Amira hat die Beifahrertür ihres mattschwarzen Audi R8 Spyder V10 bereits geöffnet und schnell setzte ich mich ins Auto und lasse mich in den Sitz zurückfallen. Sie bringt das Auto zügig in Bewegung und fährt los, wofür ich sehr dankbar bin.
»Warum muss ich dich an einem Montagmorgen bei Lukas Zuhause abholen? Woher hast du die Klamotten? Willst du zurück ins Internat? Geht's dir gut oder ist irgendetwas passiert? Hast du deine Zunge verschluckt?«
»Amira bitte lass mich einfach gerade verarbeiten und mir klar werden, was da überhaupt passiert ist. Ich weiß es selber nicht. Die Klamotten habe ich aus meiner Sporttasche, die habe ich immer für spontane Aktionen gepackt. Eigentlich will ich nicht zurück ins Internat, aber ich muss. Die Erzieher werden sich schon fragen, wo ich bin.« Obwohl ich mich nicht mehr abmelden muss, wenn ich auswärts schlafe, da ich volljährig bin, ist es den Erziehern immer lieber, damit sie einen Überblick darüber haben, wer im Internat ist und wer nicht, sollte etwas passieren.
Amira scheint sich fürs Erste mit den Antworten zufrieden zu geben, aber ich weiß jetzt schon, dass sie bohren wird, sobald ich mich beruhigt habe. Sie meint es damit nicht böse, sondern will sich ein möglichst klares Bild der Situation schaffen, damit sie helfen kann.
Schweigend fährt sie den Weg zum Internat zurück und schenkt mir einen letzten Blick, der zeigt, dass ihr die ganze Situation nicht egal ist, aber ich kann da nicht drüber reden. Ich starre stur aus der Windschutzscheibe und male irgendwelche Muster auf das Armaturenbrett. Der Ledersitz unter mir fühlt sich kühl an. Wieso haben eigentlich Amira, Chris und Lukas alle Ledermonturen?
Lukas hat mir eine Ruhe geschenkt, wie ich sie noch nie verspürt habe. Seit einer Ewigkeit habe ich nicht mehr so ruhig und lange geschlafen und auch er selbst schien ruhig zu schlafen, schien total entspannt. Ich schiebe die traumlose, angenehme Nacht auf meine Übermüdung der letzten Wochen. Schließlich holt der Körper sich irgendwann immer, was er braucht.
Amira fährt nicht los, bis sich die Haustür hinter mir schließt und ich alleine im Hausflur stehe, meine Mitbewohnerinnen treiben sich wohl irgendwo im Wald herum. Ich schmeiße die Tasche auf mein Bett und verlasse das Haus schnell wieder, setze meinen Weg in Richtung Büro der Erzieher fort.
»Ah Michelle. Du bist also zurück aus dem Reich der Toten? Als ich gestern Abend bei dir im Haus vorbeischauen wollte, war dein Zimmer schon komplett dunkel, also habe ich dich einfach schlafen lassen. Respekt daran, dass du das bei dem Lärm deiner Mitbewohnerinnen überhaupt schaffst.« Andreas sitzt im Büro und grinst mich über den Bildschirm des Computers hinweg an.
»Übung macht wohl den Meister, Andreas. Und wenn gar nichts mehr hilft, habe ich meine Kopfhörer. Die sind fast schalldicht, oder die Musik so laut, dass ich nichts mehr höre.« Auch ich muss grinsen und bin erleichtert, dass er nichts von meinem Fehlen mitbekommen hat, also setzte ich meinen Weg in Richtung des Mädchenhauses fort.
Kaum, dass ich an die Zimmertür von Vie geklopft habe, wird sie schon geöffnet und knallt mir dabei fast an den Kopf. In dem Zimmer sitzen Kalle, Al, Lil und Key. Vie steht in der Tür und zieht mich an meinem Arm in das Zimmer hinein, schubst mich auf ihren Schreibtischstuhl und betrachtet mich eingehend.
Sie alle schießen mit Fragen auf mich ein. Allen voran die Frage, wo ich gewesen wäre. Ich beantworte die Fragen eher ausweichend. Als wir jedoch zu dem Punkt kommen, dass ich bei Lukas, oder ,wie es vor ihnen sage, einem Freund, geschlafen habe, fallen allen fünf Mädchen die Kinnladen dermaßen weit runter, dass ich mich wundere, dass ihre Kiefer nicht ausgerenkt sind.
»Wenn ihr eure Münder nicht gleich schließt, werden euch noch Insekten hineinfliegen.«
Al scheint über den Fakt, dass ich bei einem Jungen geschlafen habe, überhaupt nicht mehr hinwegzukommen. Sie schüttelt nur noch grinsend den Kopf und hört dem Rest des Gespräches zu.
DU LIEST GERADE
Geprägt von Dämonen
RomansaMichelle Williams, oder auch Mitch, wie sie von fast allen genannt wird, lebt quasi zwei Leben. Es gibt ihr Leben auf der Insel, von dem sie versucht so ziemlich jeden fernzuhalten und es gibt ihr Leben im Internat und der Schule. Zu ihrer Familie h...