»Hilfe!« Mit einem Schrei schrecke ich hoch und sehe mich um. Erst nach ein paar Minuten weiß ich wieder, wo ich bin und habe mich soweit beruhigt, dass ich nicht mehr vor einem Zusammenbruch stehe.
Mein Schlafanzug ist durch geschwitzt und meine Haare fallen, aus meinem Dutt, um mein Gesicht herum. Ich fühle mich total ekelig und schnappe mir meine Handtücher, um unter die Dusche zu springen. Dabei lasse ich mein Bett aufgeschlagen, damit es auslüften kann.
Nach der ausgiebigsten Dusche meines Lebens – ca. 30 Minuten, von denen ich 20 in der Dusche hocke und das Wasser auf mich prasseln lasse – schaue ich auf mein Handy und stelle erschrocken fest, dass es nicht einmal 7 Uhr morgens ist, aber an Schlaf ist für mich nicht mehr zu denken. Ich ziehe mir meine Jogginghose und einen warmen Pullover an, denn mir ist unglaublich kalt. In der Küche mache ich mir einen Tee und umklammere die Tasse, als hinge mein Leben daran.
Ich kann sehen, wie der Mond langsam der Sonne weicht – der Sonnenaufgang wird von Tag zu Tag später – und bin froh darüber, das Haus noch immer für mich zu haben.
Auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann, so werde ich das Gefühl des Traumes nicht los. Es ist ein beengendes Gefühl, als würde ich in einem Schraubstock stecken, noch dazu wird meine Kehle eng und kalter Angstschweiß klebt förmlich noch an mir.
Schnell versuche ich dieses Gefühl zu verdrängen, indem ich leichte Musik auf meinem Handy spiele. Leise Klänge des Pianos erfüllen die Luft und ich versuche mich darauf zu konzentrieren, als ich eine Stimme in meinem Kopf höre. Sie flüstert ganz leise und kratzt sich langsam an die Oberfläche meines Bewusstseins.
»Na du? Habe ich dich etwa geweckt? Hast du schlecht geschlafen? Hast du von deinen Misserfolgen geträumt? Oder von den Schlägen, die du kassieren musstest? « Ich zucke zusammen und drehe mich auf meinem Stuhl um, suche nach der Quelle.
»Keine Angst. Du wirst mich nicht finden. Ebenso wenig, wie den Ursprung des Ganzen. Denn ich bin du und du bist ich.«
Es ist nur in meinem Kopf. Nur in meinem Kopf. Ich presse die Hände an die Schläfen, versuche die Stimme des Zweifels zum Schweigen zu bringen und konzentriere mich auf die Musik. Und tatsächlich sie wird immer leiser, bis das Flüstern verstummt.
Mit meinem Handy schreibe ich eine Nachricht an Vie. Ich schreibe, dass ich wieder mal nicht schlafen kann und ich eine neue Stufe erreicht habe. Da Vie wahrscheinlich noch schläft, schicke ich die Nachricht jedoch noch nicht ab.
Auf der Suche nach einem von meinen unzähligen Paaren an Kopfhörern, überlege ich welches wohl das Beste wäre und entscheide mich für meine kleinen Stecker, die ich per Bluetooth mit meinem Handy verbinde. Kaum sind Kopfhörer und Handy miteinander verbunden, stelle ich die Musik lauter.
Jetzt helfen jedoch keine Piano Klänge mehr. Ich brauche schnellere, wuchtigere Musik. Ich lasse das Cover von Without Me, gesungen von Fame on Fire in meine Ohren dröhnen und bin froh über die lauten, starken Klänge. Während das Lied, zusammen mit ein paar anderen, immer und immer wieder läuft, meinen Kopf ablenkt, mache ich mir noch mindestens drei Tassen Tee und beobachte, wie das Licht draußen langsam heller wird.
Es ist inzwischen 9 Uhr und bald kann ich in die Mensa und mich von anderen Leuten ablenken lassen. Die Nachricht an Vie schicke ich ab, ziehe mir eine Strickjacke über und verlasse das Haus. Es ist kälter als gedacht, aber das tut gut. Ich laufe über das Gelände und beobachte, wie das Internatsgelände Stück für Stück zum Leben erwacht. Die Musik dröhnt weiter in meine Ohren – ein Wunder, dass ich noch keinen Schaden an ihnen habe – und ich laufe weiter, umrunde die drei Hauptgebäude des Internats und gehe dann auf das angrenzende Schulgelände in Richtung des Sportplatzes. Ein paar Mal umrunde ich ihn und schaue auf den Tau, der sich auf dem Gras abgelegt hat. Wunderschön und so vergänglich. Wie eigentlich jede Schönheit vergänglich ist.
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Geprägt von Dämonen
RomanceMichelle Williams, oder auch Mitch, wie sie von fast allen genannt wird, lebt quasi zwei Leben. Es gibt ihr Leben auf der Insel, von dem sie versucht so ziemlich jeden fernzuhalten und es gibt ihr Leben im Internat und der Schule. Zu ihrer Familie h...