„Ich würde gern das auf Seite 167 ausprobieren."
„Würdest du?"
„Oh ja...und vielleicht steigern wir uns dabei auf Seite 69?" Ich verdrehe ungehalten die Augen, als ich Kains rauer Stimme dabei zu höre, wie sie mir die Anspielungen aus dem Buch durch das Telefon zu säuselt. Und ich gestehe, dass ich mir nur schwer ein Grinsen verkneifen kann, während sich die Inhalte der genannten Seiten ebenso vor meinem inneren Auge abspielen. Wesentlich nackter als ich sie in Erinnerung habe. Die Tatsache, dass Kain dank seines eidetischen Gedächtnisses dazu noch jede der Seiten auswendig weiß, macht es nicht unbedingt einfacher zu widerstehen. Der Schwarzhaarige ist definitiv mein Verhängnis. Ich atme geräuschvoll ein und blicke zu Jeff, meinen Mitbewohner und Jugendfreund, der neben mir steht und euphorisch mit den Augenbrauen wackelt. Dabei hat er gar nicht mitbekommen, worum es geht.
„Komm erst mal zurück auf den Campus, dann reden wir weiter", würge ich das Telefonat ab, weil Kain mir daraufhin eindrücklich verdeutlichen will, dass ihm etwas anderes als Reden vorschwebt. Seufzend schiebe ich das Telefon in meine Hosentasche und lausche einen Moment lang dem leisen Ton, der aus meinen Kopfhörern dringt, die um meinem Hals liegen. Das Lied erkenne ich nicht. Es ist auch viel zu laut hier. Jeff und ich stehen in der überfüllten Mensa und machen einer Horde Erstsemestern Platz, die sich gierig über die Dessertstation hermachen. Hier steht alles, was einen auf schnellstem Weg Karies und verklebte Arterien verschafft. Es gibt eine neue Puddingsorte, die so gar nicht schmackhaft aussieht, weil sie mir mit einem unnatürlichen, quietschigen rosa entgegen leuchtet. Ich bin mir nicht mal sicher, um welche Sorte es sich handelt. Erdbeere. Himbeeren. Kotzbeere. Irgendetwas aus dieser Kategorie. Wieder sehe ich meinen Mitbewohner an, welcher grinst, als hätte er jedes Wort meines Telefonats gehört. Zum Glück hat er das nicht.
„Was?", frage ich mit deutlich einschüchternder Stimme, greife mein sparsam gefülltes Tablett mit beiden Händen und gehe zur Kasse, ohne Nachtisch und ohne Jeffs Antwort abzuwarten. In den meisten Fällen will ich sowieso nicht wissen, was in seinem Kopf vorgeht. In der letzten Zeit schon gar nicht, denn es gibt nur drei Themen, denen sich mein Kindheitsfreund ausschweifend widmet. Wut auf Abel. Scham wegen Jake und das eigenartige, unanständige Interesse an mir und dem Schwarzhaarigen.
„Nichts", ruft mir Jeff unnötigerweise hinterher, greift sich einen Nachtisch, der grün und wackelig ist und eilt mir nach. Noch bevor ich an der Kasse stehe, beginnt mein Handy im Zwanzigsekundentakt zu vibrieren. Kain tippt wirklich schnell und ist, obwohl ich ihn ignoriere, sehr ausdauernd. So einen Nachrichtenmarathon hatten wir bereits gestern Abend und das endete damit, dass ich vor lauter Anspannung nicht mehr einschlafen konnte.
„Wann kommt er denn wieder?", fragt Jeff, platziert sein Tablett hinter meinem und inspiziert die reichhaltige Auswahl an Schokoriegeln.
„Keine Ahnung", entgegne ich und bezahle zur Verwunderung des anderen Mannes unsere beiden Essen mit meiner Mensakarte.
„Wie keine Ahnung? Hast du nicht gefragt? Du hattest ihn doch gerade am Handy", kommentiert Jeff ungläubig und sieht sich nach einem freien Tisch um. Ich folge ihm schulterzuckend.
„Und?" Offensichtlich habe ich nicht danach gefragt. Allerdings impliziert mir Jeffs Blick, dass ich es hätte tun müssen. Wozu nachfragen und Kain auf die Nerven gehen, wenn ich weiß, dass er normalerweise in den letzten Direktzug steigt und dieser am späten Abend am Hauptbahnhof ankommt? Noch dazu sagt er mir Bescheid, wenn er es nicht schafft. „Frag ihn doch einfach selbst, wenn du es genau wissen willst", schlage ich vor und ziehe einen der unbequemen Stühle mit dem Fuß zurück, als wir einen Tisch gefunden haben. Jeff raunt und tut es mir mit dem gegenüberliegenden Sitzplatz gleich.
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Between the Lines Chapter 2 - It's more than just words
Romance[Fortsetzung von Between the Lines - The wonderful world of words} ~Liebe ist eine Herausforderung und das nicht nur in der Dramödie, die sich mein Leben nennt. Sie ist es vor allem dann, wenn einem lange die Überzeugung prägte, das sie nichts weite...